Die Verletzlichkeit der Freiheitsrechte in Krisenzeiten

Der 23. Mai ist der „Tag des Grundgesetzes“. Während die Grundrechte über Jahrzehnte als Garant der Demokratie erschienen, ist das Vertrauen seit der COVID-Pandemie erschüttert. Für viele Menschen zeigte sich plötzlich die Verletzlichkeit unserer Grundrechte.
Titelbild
Das Wort Pressefreiheit ist in einem Ausschnitt des Artikels 5 des Grundgesetzes am Außenhof des Jakob-Kaiser-Hauses in Berlin zu sehen.Foto: Florian Kleinschmidt/Illustration/dpa
Von 23. Mai 2023

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Zum 74. Mal jährt sich am 23. Mai der „Tag des Grundgesetzes“. 1949 wurde es während einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates ausgefertigt und verkündet. Damit war die Bundesrepublik Deutschland geboren.

Angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik und der zwölf Jahre nationalsozialistischer Terrorherrschaft hatten die Schöpfer des Grundgesetzes das Ziel, der neuen Bundesrepublik eine Verfassung zu geben, die auf der Würde jedes Einzelnen basiert. Mit Absicht stellten sie den wohl wichtigsten Satz des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ an den Anfang des Textes. Dadurch schufen sie unmittelbar geltendes Recht für alle staatliche Gewalt.

Ursprünglich nur als vorläufige Lösung gedacht

Ursprünglich war das Grundgesetz als vorläufige Lösung gedacht und wurde daher bewusst nicht als Verfassung bezeichnet. Erst nach einer Wiedervereinigung sollte eine gesamtdeutsche Verfassung folgen. Das wurde durch die Präambel deutlich gemacht, die dem Grundgesetz ursprünglich vorangestellt war. Am 3. Oktober 1990, mit dem Beitritt der Länder der ehemaligen DDR, wurde das Grundgesetz zur Verfassung des gesamten deutschen Volkes. Seit mehr als sieben Jahrzehnten ist das Grundgesetz nun die Grundlage der Demokratie in unserem Land.

Die Väter des Grundgesetzes waren von der Idee beseelt, ein Gesetz zu schaffen, das die formulierten Grundrechte für die Bürgerinnen und Bürger auch in Krisenzeiten schützt. Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich behandelt und ihre Würde soll gewahrt werden – das sind bis heute die Grundsteine, auf die die Demokratie in Deutschland aufbaut.

Noch nie wurde so massiv in die Grundrechte eingegriffen

Umso verstörender dann die Erfahrungen 2020. Mit der Begründung des Kampfes gegen Corona wurden von der Politik Maßnahmen beschlossen, die das Leben der Menschen erheblich beeinträchtigten. Maskenpflicht, Kontakt- und Versammlungsverbot – die Liste der Maßnahmen ließe sich problemlos verlängern. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde so massiv und flächendeckend in unsere Grundrechte eingegriffen.

Bund und Länder schlossen Kindergärten, Schulen, Universitäten, Theater und Museen, untersagten wirtschaftliche Aktivität, verboten soziales Miteinander und machten detaillierte Hygiene- sowie Verhaltensvorgaben. Was in den Jahren 2020 und 2021 passierte, hatten sich viele Menschen bis dahin nicht vorstellen können.

Viele Kritiker der Maßnahmen fragten sich, ob der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes in all den Jahren davor maßlos überschätzt wurde und am Ende doch nicht als Garant gegen Staatswillkür taugt. Hatte es sich als untauglich erwiesen, als die Politik Grundrechte offensichtlich niedriger bewertete als ihr Ziel, Gesundheitsrisiken einzudämmen?

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sah damals beim Umgang mit der Corona-Pandemie die Freiheitsrechte in Gefahr. Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jedweden Freiheitseingriff, sagte Papier damals.

Freiheitsschutzstandard wurde gewahrt mit 18 Prozent

Die Justiz sah sich damals massiv mit Klagen und Anträgen konfrontiert. Eine am Anfang dieses Jahres veröffentlichte Studie zweier Juristen zeigt aus Sicht der Verfasser, dass der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten „überwiegend gut“ funktionierte. Die Juristen Johannes Kruse und Christian Langner haben Daten aus gut 2.300 Entscheidungen zwischen März 2020 und September 2021 ausgewertet. Dabei ergab sich eine „Freiheitsquote“ von 18 Prozent, womit gemeint ist, dass die Kläger gegen Coronamaßnahmen vor Verwaltungsgerichten in 18 Prozent der Fälle obsiegten. Die beiden Autoren kommen zu dem Ergebnis: „Während der Pandemie wurde der allgemeine Freiheitsschutzstandard auch bei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Coronamaßnahmen gewahrt.“

Man kann die von Kruse und Langner ermittelte Freiheitsquote von 18 Prozent sicherlich auch anders beurteilen: Fakt bleibt aber, dass die Freiheitsrechte aus dem Grundgesetz in Zeiten der Corona-Pandemie massiv unter Druck geraten sind. Die Verletzlichkeit des Grundgesetzes ist deutlich zutage getreten.

Aktionstag „Quo vadis Grundgesetz?“

Der Verein Unsere Verfassung hat gerade erst für den Tag des Grundgesetzes am 23. Mai bundesweit verschiedene Veranstaltungen im Rahmen eines Aktionstages „Quo vadis Grundgesetz?“ angekündigt. Verschiedene Gruppen unterstützen diesen Aktionstag, schreibt der Verein in einer Ankündigungsmail, die der Redaktion vorliegt.

„Was uns eint, ist unsere Sorge um das Grundgesetz“, schreibt das Vorstandsmitglied Stephanie Burck. Mit den Veranstaltungen wolle man einen Anstoß zu einer Weiterentwicklung von Demokratie und Grundgesetz geben und sie sollen einen Kontrapunkt zu den „jährlichen Mainstream-Selbstbeweihräucherungsveranstaltungen“ bieten.

Grundgesetz in Verfassungsrang erheben

Nach eigenen Angaben setzt sich der Verein Unsere Verfassung dafür ein, die langjährige Frage zu beantworten, ob das Volk gemäß Artikel 146 eine eigene Verfassung schaffen sollte. Daher setzt man sich dafür ein, das Grundgesetz selbst zur Verfassung zu erheben und gleichzeitig seine grundlegenden Mängel anzugehen. Zu diesen Mängeln gehört nach Ansicht des Vereins insbesondere das Fehlen einer umfassenden Volksabstimmung und die Tatsache, dass das Volk keine „Souveränität über die Inhalte der Verfassung“ besitzt.

Veranstaltungen zum „Geburtstag des Grundgesetzes“ sind unter anderem in Berlin, Frankfurt (Main), München, Hannover und Leipzig geplant. Nähere Informationen hat der Verein auf einer Mobilisierungswebsite zusammengestellt.



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