Über 265.000 registrierte Opfer
Häusliche Gewalt auf Höchststand - 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr
Das Bundeskriminalamt meldet in seinem neuen Bericht einen Anstieg der Gewalt in Familien und Partnerschaften. Innenminister Dobrindt will daher mehr Maßnahmen für den Schutz von Frauen.

Vorstellung der Bundeslagebilder „Häusliche Gewalt 2024“ und „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2024“ von v.l. Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Karin Prien, Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Alexander Dobrindt, Bundesminister des Innern.
Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Körperverletzung, Stalking, Tötung: Das der Polizei bekannte Ausmaß häuslicher Gewalt ist vergangenes Jahr auf einen Höchststand gestiegen.
Wie aus dem am Freitag vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Lagebericht hervorgeht, gab es 2024 insgesamt rund 266.000 registrierte Opfer häuslicher Gewalt – 3,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Über 70 Prozent der Opfer sind weiblich. Die Nichtdeutschen seien dabei sowohl bei der häuslichen Gewalt, der Partnerschaftsgewalt als auch bei den Sexualdelikten sowohl als Tatverdächtige als auch als Opfer überrepräsentiert, erklärt BKA-Präsident Holger Münch. Eine Ausnahme bildet dabei der sexuelle Missbrauch von Kindern. Hier seien weder deutsche, noch nicht-deutsche, überrepräsentiert.
Familienministerin Karin Prien (CDU) sprach von „dramatischen“ Zahlen – die noch nicht einmal das Dunkelfeld umfassten. Viele Taten würden aus Angst oder Scham nicht angezeigt.
Münch erklärte in diesem Zusammenhang, dass er in der Gesellschaft eine Rückkehr zu einem eher patriarchalen Bild der Frau sehe. „Und das betrifft übrigens nicht nur Nichtdeutsche, sondern auch Deutsche“, so der BKA-Leiter.
Dobrindt: „Macht die Politik ausreichend?”
„Auf die Frage ‚Tut die Politik schon ausreichend viel, um Frauen vor Gewalttaten zu schützen‘, muss die Antwort heißen: Nein“, sagte Dobrindt anlässlich der Vorstellung der Zahlen in Berlin. „Da muss deutlich mehr kommen.“
Erst am Mittwoch hatte das Kabinett Änderungen am Gewaltschutzgesetz beschlossen, womit Gerichte künftig Gewalttäter zu elektronischen Fußfesseln und Anti-Gewalt-Trainings verpflichten können.
Unter anderem die Gewerkschaft Verdi forderte, das Gesetz nun schnell umzusetzen, während Grüne und Linke einen noch besseren Schutz von Frauen und mehr Präventionsarbeit verlangten.
Der Deutsche Richterbund wiederum mahnte an, die zuständigen Behörden und „chronisch unterbesetzten Staatsanwaltschaften“ zu verstärken, damit zeitnah Täter ermittelt und Urteile gefällt werden könnten.
Partnerschaftsgewalt überwiegt
Das BKA zählt zu häuslicher Gewalt zum einen innerfamiliäre Gewalt: Hier sind die Opfer häufig die Kinder der Tatverdächtigen, der Anteil betrug im vergangenen Jahr 36,7 Prozent. Vor allem Sechs- bis 14-Jährige sind betroffen. Dahinter folgen Eltern, Geschwister und andere Angehörige.
Der ganz überwiegende Teil von häuslicher Gewalt ist jedoch Partnerschaftsgewalt und hier gibt es mit einem Anteil von 79,3 Prozent deutlich mehr weibliche Opfer als männliche. Für insgesamt 286 Opfer endete die Gewalt im vergangenen Jahr tödlich – 95 männliche und 191 weibliche.
Von häuslicher Gewalt insgesamt waren Mädchen und Frauen im vergangenen Jahr mit 70,4 Prozent erneut deutlich häufiger betroffen als Jungen und Männer mit entsprechend 29,6 Prozent, wie das BKA ausführte.
Umgekehrt waren Tatverdächtige von häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr zu 75,6 Prozent männlich und zu 24,4 Prozent weiblich.
„Wenn Sie das einmal umrechnen, bedeutet das, dass pro Stunde in Deutschland 15 Frauen von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind“, sagte Prien zu den Zahlen.
Das Dunkelfeld sei damit noch nicht erfasst. Gemäß einer gerade stattfindenen Erhebung zum Dunkelfeld gehen die Experten davon aus, dass nur fünf Prozent der Fälle von partnerschaftlicher Gewalt angezeigt werden.
Den Anstieg beim Ausmaß der häuslichen Gewalt erklärte das BKA zum einen mit einem tatsächlich gestiegenen Kriminalitätsaufkommen – bedingt unter anderem durch steigende belastende Faktoren wie Arbeitslosigkeit und Wohnraumengpässe.
Zum anderen dürfte durch Kampagnen und den Ausbau von Unterstützung auch ein verändertes Anzeigeverhalten eine Rolle spielen.
Gleichwohl bleibe die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt hoch, warnte auch BKA-Präsident Holger Münch. Die Gründe dafür seien vor allem Angst, Abhängigkeit und Scham.
Doch auch die erfassten Taten zeigten, dass „Gewalt gegen Frauen, Gewalt in Partnerschaften, Gewalt in Familien ein ernstzunehmendes, großes gesellschaftliches Problem ist“, sagte der BKA-Chef.
Die Kriminalstatistik zeigt nur Fälle, die den Ermittlern auch bekanntwerden. Der gemessene Anstieg kann also damit zusammenhängen, dass es tatsächlich mehr Taten gibt, aber auch damit, dass Menschen verstärkt Taten anzeigen. Man könne das nicht abschließend sagen, so Münch. „Die Vermutung ist, teils, teils.“
Weiterer Bericht zu spezifischer Gewalt gegen Frauen
Die Behörde veröffentlichte zugleich einen Lagebericht zu spezifischer Gewalt gegen Frauen. Sie umfasst beispielsweise Hasskriminalität aufgrund von Vorurteilen gegen Frauen oder sexualisierte Gewalt.
Das BKA registrierte hier zum einen 558 sogenannte frauenfeindliche Straftaten politisch motivierter Kriminalität (plus 73,3 Prozent).
Zum anderen führte es spezifische Delikte gegen Frauen auf, etwa 53.451 weibliche Opfer von Sexualstraftaten (plus 2,1 Prozent), Opfer digitaler Gewalt (plus 6,0 Prozent) sowie von Tötungsdelikten oder Menschenhandel. Hier überschneiden sich die Opfer und Fallgruppen jedoch teilweise, weil zum Beispiel ebenfalls das Feld häusliche Gewalt erfasst wird. (afp/dpa/red)
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.







