Erstes deutsches Parlament will „erwiesen verfassungsfeindliche“ Mitarbeiter nicht mehr bezahlen
Die Ampelfraktionen im Mainzer Landtag wollen gemeinsam mit der oppositionellen CDU-Fraktion dafür sorgen, dass „erwiesen verfassungsfeindliche“ Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten nicht mehr aus Haushaltsmitteln bezahlt werden. Die AfD-Fraktion kündigte an, sich juristisch gegen den Vorstoß zu wehren.
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Das Archivbild zeigt den gut gefüllten Plenarsaal im Landtag von Rheinland-Pfalz zu Mainz.
Schon vor einem Jahr hatte der Landtag in Mainz beschlossen, einen Zugangsausweis für das Parlamentsgebäude nur noch jenen Mitarbeitern der Fraktionen und Abgeordneten zu gewähren, die eine polizeiliche Zuverlässigkeitsüberprüfung bestehen. Dafür genügte die Änderung der Hausordnung.
Für einen aktuellen, noch strengeren Vorstoß ist nun allerdings ein neues Gesetz nötig – und genau das haben die regierungstragenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP gemeinsam mit der oppositionellen CDU erarbeitet. Sie wollen erreichen, dass die in den Abgeordneten- und Fraktionsbüros beschäftigten Personen ihr Privatleben auf Verfassungskonformität durchleuchten lassen – unabhängig von einem Antrag auf einen Hausausweis.
Staatsgeld nur nach Zuverlässigkeitsüberprüfung
Falls die Überprüfung verweigert wird oder ein negatives Ergebnis zutage fördern sollte, soll das Gehalt des Betroffenen nicht mehr aus Haushaltsmitteln bezahlt werden. In diesem Fall müssten die Fraktionen beziehungsweise Abgeordneten ihre Zuarbeiter aus eigener Tasche finanzieren oder entlassen.
Der Gesetzentwurf (Drucksache 18/12234, PDF) wurde am 3. Juni 2025 vom Landtagspräsidenten persönlich präsentiert, dem Sozialdemokraten Hendrik Hering. Im Papier heißt es:
„Zum Schutz gegen Risiken für die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit, Sicherheit, Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Landtags Rheinland-Pfalz sowie sonstige parlamentarische Rechtsgüter werden staatliche Finanzierungsansprüche der Abgeordneten und Fraktionen für eine Beschäftigung verfassungsfeindlicher Personen zukünftig ausgeschlossen. Die Einführung des Finanzierungsausschlusses folgt der Grundentscheidung der Landesverfassung für eine wehrhafte Demokratie.“
Daten vom Bundeszentralregister, vom LKA und vom Landesverfassungsschutz gefragt
Im Rahmen des Gesetzes soll im Abgeordnetengesetz (AbgGRhPf) ein neuer Paragraf 6a, im Fraktionsgesetz (FraktG RP) ein neuer Paragraf 12 die Modalitäten für eine wenigstens alle zwei Jahre durchzuführende „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ des Personals regeln – und zwar stets auf Grundlage relevanter Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, vom Landeskriminalamt (LKA) und vom Landesverfassungsschutz.
Keinen Anspruch mehr auf ein Gehalt aus Haushaltsmitteln sollen demnach jene Beschäftigten besitzen,
die in den vergangenen fünf Jahren wegen eines Staatsschutzdeliktes rechtskräftig verurteilt wurden
bei denen Tatsachen dafür sprechen, dass sie in den vergangenen fünf Jahren Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hatten, die sich gegen den Bestand des Bundes oder eines Bundeslandes richten
die innerhalb der vergangenen zehn Jahre Mitglied in einem verbotenen Verein oder einer als verfassungswidrig eingestuften Partei waren.
Letztes Wort beim Landtagspräsidenten
Das finale Urteil über einen Geldstopp soll dem Landtagspräsidenten obliegen: „Die Entscheidung über die Zuverlässigkeit trifft der Präsident aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls durch Verwaltungsakt“, heißt es im Gesetzentwurf.
Als Alternative für die Zuverlässigkeitsüberprüfung genügt es laut Entwurf, wenn ein Mitarbeiter eine Feststellung nach dem Landessicherheitsüberprüfungsgesetz (LSÜG) vorweisen kann, die ein Sicherheitsrisiko verneint.
