Logo Epoch Times
Klappts diesmal?

Bundestag stimmt über drei neue Verfassungsrichter ab - Mehrheiten ungewiss

Am Donnerstagnachmittag nimmt der Bundestag einen neuen Anlauf zur Wahl dreier Verfassungsrichter. Da es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, brauchen die Regierungsfraktionen von Union und SPD Schützenhilfe von der Opposition. Selbst wenn die Grünen mitmachen, könnte die Brandmauer der Union zu den Linken und zur AfD einem Erfolg im Weg stehen.

top-article-image

Das Symbolbild zeigt einen recht gut gefüllten Plenarsaal im Deutschen Bundestag. Je voller er am 25. September wird, desto schwieriger wird die Mehrheitsfindung bei der Verfassungsrichterwahl.

Foto: Michael Kappeler/dpa

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 10 Min.


In Kürze:

  • Neuer Anlauf für dreifache Verfassungsrichterwahl im Bundestag am 25. September
  • Zweidrittelmehrheit für die Kandidaten je nach Besetzung des Plenarsaals ungewiss
  • AfD warnt speziell vor der Wahl der Staatsrechtlerin Prof. Ann-Katrin Kaufhold

 
Am Donnerstag, 25. September 2025, könnte es im Bundestag wieder spannend werden: Auf der Tagesordnung steht ab 16:20 Uhr erneut die geheime Wahl dreier Richter, die die demnächst vakanten Posten am Bundesverfassungsgericht übernehmen sollen. Das Bundestagsfernsehen überträgt live.
Nach Angaben der Website des Bundestags gilt die Wahl eines Kandidaten dann als erfolgreich, wenn für ihn eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erzielt wird. Die absolute Zahl der Befürworter müsse dabei mindestens 316 betragen: Die Regeln verlangen, dass sich jeweils mehr als die Hälfte aller 630 Bundestagsabgeordneten für einen Amtsbewerber ausspricht.
Da am Nachmittag mit einem gut gefüllten Reichstag zu rechnen ist, werden die maximal 328 Stimmen der beiden Regierungsfraktionen Union und SPD für eine Zweidrittelmehrheit im Plenarsaal höchstwahrscheinlich nicht ausreichen. Bei einem bis auf den letzten Platz besetzten Saal würden sogar die maximal 85 Stimmen der Grünen nicht für eine solche Mehrheit genügen. Um in diesem Fall die Lücke von sieben Stimmen zur Grenzzahl 420 schließen zu können, wären Union, SPD und Grüne auf Zustimmung aus den Reihen der AfD oder der Linken angewiesen.
Bei der Union gilt seit 2018 eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss (PDF), nach dem jegliche „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland“ nicht gestattet sind.

Wenig Rückhalt von der AfD zu erwarten

Schon wegen dieser „Brandmauer“ werden sich die beiden Regierungsfraktionen von den 151 Parlamentariern der AfD nicht allzu viel Schützenhilfe für ihre drei Kandidaten erhoffen können.
Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner machte unter der Woche nach einer Sitzung des Wahlausschusses klar, dass zumindest die beiden SPD-Kandidatinnen Prof. Ann-Katrin Kaufhold und Sigrid Emmenegger nicht auf AfD-Stimmen bauen könnten: Nachdem man Emmenegger im Ausschuss befragt habe, werde man der Fraktion nicht empfehlen, sie zu wählen.
Ob sich eine Reihe von AfD-MdBs für den CDU-Kandidaten Prof. Günter Spinner aussprechen wird, ist unklar. Nach Informationen des Nachrichtensenders „n-tv“ hätte Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Bundestag, nichts gegen eine Wahl Spinners einzuwenden: „Den Herrn Spinner können wir uns vorstellen.“ Auch zu Emmenegger vertrat er eine moderatere Haltung: Diese sei nicht so sehr „durch öffentliche Äußerungen hervorgetreten, sodass man da kritisch einhaken“ müsse.

