Bauer darf nur nach Anmeldung aufs Feld: Windpark Alfstedt dreht sich wieder
Der Windpark Alfstedt erlebt holprige erste Jahre. Nach drei Rotorblattbrüchen standen die Turbinen für längere Zeit still. Jetzt dürfen sie wieder Strom erzeugen – allerdings nur unter strengen Auflagen.
0
Link kopiert
Link kopieren
Windpark Alfstedt im April 2024, bei dem mehrere Rotorblätter abgebrochen sind.
Das erste Rotorblatt brach im September 2022 ab, im Oktober 2023 im Abstand von knapp zwei Wochen dann zwei weitere. Die Rede ist vom Windpark Alfstedt in Niedersachsen.
Nach diesen Havarien hatte die Betreiberfirma Energiekontor kurzerhand den gesamten eigenen Windpark stillgelegt. Das betraf laut dem Hersteller fünf Windkraftanlagen mit einer installierten Nennleistung von je 5,3 Megawatt (MW), also insgesamt 26,5 MW. Der Betreiber hatte anschließend die defekten Rotorblätter durch neue ersetzt.
Die Anlagen gingen erst im Juli 2022 in Betrieb. Nur rund zwei Monate später – am 15. September 2022 – brach bei der ersten Anlage ein Rotorblatt ab.
Der Betreiber teilte Epoch Times auf Anfrage mit, dass an einem zweiten Windrad desselben Windparks in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 2023 erneut ein Rotorblatt havarierte. An diesem zweiten Windrad knickte dann am 26. Oktober 2023 ein weiteres Rotorblatt ab. Dies geschah im Zuge der Arbeiten zum kontrollierten Abwurf der noch herabhängenden Bestandteile des vorher havarierten Rotorblattes.
Das Unternehmen erklärte: „Da sich alle drei Vorfälle in kürzester Zeit im selben Windpark an baugleichen Windenergieanlagen des Herstellers General Electric ereigneten, erfolgte aus Sicherheitsgründen die Abschaltung aller fünf Windenergieanlagen des Eigenparks auf unverzügliche Veranlassung von Energiekontor und auf nachträgliche Verfügung des Landkreises Rotenburg.“
Nach dem Bruch des ersten Flügels stürzten und rieselten monatelang scharfkantige Trümmerteile und feine Fasern auf die umliegenden Wiesen und Äcker und verteilten sich im Radius von über 1.800 Meter um das Windrad.
Foto: Epoch Times
Mehrere Dutzend Einsatzkräfte sammeln im April 2024 im Windpark Alfstedt systematisch große und kleine Trümmerteile der havarierten Rotorblätter auf, die sich auf den umliegenden Feldern verteilt hatten.
Foto: Epoch Times
Die mit Schutzkleidung ausgestatteten Einsatzkräfte entsorgen im April 2024 die Bruchstücke der abgefallenen Rotorblätter in dafür angelieferten Containern (li.) große Flügelteile liegen aufgehäuft unter einer Plane (re.).
Foto: Epoch Times
Auf die Schadensursache ging nur der Landkreis Rotenburg näher ein. Christine Huchzermeier, Pressesprecherin des Landrates, sagte der Epoch Times, es handele sich weitestgehend um „Abweichungen im Herstellungsprozess in Zusammenhang mit weiteren Einflussfaktoren“. Das bedeutet, dass die Rotorblattbrüche durch fehlerhafte Produktionen entstanden sein könnten.
Inzwischen drehen sich alle stillgelegten Turbinen des Windparks wieder, wie der Hersteller bestätigte. Bedingung dafür war jedoch „unter anderem die Untersuchung der Schadensursachen und die gutachterliche Feststellung, dass den übrigen Anlagen baugleicher Art kein vergleichbarer Schaden droht“, so Energiekontor.
Erst nach mehreren Gutachten hatte der Landkreis Rotenburg laut der „Bremervörder Zeitung“ eine Wiederinbetriebnahme der Anlagen genehmigt. Doch die Wiederinbetriebnahme durfte nur erfolgen, wenn der Betreiber einige Auflagen erfüllt.
So existiert jetzt um sieben der acht Anlagen im Umkreis von 100 Metern eine Sperrzone, die zunächst für drei Monate gelten soll. – Neben den fünf Anlagen von Energiekontor gibt es auf dem Gelände drei weitere Fremdanlagen vom selben Typ. Das Unternehmen hat diese drei Anlagen „damals projektiert, im weiteren Verlauf aber verkauft“. Bevor jemand diesen 100-Meter-Radius betreten darf, muss der Betreiber die jeweilige Windkraftanlage abschalten, erklärte Huchzermeier.