Hendrik Hering (SPD), der Landtagspräsident von Rheinland-Pfalz, möchte nicht, „dass die Feinde der Demokratie von der Demokratie bezahlt werden“.
Foto: Landtag Rheinland-Pfalz/S. Jasmin
Überprüfungen sollen nach Sommerpause beginnen
Landtagspräsident Hering will dafür sorgen, dass das Plenum schon in der kommenden Woche in erster Lesung über den Entwurf beraten kann: Nach seinen Vorstellungen sollen die Überprüfungen möglichst kurz nach der Sommerpause beginnen.
„Ich halte es für einen unerträglichen Zustand, dass die Feinde der Demokratie von der Demokratie bezahlt werden“, erläuterte Hering seine Beweggründe gegenüber dem SWR. Auch aus juristischer Perspektive spreche nichts dagegen, solchen Beschäftigten von Abgeordneten oder Fraktionen den Haushaltsgeldhahn abzudrehen, die als „erwiesen verfassungsfeindlich“ eingestuft würden. Das habe unter anderem ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtags (PDF) vom Januar 2025 ergeben.
AfD-Fraktion kündigt Widerstand an: „Klarer Angriff auf die Gewaltenteilung“
Damian Lohr, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, bezeichnete das Vorhaben auf Anfrage der Epoch Times als einen „klaren Angriff auf die Gewaltenteilung“, der die „verfassungsfeindliche Gesinnung“ der „Altparteien“ zeige:
„Faktisch wird durch dieses Gesetz ein Landtagspräsident ermächtigt, nach Zuarbeit einer weisungsgebunden VS-Behörde einer Oppositionspartei die finanziellen Mittel zu streichen. Die Gewaltenteilung wird somit faktisch ausgehebelt.“
Lohr empfahl, die Ressourcen beim LKA lieber für „die echten Probleme des Landes“ zu nutzen. Auch der Inlandsgeheimdienst solle lieber „echte Gefahren abwehren“ als „gegen die Opposition instrumentalisiert“ zu werden. Er kündigte an, das Gesetz abzulehnen und „mit allen juristischen Möglichkeiten zu bekämpfen“.
Sein Fraktionsvorsitzender Dr. Jan Bollinger hatte bereits im SWR-Interview betont, dass Mitarbeiter seiner Fraktionskollegen alle „fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ stünden. „Das Demokratieproblem sehen wir eher beim Landtagspräsidenten“, so Bollinger, denn dieser lasse schon „seit Langem die Überparteilichkeit und parteipolitische Neutralität vermissen, die seinem Amt gebührt“.
Der Gesetzentwurf stützt sich unter anderem auf einen Bericht des SWR vom Mai 2024. Damals hatte das ARD-Magazin „Report Mainz“ recherchiert, dass einige der sechs rheinland-pfälzischen Abgeordneten „mindestens acht“ Mitarbeiter angestellt hatten, die früher in der „rechtsextremen Szene“ unterwegs gewesen oder „Bezüge zu extrem rechten Burschenschaften“ unterhalten haben sollen. AfDler Bollinger hatte damals klargestellt, dass man zu den Burschenschaften stehe.
Als es Mitte 2024 um die Ausstellung von Zugangsausweisen für den Landtag ging, hatten nach Angaben von Landtagspräsident Hering vor allem Beschäftigte der AfD „bewusst“ auf einen Antrag verzichtet. Demnächst werde die Überprüfung „zeigen, ob alle wirklich auf dem Boden der Demokratie stehen“, so Landtagspräsident Hering aktuell im SWR.
Freie Wähler möchten Überprüfung für ganzes Parlament
Ein Sprecher der parlamentarischen Gruppe der Freien Wähler (FW) im Mainzer Landesparlament erklärte auf Nachfrage der Epoch Times, dass der Entwurf aus Sicht seiner Gruppe nicht weit genug gehe.
Nicht nur die Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten, sondern auch all jene, „die im und für das Parlament“ arbeiten, sollten sich einer Überprüfung unterziehen. Dazu zählten aus Sicht der FW-Gruppe auch die Beschäftigten in den Wahlkreisbüros, die Regierung, deren Mitarbeiter und „selbstverständlich auch alle Abgeordneten“. „Alles andere wäre unseriös“, so der Sprecher.