Für Linke eine „Gewissensentscheidung“

Vonseiten der Linken im Bundestag war nach Angaben der „Tagesschau“ bislang zwar kein negatives Urteil zur neuen Personalie Emmenegger geäußert worden, jedoch habe Fraktionschefin Heidi Reichinnek wegen ihres Unmuts über das angebliche parteipolitische Taktieren der Union angekündigt, ihren Fraktionskollegen freie Hand bei der Abstimmung zu lassen, zumal es sich um eine „Gewissensentscheidung“ handele.
Noch vor zwei Wochen hatte Reichinnek trotz des Unvereinbarkeitsbeschlusses der Union zur Linken anders geklungen: „An uns scheitert es auf keinen Fall“, sagte sie. Sie wies allerdings schon damals darauf hin, dass es „die Aufgabe der Regierungskoalition“ sei, „für alle ihre Kandidatinnen und Kandidaten auch demokratische Mehrheiten zu finden“. Entsprechende Angebote von der Union hatte es seither offiziell aber nicht gegeben.

Haßelmann (Grüne) offen für alle Kandidaten

Ähnlich wie Reichinnek äußerte sich laut „Tagesschau“ zuletzt auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann: Es sei die Aufgabe von Union und SPD, für genügend „Stimmen der demokratischen Opposition“ zu sorgen. Zugleich habe sie aber auch zu verstehen gegeben, dass ihre Fraktion um Unterstützung für die drei Kandidaten werben werde: Es gelte, „weiteren Schaden vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden“, so Haßelmann unter Verweis auf den „ungeheuerlichen Vorgang um die gescheiterte Richterwahl“ im Juli.
Nach Angaben des „Bayerischen Rundfunks“ hatten sowohl Vertreter der Grünen als auch der Linken kürzlich ihre Enttäuschung darüber geäußert, nicht in die Auswahl der Kandidaten einbezogen worden zu sein, Kritik gegen einen der BVerfG-Anwärter sei aber weder von den Grünen noch von den Linken laut geworden.

Erster Wahltermin wegen Uneinigkeit über SPD-Kandidatin Nummer eins im Juli abgesagt

Ursprünglich sollte die als Formalie gedachte Abstimmung bereits am 11. Juli über die Bühne gehen, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause. Doch an jenem Freitag platzte die Richterwahl, weil innerhalb der CDU-Fraktion kurzfristig zu viele Stimmen laut geworden waren, die ihre Zustimmung speziell zur damaligen SPD-Wunschkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf verweigert hatten. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte es offensichtlich nicht geschafft, seine Abgeordneten punktgenau auf Kurs zu bringen.
Stein des Anstoßes bei den abtrünnigen Parlamentariern der Union war unter anderem die Haltung von Brosius-Gersdorf zum Thema Abtreibung, die in manchen Medien noch kurz zuvor häufig verzerrt dargestellt worden war. Auch eine zwischenzeitlich kolportierte Plagiatsaffäre hatte manche CDU-MdB zögern lassen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann schlug sogar erfolglos vor, des lieben Friedens willen gleich drei neue Kandidaten aufzustellen.