Ein konkretes Beispiel: Muss ein Landwirt auf den angrenzenden Feldern landwirtschaftliche Arbeiten ausführen, hat dieser dies im Vorfeld dem Windparkbetreiber mitzuteilen. Für die Zeit der Feldarbeit schaltet der Betreiber das entsprechende Windrad ab. „Diese Maßnahme wurde mit den betroffenen Landwirten vertraglich festgehalten“, erklärte Energiekontor.
Überblick über die Windkraftanlagen im Windpark Alfstedt. Im April 2024 waren bereits neue Rotorblätter für den Wiederaufbau angeliefert. Inzwischen laufen alle Anlagen wieder.
Foto: Epoch Times
Die achte Windkraftanlage steht direkt an einer Straße. Hier soll künftig eine Schranke über Nacht zwischen 20 Uhr und 8 Uhr die Fahrbahn sperren. Der Betreiber teilte hierzu mit: „Die Lieferung der Schranke wird in der nächsten Woche erwartet.“
Dieses Windrad wird sich nur innerhalb dieser 12 Stunden drehen – sofern der Wind weht. Fahrzeugen ist während der Betriebszeit die Durchfahrt verboten. Dringende nächtliche Durchfahrten sind wiederum vorab anzumelden. Wenn die Anlage tagsüber stillsteht, ist die Durchfahrt uneingeschränkt frei.
Intensivere Überprüfung
Normalerweise wird eine Windkraftanlage mindestens alle zwei Jahre auf Ihren Zustand überprüft. Ganz anders sieht es jedoch beim Windpark Alfstedt aus. „In den ersten drei Monaten nach Wiederinbetriebnahme dieser Windenergieanlage erfolgen alle vier Wochen regelmäßige Inspektionen der Rotorblätter, um mögliche Auffälligkeiten frühzeitig erkennen zu können“, erklärte Energiekontor. Das kurze Kontrollintervall ist Teil des gutachterlichen Sicherheitskonzepts.
Wenn bei den Inspektionen keine neuerlichen Beschädigungen an der Anlage auffallen, könnten die Zugangsbeschränkungen nach drei Monaten aufgehoben und die Schranke wieder entfernt werden.
„Sollten bei den Inspektionen jedoch Auffälligkeiten festgestellt werden, bleiben die Absperrmaßnahmen in Absprache mit dem Gutachter weiterhin bestehen. Diese Maßnahmen dienen in erster Linie dem Schutz von Personen und der Sicherheit der Anlagen“, teilte der Betreiber mit.
Der Landkreis hält zusätzliche Überprüfungen an anderen Anlagen desselben Windradtyps nicht für notwendig. Huchzermeier teilte dazu mit: „Das dem Landkreis vorgelegte Gutachten nimmt eine einzelfallbezogene Betrachtung der Windenergieanlage im Windpark Alfstedt inklusive sämtlicher möglicher Einflussfaktoren vor. Insofern ist auch kein Vergleich mit anderen Windparks ohne Havarie-Ereignisse notwendig oder möglich.“
Oder anders gesagt: Solange woanders nichts passiert, werden an anderen Anlagen keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen – auch nicht zur Vorsorge.
Schaden für die Umwelt
Nachdem die Rotorblätter abgebrochen waren, waren Aufräumarbeiten nötig. Doch wie aus einem Artikel von Januar 2023 der „Bremervörder Zeitung“ hervorgeht, sind mehrere Monate verstrichen, bis die Aufräumarbeiten begonnen haben. Hierfür gibt es bisher keine andere Methode, als mit mehreren Einsatzkräften die Felder systematisch abzugehen und die Bruchstücke per Hand einzusammeln.
Die havarierten Rotorblätter des Windparks Alfstedt auf einem umliegenden Feld im April 2024.
Foto: Epoch Times
Das Problem bei abgebrochenen Rotorblättern ist der carbonfaserverstärkte Kunststoff (CFK). Die Bruchstücke der havarierten Flügel waren im Umkreis von mehreren Hundert Metern um die Anlage herum auf den Feldern verteilt. Neben größeren Carbonteilen verbreiteten sich auch kleinere Fasern, die mitunter nicht einmal mit dem Auge zu sehen sind. Diese können sich mit dem Erdboden vermischen und ihn kontaminieren.
Die Carbonfasern sind besonders langlebig und laut dem Branchenfachmann Holger Sasse „noch schlimmer als Asbestfasern“. Der Carbonfaseranteil der Windradflügel liegt bei 5 bis 10 Prozent. Bis heute gibt es kaum eine effiziente Methode, diesen Bestandteil zu recyceln.
Das Fachgebiet von Maurice Forgeng beinhaltet Themen rund um die Energiewende. Er hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Klima spezialisiert und verfügt über einen Hintergrund im Bereich der Energie- und Gebäudetechnik.