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Der 9. November - Schicksalstag der Deutschen: Zwischen Horror und Freude

Fünfmal prägten Ereignisse an einem 9. November die Geschichte Deutschlands maßgeblich, davon dreimal zum Schlechten. Dieser Novembertag symbolisiert Wendepunkte, die meist mit Gewalt verbunden waren. Nur mit dem jüngsten geschichtsträchtigen 9. November des Jahres 1989 ist unbändige Freude – geradezu weltweit – verbunden. Dennoch fremdeln die Deutschen manchmal noch mit dieser „success story“. Vielleicht, weil sie nicht gewohnt sind, dass es auch einen positiven Schicksalstag für die Nation geben kann.

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Blumen werden an der Gedenkmauer niedergelegt während der zentralen Gedenkzeremonie zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 am Berliner Mauerdenkmal an der Bernauer Straße in Berlin. – Deutschland feiert 30 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer, der das Ende des Kommunismus und die nationale Wiedervereinigung einleitete, während das westliche Bündnis, das diese Errungenschaften sicherte, zunehmend infrage gestellt wird.

Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images

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In Kürze:

  • 1848–1918: Revolutionen und Republikgründungen, Robert Blum und Karl Liebknecht rufen Veränderungen aus.
  • 1923–1938: Hitlers Putschversuch scheitert; Pogromnacht gegen Juden zeigt Gewalt und Unterdrückung.
  •  1989: Mauerfall durch Schabowskis Ankündigung – Deutschland wird wiedervereint, ein Schicksalstag voller Hoffnung.

 
Günter Schabowski, damals Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung von Ostberlin, verkündete am 9. November 1989 um 18:52 Uhr bei einer internationalen Pressekonferenz den entscheidenden Satz, der ihn in die Geschichte eingehen ließ: „Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen. Damit entfällt die vorübergehend ermöglichte Erteilung von entsprechenden Genehmigungen in Auslandsvertretungen der DDR beziehungsweise, die ständige Ausreise mit dem Personalausweis der DDR über Drittstaaten.“
Auf die Nachfrage eines Journalisten erklärt Schabowski zusätzlich: „Das tritt nach meiner Kenntnis – sofort“ – Pause, er blättert in seinen Unterlagen – also „unverzüglich“ ein, sagt er dann.

1989: Auf einmal war die Grenze offen

Kurz darauf stürmen Ostberliner die Mauer in der geteilten Stadt. Die kommunistische DDR ist dabei, zusammenzubrechen. Internationalen Medien verbreiten die ausgelassene Freude vor allem der Ostdeutschen um die ganze Welt, während man in Westdeutschland noch fassungslos staunt.
Erneut wird ein weiterer 9. November, diesmal des Jahres 1989, Teil des „Schicksalstags der Deutschen“. Diesen Begriff prägte durch seine Festansprache am 9. November 2018 der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).
An diesem Datum verdichte sich „unsere jüngere Geschichte in ihrer Ambivalenz, mit ihren Widersprüchen, ihren Gegensätzen“, sagte der inzwischen verstorbene Schäuble. Elf Monate nach Schabowskis Sätzen waren Ost- und Westdeutschland wiedervereint.
Blumen werden an der Gedenkmauer niedergelegt während der zentralen Gedenkzeremonie zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 am Berliner Mauerdenkmal an der Bernauer Straße in Berlin. – Deutschland feiert 30 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer, der das Ende des Kommunismus und die nationale Wiedervereinigung einleitete, während das westliche Bündnis, das diese Errungenschaften sicherte, zunehmend infrage gestellt wird. Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images

Blumen werden an der Gedenkmauer niedergelegt während der zentralen Gedenkzeremonie zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 am Berliner Mauerdenkmal an der Bernauer Straße in Berlin. – Deutschland feiert 30 Jahre seit dem Fall der Berliner Mauer, der das Ende des Kommunismus und die nationale Wiedervereinigung einleitete, während das westliche Bündnis, das diese Errungenschaften sicherte, zunehmend infrage gestellt wird.

Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images

1938: Pogromnacht an Juden

Gleicher Tag 47 Jahre zuvor: Deutsche Städte brennen – Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen werden von Nazi-Schergen abgefackelt, zerstört, deutsche Jüdinnen und Juden misshandelt, willkürlich verhaftet, 91 Personen sogar umgebracht, ohne dass dies Konsequenzen für die Täter nach sich zog.
Bereits in den Tagen zuvor war es vereinzelt in deutschen Städten zu Ausschreitungen gekommen. Grund dafür war das Attentat am 7. November 1938 auf Ernst vom Rath, einem jungen Diplomaten der deutschen Botschaft in Paris.
Der 17-jährige polnische Jude Herschel Grynszpan schoss aus Verärgerung über die Ablehnung von Ausweispapieren für ihn und weitere 15.000 polnischen Juden auf vom Rath und stellte sich später den französischen Behörden. Der Diplomat hingegen erlag am 9. November 1938 seinen Schussverletzungen.
Am Abend des gleichen Tages wurde den SA-Führern seitens Propagandaminister Joseph Goebbels „gestattet“ mit ihren Mannschaften gegen Juden vorzugehen. Die NS-Führung wurde jedoch von dem Ausmaß der tatsächlichen Ausschreitungen überrascht. Denn Reinhard Heydrich, damals Chef der Sicherheitspolizei, gab noch in den frühen Morgenstunden des 10. November ein Fernschreiben an die Staatspolizeistellen heraus, in dem es hieß:
„Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (zum Beispiel: Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung gegeben ist). Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen. In Geschäftstraßen ist besonders darauf zu achten, dass nichtjüdische Geschäfte unbedingt gegen Schäden gesichert werden.“

Ein jüdisches Geschäft während des nationalsozialistischen Boykotts, Berlin, Deutschland, 1933. (Archiv)

Foto: European/FPG/Getty Images

1923: Hitlers Putschversuch in München

Der Zustand des Deutschen Reiches nach Beendigung des Erste Weltkrieges blieb in weiten Teilen instabil. Besonders in Bayern sammelten sich konservativ gesinnte Geister, unter anderem in monarchistischen Traditionsverbänden, die eine Republik ablehnten.
In diesem Umfeld gründete Adolf Hitler die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und wurde trotz des irreführenden Namensbestandteils „sozialistisch“ Teil dieser konservativen Strömung.
Nachdem der italienische Faschist Benito Mussolini 1922 erfolgreich mit einem „Marsch auf Rom“ an die Macht gelangt war, nahm sich Hitler ebenfalls zum Ziel, von Bayern aus einen Marsch auf Berlin zu unternehmen. Zuvor, so sein Kalkül, müsse er sich jedoch erst in Bayern durchsetzen: Die Gelegenheit für einem Putsch erschien ihm günstig, als nach dem Abbruch des Ruhrkampfes gegen die französischen und belgischen Besatzer am 26. September 1923 die bayerische Regierung aus Sorge vor kommunistischen Übergriffen den Ausnahmezustand verhängte.
Der frühere Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr wurde zum Generalstaatskommissar ernannt. Er erhielt faktisch diktatorische Vollmachten und zog den Chef der bayerischen Landespolizei Hans von Seißer und den Landeskommandanten der Reichswehr, Otto von Lossow, auf seine Seite.
Hitler spürte, dass ihm Kahr in die Quere kommen könnte. Als er hörte, dass sich Kahr, Seißer, Lessow und weitere bayerische Politiker am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräu treffen würden, stürmte Hitler die Versammlung, versetzte die Anwesenden mit einem Schuss in die Decke in Angst und Schrecken und presste ihnen unter Androhung von Gewalt die Zusage ab, sich an seinen Plänen zum Sturz der Reichsregierung in Berlin zu beteiligen. Daraufhin wurden die Festgesetzten wieder freigelassen. Diese widerriefen jedoch noch in der Nacht ihre erpressten Zugeständnissen.
Einmal begonnen, entschloss sich Hitler am Morgen des 9. Novembers seinen Putschversuch fortzusetzen. Auf dem Weg vom Bürgerbräu über den Marienplatz zur Ludwigstraße wurden die etwa 2.000 teilweise bewaffneten Anhänger Hitler vor dem Odeonsplatz durch Polizeikräfte gestoppt. Es fielen Schüsse – bis heute unklar, von wem zuerst.
Bei den Schusswechseln kamen 15 Hitleranhänger, ein unbeteiligter Zivilist und vier Polizisten ums Leben. Hitler floh, wurde aber am 11. November verhaftet. Nach einem Prozess im Frühjahr 1924 wurde er zu Festungshaft in Landsberg verurteilt und am 20. Dezember 1924 auf Bewährung wieder entlassen.