Koalitionsfrieden wackelte – Brosius-Gersdorf zog zurück

Der Eklat um die gescheiterte Wahl der Potsdamer Rechtsprofessorin hielt das politische Berlin gut zwei Monate lang in Atem: Würde die schwarz-rote Regierungskoalition schon nach wenigen Wochen in Verantwortung an einem simplen Personalienstreit zerbrechen?
Nachdem Brosius-Gersdorf ihre Ambitionen auf eines der höchsten deutschen Richterämter Anfang August unter großem öffentlichem Druck beerdigt hatte, entschied sich die SPD-Fraktion nach langem Hin und Her, mit der erfahrenen Bundesverwaltungsrichterin Sigrid Emmenegger schließlich doch noch eine Ersatzkandidatin vorzuschlagen, die weniger Spaltungspotenzial als Brosius-Gersdorf verhieß. Emmenegger war bisher nicht durch öffentliche Äußerungen zu politisch brisanten Themen in Erscheinung getreten.
Die SPD beharrte allerdings darauf, wenigstens ihre zweite ursprüngliche Wunschkandidatin Prof. Ann-Katrin Kaufhold auf der Nominierungsliste zu belassen, obwohl auch deren Kandidatur nach wie vor umstritten ist.
An dem Unionskandidaten Prof. Günter Spinner als Nummer drei der Nominierten gab es bislang von keiner Seite viel auszusetzen: Als Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht genießt er einen untadeligen Ruf. Der Wahlausschuss des Bundestags segnete die zwischen Union und SPD neu vereinbarte Kandidatenliste am vergangenen Montagabend endgültig ab.

Für drei Richter endet die Amtszeit in Karlsruhe

Die Wahl war nötig geworden, weil die Amtszeit dreier Richter am Bundesverfassungsgericht demnächst ausläuft. Bei den scheidenden Verfassungsrichtern handelt es sich um Prof. Dr. Doris König und Dr. Ulrich Maidowski vom Zweiten Senat sowie um Dr. Josef Christ, der dem Ersten Senat angehört. Christ soll nach Angaben des Bundestags durch Spinner ersetzt werden, König durch Emmenegger. Kaufhold soll den Platz von Maidowski einnehmen.
Als Mitglied des Zweiten Senats am höchsten deutschen Gericht wäre Kaufhold auch für Entscheidungen über Parteiverbote zuständig. Die Staatsrechtlerin hatte sich bereits im November 2024 offen für ein Verbot der AfD gezeigt. Es bestünden zwar „hohe Anforderungen“ an ein Verbotsverfahren, so Kaufhold damals auf einer Podiumsdiskussion, einen Verbotsantrag aber bloß aus Sorge, dass dieser scheitern könne, nicht zu stellen, fände sie „nicht überzeugend“ (Video circa ab Minute 56:00 auf YouTube).

Baumann warnte speziell vor Wahl Kaufholds

AfD-Fraktionsgeschäftsführer Baumann bezeichnete Kaufhold vor wenigen Tagen als „Aktivistin“. Ihre Nominierung durch die SPD sei „Teil eines Unterwanderungsversuchs“, der von Linken und Grünen unterstützt werde. „Der eigentliche Skandal ist, dass die CDU das durchwinkt, die doch eigentlich konservative Wähler sammeln will, aber hier Zweidrittelmehrheiten mit den Linken sucht, mit der Ex-SED“.
Kaufhold habe in ihrer Rolle als Gutachterin für die Berliner Stadtpolitik kein Problem damit gehabt, Wohnungsbauunternehmen zu verstaatlichen, warnte Baumann. Sie stehe zudem dafür ein, dass „Klimaschutz auf deutschem Boden so radikal betrieben wird, dass die Parlamente übersteuert werden müssten“. Dabei habe Deutschland bekanntlich „nullkommanull Auswirkungen auf das Weltklima, auf die CO₂-Reduktion“, so Baumann. Denn China alleine blase ja jede Woche „das 30-Fache und mehr“ der deutschen Emissionen in die Luft. Zudem bliebe „jedes Tönnchen Öl, was wir nicht verbrauchen“, nicht im Boden, sondern werde stattdessen in den Industrien Chinas, Russlands oder Brasiliens verbraucht (Video circa ab Minute 15:19 auf YouTube).
Kaufhold hatte im Klimaverfahren 2020/21 vor dem Bundesverfassungsgericht Bundestag und Bundesregierung gegen die klagenden Umweltverbände vertreten. Sie betonte dabei, dass die politische Legitimation des Parlaments höher einzustufen sei als die gerichtliche.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.