Er wies darauf hin, dass „Überprüfungen von Fraktions-/Gruppenmitarbeitern“ ohnehin nicht ungewöhnlich seien. Schon heute sei „Usus, dass jeder neue Mitarbeiter vor Dienstantritt ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen“ müsse.
Zweifel hegte der Sprecher allerdings an einer schnellen Wirkung. Da man wahrscheinlich von Prüfungen nach den strengeren Kategorien Ü2 oder Ü3 des Bundesverfassungsschutzes ausgehen müsse, werde eine „komplette Überprüfung“ erfahrungsgemäß zwischen zwölf und 24 Monaten dauern.
Bei derzeit 101 Landtagsmitgliedern, ihren rund 150 Mitarbeitern, weiteren 100 Beschäftigten in den Fraktionen und der FW-Gruppe, müssten rund 350 Personen ein Prüfungsverfahren durchlaufen – die Angehörigen der Landesregierung und deren Mitarbeiter nicht mitgerechnet. Das würde allerdings dafür sorgen, „dass in einem erheblichen Maße Kräfte gebunden würden“, vermutete der FW-Sprecher gegenüber der Epoch Times.
CDU, SPD, Grüne, FDP: „starkes Zeichen für wehrhafte Demokratie“
Die oppositionelle CDU-Fraktion im Mainzer Landtag verwies nach Anfrage der Epoch Times auf ihre aktuelle Pressemitteilung. Darin werden die parlamentarischen Geschäftsführer aller vier unterstützenden „demokratischen Fraktionen“ unisono mit den Worten zitiert, dass der „Kerngedanke“ hinter dem neuen Gesetz „der Schutz des Parlaments als Herzkammer der Demokratie“ sei. Es handele sich um „ein starkes Zeichen des Parlaments für eine wehrhafte Demokratie“. Man sei sich allerdings auch einig, „dass die zugrundeliegenden Bewertungen nach transparenten und nachvollziehbaren Maßstäben erfolgen“ müssten.
Der Sprecher der SPD-Fraktion teilte auf Anfrage mit, dass eine Beschäftigung in der „Herzkammer unserer Demokratie mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen jedweder Art unvereinbar“ sei und verwies ebenfalls auf eine Pressemitteilung.
Der „noch nicht konkret bezifferbare“ Erfüllungsaufwand des Gesetzes falle „im Wesentlichen beim Landtag an“, so der SPD-Fraktionssprecher: Das LKA und die Verfassungsschutzbehörde führten nach Zustimmung der betroffenen Person ohnehin bereits Zuverlässigkeitsüberprüfungen durch.
Ein zusätzlicher Personal- und Sachaufwand werde wohl nur dann entstehen, wenn deren Zahl „nach Einführung der Rechtsgrundlagen in einem relevanten Ausmaß steigen sollte“, meinte der SPD-Vertreter. In Anbetracht der begrenzten Zahl von Mitarbeitern dürfte dies nach seiner Einschätzung aber nicht der Fall sein. Die SPD-Fraktion selbst beschäftige „etwas mehr als 20 Mitarbeitende“.
Rund 55.000 Euro pro MdL-Mitarbeiter
Laut Paragraf 6 (3) AbgGRhPf stellt der Haushalt des Landtags RLP jedem Abgeordneten auf Antrag jährlich so viel Geld für die Bezahlung seiner Mitarbeiter zur Verfügung, wie ein Landesbeschäftigter der „Entgeltgruppe TV-L E 11 (Stufe 3)“ kosten würde – derzeit rund 55.000 Euro.
Die Fraktionen können sich die Kosten ihrer Beschäftigten und weitere Aufwendungen gemäß Paragraf 2 FraktG RP ebenfalls aus dem Haushalt erstatten lassen. Im Jahr 2023 erhielten die sechs Fraktionen im Landtag RLP laut Drucksache 18/10130 (PDF) zwischen rund 1,2 Millionen (FDP, FW, Grüne, AfD) und gut zwei Millionen (SPD, CDU). Der Löwenanteil wurde jeweils für Personalkosten ausgegeben.
In Rheinland-Pfalz regiert derzeit ein rot-grün-gelbes Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD).
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.