Ernährungsindustrie: Deutsche können nicht mehr kochen

Noch stärker als Toilettenpapier wurden vor dem Corona-Lockdown Nudeln und Reis nachgefragt. Viel mehr bekämen die Deutschen halt nicht mehr zubereitet, sagt Christoph Minhoff. Der Nahrungslobbyist hofft auf einen Lerneffekt in der Krise.
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Das Wissen, wie man sich aus mehreren Komponenten eine Mahlzeit zubereitet, wird nach Einschätzung der Ernährungsindustrie in den Familien kaum noch vermittelt.Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times24. April 2020

Die Corona-Krise hat die Deutschen nach Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) als Kochmuffel entlarvt.

„Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass die Kochkompetenz der Deutschen drastisch sinkt“, sagte BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff der Deutschen Presse-Agentur. Das stelle viele Menschen nun, wo die Restaurants geschlossen haben, vor große Probleme. „Der Wegfall des Angebots von Schnellrestaurants, Pommes-Buden und Italiener-um-die-Ecke wirft die Leute nun dramatisch zurück auf ihre eigenen Kochkünste“, sagte Minhoff. „Und die sind begrenzt.“

Das Wissen, wie man sich aus mehreren Komponenten eine Mahlzeit zubereitet, werde in den Familien kaum noch vermittelt. Kochshows in Fernsehen und Internet könnten das nicht kompensieren. Gekocht werde fast nur noch am Wochenende, „und wenn gekocht wird, dann eher als Event und nicht als Teil einer gewöhnlichen Nahrungsaufnahme“, so der Verbandschef. In unserer arbeitsintensiven Gesellschaft hätten wir uns daran gewöhnt, zubereitetes Essen zu kaufen. Etwa in Fastfood-Läden, Kantinen oder beim Bäcker. Dieses Angebot gebe es nun plötzlich kaum noch. „Jetzt stehen die Leute im Supermarkt und denken sich „ja gut, wie mache ich denn jetzt ’nen Burger selbst?“.

Vorliebe für vorgefertigte Nahrungsmittel

So erkläre sich auch der Run auf bestimmte Produkte im Supermarkt zu Beginn der Krise. „Eine Fertigpizza kann noch jeder in den Ofen schieben, und Nudeln kochen mit Pastasoße drüber, überfordert die meisten auch nicht“, sagte Minhoff. Schon eine Kartoffel zu kochen, sei aber eine Herausforderung. „Da müssen Sie wissen: Mit oder ohne Schale kochen? Wenn ja, wie viel Salz muss da ins Wassern rein? Wie lange muss ich die dann kochen?“, sagte der BVE-Chef. „Da werden jetzt viele sagen: Na das ist doch ein Witz, das kann doch jeder! Nein, es kann eben nicht jeder.“

In der zweiten Märzwoche, also der Woche, bevor in den meisten Teilen Deutschlands die Schulen geschlossen und erste Corona-Beschränkungen in Kraft traten, wurden in Deutschland laut BVE gut 170 Prozent mehr Teigwaren verkauft als zur gleichen Zeit im Vorjahr und etwa 179 Prozent mehr Reis. Noch höher war die Nachfrage nach Mehl, die 200 Prozent über dem Vorjahreswert lag; Brotmischungen wurden mehr als 330 Prozent mehr nachgefragt. „Begehrt war alles, was lange haltbar und auch möglichst leicht zu kochen ist“, sagte Minhoff. Beim Mehl oder auch Hefe habe der niedrige Stückpreis zur extremen Nachfrage beigetragen. Zum Vergleich: Die Nachfrage nach Toiletten-Papier lag laut der BVE-Statistik „nur“ gut 118 Prozent über dem Wert aus der zweiten Märzwoche 2019.

Nahrungsmittelbranche wird „unterschätzt“

Trotz dieses exorbitanten Ansturms habe die Branche die Versorgung aufrecht erhalten, betonte Minhoff. Besondere Wertschätzung hätte es dafür aber nicht gegeben. „Noch immer wird in der Öffentlichkeit unterschätzt, und das finde ich ein wenig traurig, was für eine unglaubliche logistische Leistung die Ernährungsindustrie generell und jetzt in der Corona-Krise speziell vollbringt“, sagte Minhoff. „Unsere Unternehmen sorgen weiterhin für volle Regale in den Supermärkten.“

Der Verbandschef hofft, dass die Corona-Krise seinen Mitarbeitern etwas mehr Anerkennung verschafft – und dass die Deutschen zu einem anderen Verhältnis zu ihrem Essen zurückfinden. „Sie können ein Lebensmittel nur wertschätzen, wenn Sie den Umgang damit auch mal selbst praktizieren“, sagte Minhoff. „Wenn man erfährt, wie viel Arbeit dahintersteckt, ein schmackhaftes, ausgewogenes Essen herzustellen, bekommt man einen völlig neuen Zugang.“ (dpa)



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