
AfD-Fraktion in Thüringen pocht auf Mitgliedschaft im Kontrollgremium – Entscheidung schon am Freitag?
Auf die vier Plätze in der Parlamentarischen Kontrollkommission (ParlKK) für den Inlandsgeheimdienst Thüringens waren vor Kurzem zwei Linke, aber kein einziger AfD-Vertreter gewählt worden. Bevor das Gremium seine Arbeit aufnimmt, will das Verfassungsgericht in Weimar am 25. April über die Rechtmäßigkeit der Isolation beraten.

Die Thüringer AfD-Fraktion beharrt auf einem Platz in der neuen Parlamentarischen Kontrollkommission (ParlKK) für den Landesverfassungsschutz. Das Archivfoto zeigt Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke.
Foto: Heiko Rebsch/dpa
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag will verhindern, dass die gerade erst neu zusammengestellte Parlamentarische Kontrollkommission (ParlKK) ihre Arbeit demnächst ohne ein AfD-Mitglied in ihren Reihen aufnimmt. Das Gremium ist für die Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) zuständig.
Am 17. April 2025 hatte die AfD-Fraktion zwei Eilanträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verfassungsgerichtshof in Weimar eingereicht (Az: VerfGH 19/25 und VerfGH 20/25): Das Gericht soll den vier ParlKK-Mitgliedern vorläufig verbieten, sich zu einer konstituierenden Sitzung zu treffen.
Man sehe eine „eklatante Verletzung der Chancengleichheit und Missachtung parlamentarischer Kontrollrechte“, hieß es in einer AfD-Pressemitteilung vom 22. April. Wer „echte Opposition“ wolle, müsse „sie auch in die Lage versetzen, Kontrollfunktionen wahrzunehmen – gerade dann, wenn sie die stärkste Fraktion im Parlament stellt. Alles andere ist eine Täuschung des Souveräns und ein Angriff auf das demokratische Fundament unseres Landes.“
Verfassungsgerichtshof will am 25. April beraten
Ein Sprecher des Gerichtshofs bestätigte auf schriftliche Anfrage der Epoch Times, dass die Landesverfassungsrichter „voraussichtlich am Freitag über die Sachen beraten“ werden, also am 25. April.
Direkt betroffen wären jene vier Abgeordneten, die am 4. April in die ParlKK gewählt worden waren:
- Jonas Urbach (CDU)
- Sven Küntzel (BSW)
- Ronald Hande (Linke)
- Katharina Mitteldorf (Linke)
Die beiden Kandidaten der AfD, Sascha Schlösser und Ringo Mühlmann, hatten bei der Auswahl nicht die erforderliche 50-Prozent-Mehrheit erlangt: Alle anderen Fraktionen im Erfurter Landtag lehnten es wie gewöhnlich ab, ihren AfD-Kollegen eine Stimme zu geben.
AfD kritisiert: Linke „faktisch Teil der Regierungskoalition“
Nach Ansicht von Schlösser, dem Justiziar und justizpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, besitzt die AfD allerdings einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz im Kontrollgremium.
„Die parlamentarische Opposition muss im Verhältnis ihrer Stärke zu den regierungstragenden Fraktionen, also entsprechend ihrer Stärke im Parlament in der ParlKK vertreten sein“, hatte Schlösser seinen Standpunkt bereits in einer Pressemitteilung vom 18. April klargestellt.
Es sei von daher „absolut unverständlich, dass ausgerechnet DIE LINKE, die faktisch Teil der Regierungskoalition ist, mit zwei Sitzen in die ParlKK entsandt wird, während die AfD als stärkste Fraktion und de facto einzige Oppositionsfraktion erneut außen vor bleibt.“
In Paragraf 25 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes (ThürVerfSchG) heißt es wörtlich:
„Die parlamentarische Opposition im Landtag muss im Verhältnis ihrer Stärke zu den regierungstragenden Fraktionen und parlamentarischen Gruppen des Landtags im Gremium vertreten sein.“
Im Erfurter Plenarsaal sind die beiden Fraktionen Linke (12 Sitze) und AfD (32 Sitze) zusammen mit ebenso vielen Sitzen vertreten wie die drei Koalitionsfraktionen CDU (23 Sitze), BSW (15 Sitze) und SPD (6 Sitze), nämlich je 44 Sitze. Um Gesetzesvorhaben durchzubringen, ist die „Brombeer-Koalition“ unter Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) auf Stimmen der Opposition angewiesen. Bei der strikten Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit der AfD bleibt damit nur die Linke als Mehrheitsbeschaffer.
Inwiefern trotzdem die Interessen jeder einzelnen der beiden Parteien AfD und Linke im ParlKK berücksichtigt werden müssen, soll nun der Verfassungsgerichtshof klären.
Landtagspräsident will Urteil abwarten
Wann sich die ParlKK zu ihrer Konstituierung treffen will, ist unklar. Der Zeitpunkt dürfe der Öffentlichkeit nicht verraten werden, teilte eine Sprecherin des Landtags auf Nachfrage der Epoch Times mit: Die Sitzungstermine der ParlKK unterlägen der Vertraulichkeit.
Sie räumte jedoch ein, dass ein ursprünglich geplantes Datum vom Präsidenten des Thüringer Landtags, Thadäus König, gekippt worden sei, nachdem die AfD-Fraktion Weimar angerufen habe – und zwar „aus Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof sowie in Ansehung des Rechts der AfD-Fraktion auf effektiven Rechtsschutz“.