OSWIECIM, POLEN – 27. Januar: Eine Überlebende von Auschwitz geht am Hauptdenkmal während der Zeremonie zum 60. Jahrestag der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz II, auch Birkenau genannt, am 27. Januar 2005 in Oswiecim, Polen, vorbei. Überlebende standen neben Weltführern, um feierlich den mehr als einer Million Menschen, überwiegend Juden, zu gedenken, die in Auschwitz von den Nazis ermordet wurden. (Archiv)

Foto: Sean Gallup/Getty Images

1918: Revolution und zweimal Ausrufung der Republik

Fünf Jahre zuvor war die eigentliche Grundlage für Hitlers Putschversuch gelegt worden, mit der sogenannten Novemberrevolution. Die Endphase des Ersten Weltkrieges leiteten Matrosen der Kriegsmarine ein. Am 30. Oktober kam es in Wilhelmsaven zu einer Meuterei. Die Matrosen mehrerer Kriegsschiffe weigerten sich, zu einem erneuten Angriff auf England auszulaufen.
Ihr Aufstand weitete sich rasch auf das ganze Land aus, da die Bevölkerung keinen Sinn mehr in der Fortsetzung des Krieges sah. Es bildeten sich sogenannte Soldaten- und Arbeiterräte. Am 7. und 8. November wurden in München und Braunschweig Republiken ausgerufen. Binnen weniger Tage dankten alle deutschen Fürsten ab.
Am 9. November 1918 spitzte sich die Lage besonders in Berlin zu: Die Sozialdemokraten Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann hatten erfahren, dass ihr ehemaliger Parteigenosse Karl Liebknecht an diesem Tag eine „freie sozialistische Republik Deutschland“ ausrufen wolle. Liebknecht wurde unterstellt, dass er beabsichtige, nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution von 1917 ebenfalls eine kommunistische Räterepublik in Deutschland einzuführen.
Von dieser Sorge getrieben, entschloss sich Reichskanzler Prinz Max von Baden ohne Rücksprache mit seiner Majestät, die Abdankung des Kaisers zu verkünden. Gleichzeitig trat er selbst zurück und übergab die Regierungsgeschäfte an Friedrich Ebert, seit 1913 Parteivorsitzender der SPD und stärkste politische Kraft in Reichstag. Kurz darauf rief das SPD-Vorstandsmitglied Philipp Scheidemann, ohne Absprache mit Ebert, aus einem Fenster des Reichstags in Berlin das Ende des Kaiserreichs aus.
Videos, die heute dazu im Internet kursieren sind weder im Film noch im Ton authentisch. Einer Tonaufnahme mit Scheidemann aus dem Jahr 1922 zufolge, in der er seine Rede nachgestellt hat, soll er am 9. November 1918 unter anderem gesagt haben: „Arbeiter und Soldaten! Seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewusst. Unerhörtes ist geschehen! Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk, alles durch das Volk! (…) Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik!“
Am gleichen Tag ließ es sich Karl Liebknecht nicht nehmen, eben falls die Republik auszurufen. Er nutzte dafür ein Fenster des Berliner Stadtschlosses, konnte sich aber gegenüber der SPD nicht behaupten.
Liebknecht wurde wenig später Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Am 15. Januar 1919 wurde er im Berliner Tiergarten unter Duldung des Reichswehrministers Gustav Noske von rechtsradikalen Offizieren ermordet.

1848: Noch eine Revolution

70 Jahre zuvor scheiterte eine Revolution in Deutschland. Die sogenannte „Märzrevolution“ von 1848. Ermutigt durch einen Aufstand in Paris am 25. Februar 1848, der zur Abdankung des französischen Königs Louis Philippes führte, kam es auch ab März 1848 in deutschen Städten und Fürstentümern zu revolutionären Umsturzversuchen.
Einer ihrer volkstümlichen Führer war Robert Blum, ein Publizist aus Köln. Am 18. Mai 1848 war in der Frankfurter Paulskirche von den Revolutionären das erste deutschlandweite Parlament gegründet worden, die sogenannte Nationalversammlung. Robert Blum war einer ihrer Abgeordneten. Im Oktober 1848 schickte die Nationalversammlung Blum nach Wien, um Solidarität mit den dortigen Aufständischen zu zeigen.
Nach der Niederschlagung des Wiener Aufstandes wurde er am 2. November von der kaiserlichen Obrigkeit verhaftet und als „Rebellenführer“ zum Tode verurteilt. Am 9. November 1848 wurde er in Wien hingerichtet. Seither wird Robert Blum als Märtyrer der gescheiterten Revolution von 1848/49 gedacht, zum Beispiel mittels der Stiftung des einstigen Bundespräsidenten Theodor Heuss.
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für Epoch Times. Ferner war er von 1995 bis August 2023 Reserveoffizier im Dienstgrad Oberstleutnant und nahm an Auslandseinsätzen teil, unter anderem zehn Monate im Irak.

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