Nach Angaben des AfD-Justiziars Schlössers hätte die Konstituierung am 22. April stattfinden sollen. Er begrüßte die kurzfristige Verschiebung mit einem Hinweis auf die Nachwendezeit: „Jetzt liegt es am Thüringer Verfassungsgerichtshof, zu entscheiden, was die Thüringer meinten, als sie am 16. Oktober 1994 über ihre Verfassung abstimmten: Meinten sie mit ‚Opposition‘ eine echte parlamentarische Kontrolle – oder erneut eine bloße Alibiveranstaltung im Stil der Volkskammer mit regierungstreuen Blockflötenparteien?“
Mitgliederzahl im ParlKK neuerdings variabel
Paragraf 25 des ThürVerfSchG war erst vor einigen Wochen geändert worden (PDF). Mit Wirkung zum 22. März 2025 hatte der Landtag beschlossen, dass die ParlKK nicht mehr unbedingt aus fünf Mitgliedern bestehen müsse, sondern „aus einer durch den Landtag zu bestimmenden Anzahl an Mitgliedern, die mindestens drei betragen muss und höchstens sechs betragen darf und die zu Beginn der Wahlperiode vom Landtag aus seiner Mitte mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt werden“. Das Landesparlament entschied sich daraufhin für die Zahl vier und wählte, wie beschrieben.
Vorausgegangen war eine monatelange Lähmung des Kontrollgremiums. Da das Thüringer Recht aber ein Kontrollgremium vorschreibt, ließ sich der Zustand nicht lange aufrechterhalten.
Untersuchungsausschuss gegen Kramer auf den Weg gebracht
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag will ihre Position als die mit Abstand personalstärkste Kraft der Legislative offenbar weiterhin als Druckmittel gegen die „Brandmauer“ ihrer Gegner und für eigene Posten und Vorhaben einsetzen.
So lässt es ihre Sitzanzahl von mehr als einem Drittel zu, im Alleingang Untersuchungsausschüsse im Landtag einzusetzen. Die Fraktion nutzte das Mittel nach eigenen Worten zuletzt, um „zu klären, ob der gegenwärtige Verfassungsschutzpräsident [Kramer] in seiner Amtsführung gesetzliche Pflichten oder beamtenrechtliche Vorgaben verletzt hat und ob er seiner Verpflichtung zur politischen Neutralität, einer zentralen Anforderung an den Präsidenten einer Verfassungsschutzbehörde, gerecht geworden ist oder sein Amt zu politischen Zwecken missbraucht hat und welche Rolle dabei die politische Leitung des Innenministeriums spielte“.
Hintergrund war ein Bericht des Nachrichtenportals „Apollo News“ vom Dezember 2024, der den Verfassungsschutzpräsidenten in ein ungünstiges Licht gerückt hatte. Kramer hatte es seinerzeit gegenüber der Epoch Times abgelehnt, „diese haltlosen Vorwürfe zu kommentieren“.
Wenn Druck Gegendruck erzeugt
Ende Januar 2024 hatte die AfD-Fraktion zudem die Wahl neuer Richter und Staatsanwälte mit ihrer Sperrminorität in den zuständigen Ausschüssen blockiert – als Reaktion auf die Ankündigung vonseiten der CDU und der SPD, keinen AfD-Kandidaten als Landtagsvizepräsident wählen zu wollen.
Holger Pröbstel, der Landesvorsitzende des Thüringer Richterbundes, fürchtet auf Dauer ein Erlahmen der Justiz bis hin zur Funktionsunfähigkeit.
Für den Fall, dass die AfD in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg Regierungsverantwortung erhalten würde, hatten „Sicherheitskreise“ des Bundes und der Länder bereits im Sommer 2024 geplant, die LfVs dieser Länder von Informationen aus den Händen ihrer Amtskollegen in Restdeutschland abzuschneiden. In allen drei Bundesländern gelang es nach den Landtagswahlen vom September 2024, Regierungsbündnisse ohne die blaue Partei zu schmieden.
In Sachsen hatte die CDU-Fraktion allerdings darauf verzichtet, dem AfD-Mitglied Carsten Hütter einen Platz im dortigen ParlKK zu verwehren.
AfD-Landesverband im Fokus des Inlandsgeheimdienstes
In Thüringen hatte der LfV-Präsident Stephan Kramer den AfD-Landesverband bereits im März 2021 als „gesichert rechtsextrem“ einstufen lassen. Die Parteimitglieder dürfen im Freistaat deshalb mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.
Wie im Sommer 2024 bekannt wurde, schreibt Kramers LfV der AfD Thüringen intern auch eine „kämpferisch-aggressive“ Haltung zu. Ein Etikett, das bei dem seit Jahren debattierten AfD-Parteiverbot noch eine Rolle spielen könnte.
Der AfD-Landesvorsitzende und Fraktionschef Björn Höcke war den Verfassungsschützern primär wegen seiner Wortwahl aufgefallen. Für die Verwendung des in Deutschland verbotenen SA-Spruchs „Alles für Deutschland“ wurde er bereits zweimal zu Geldstrafen verurteilt. Rechtskräftig sind die beiden Entscheidungen des Landgerichts Halle aber noch nicht: Höcke bestreitet, etwas vom historischen Hintergrund der Parole gewusst zu haben. Der ehemalige Geschichtslehrer hofft auf einen Freispruch in der nächsten Instanz.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.
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