SPD-Basis sagt zu 84,6 Prozent Ja zur Neuauflage von Schwarz-Rot
Einer Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD im Bund steht nichts mehr im Wege: 84,6 Prozent jener SPD-Parteimitglieder, die an dem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag teilgenommen hatten, stimmten einer Neuauflage des Bündnisses zu.
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Das Archivbild zeigt die Co-Vorsitzenden der SPD, Saskia Esken (r.) und Lars Klingbeil, vor der Dialogkonferenz zum Mitgliedervotum am 14. April in Hannover.
Die SPD-Mitglieder haben den schwarz-roten Koalitionsvertrag mit dem Rekordwert von 84,6 Prozent der abgegebenen Stimmen angenommen. Dagegen waren nur 15,4 Prozent. Das hat SPD-Generalsekretär Matthias Miersch am Vormittag des 30. April 2025 auf einer Pressekonferenz im Berliner Willy-Brandt-Haus bekannt gegeben. Einem Regierungsbündnis von CDU, CSU und SPD steht damit nichts mehr im Wege.
Mit 200.637 Personen hatten sich laut Miersch 56 Prozent der 358.322 abstimmungsberechtigten Mitglieder beteiligt. Das waren deutlich mehr als die als Quorum verlangten 20 Prozent, aber auch deutlich weniger als in den letzten beiden Befragungen der Jahre 2013 und 2018.
Miersch: SPD will 2029 wieder stärkste Kraft werden
169.725 hatten mit Ja, 30.912 mit Nein gestimmt. Miersch sprach von einer „großen Rückendeckung von der Basis für das Eintreten in die Bundesregierung und damit für die Übernahme der Verantwortung im Sinne der Bundesrepublik Deutschland“. Eine genaue Aufschlüsselung der Zahlen nach Männern und Frauen oder nach Alter werde es nicht geben, weil die Daten nicht vorlägen.
Es gebe zwar parteiintern „Skepsis“ und auch „offene Fragen“, räumte Miersch ein. Man werde aber „im Regierungshandeln beweisen, dass diese Skepsis hoffentlich umgemünzt werden kann und auch die, die jetzt mit Nein gestimmt haben, am Ende sehen: Es hat sich gelohnt, in die Regierung einzutreten und für die sozialdemokratischen Grundwerte zu streiten.“
Es gehe nun um ein „großes Investitionsvolumen“ für die Zukunft des Landes, um den Zusammenhalt, um „den sozial gerechten Klimaschutz“ und um Arbeitsplätze, so Miersch. Mit mehr Wachstum wolle man „die breite Mitte entlasten“.
Die SPD hoffe, aus der nächsten Bundestagswahl 2029 wieder als stärkste Kraft herauszukommen. Der Grundstock für die entsprechende Weichenstellung durch eine „sehr gute Regierungspolitik“ sei gelegt.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch bei der Präsentation des Abstimmungsergebnisses zum Koalitionsvertrag am 30. April 2025.
Foto: Bildschirmfoto/SPD.de
Zwischen dem 15. und 29. April waren die SPD-Parteimitglieder aufgerufen, online ihren Segen zum 144-seitigen Vertragswerk („Verantwortung für Deutschland“, PDF) zu geben.
Manche Landesverbände der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos hatten im Vorfeld ihren Widerstand angekündigt – hauptsächlich, weil sie mit den geplanten Verschärfungen in der Migrations-, Arbeits- und Sozialpolitik nicht einverstanden waren. Juso-Chef Philipp Türmer hatte bis zuletzt Nachverhandlungen gefordert.
Vor den letzten beiden Regierungsbündnissen von Union und SPD hatte die SPD-Basis ebenfalls abstimmen dürfen. Im Dezember 2013 sorgten 75,96 Prozent der gültigen Stimmen für ein „Fest der Demokratie“, wie sich der damalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ausdrückte. Mitgemacht hatten knapp fast 78 Prozent aller Parteibuchinhaber.
Im März 2018 gaben 66 Prozent einer Neuauflage der schwarz-roten Regierung Merkel einen Vertrauensvorschuss. Die Beteiligung lag bei 78,39 Prozent. Die SPD stand damals unter der Leitung von Andrea Nahles.
In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bereits vier schwarz-rote Regierungen: Nach dem Kabinett Kiesinger (1966–1969) kam es zwischen 2005 und 2021 zu drei Bündnissen, die jeweils unter der Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Geschäfte der Exekutive übernahmen (2005 bis 2009, 2013 bis 2017 und 2018 bis 2021).
So geht es weiter
Die feierliche Unterzeichnung des Koalitionsvertrages soll am Montag, 5. Mai, stattfinden. Dann soll auch Klarheit über die Besetzung der sieben noch vakanten Ministeriumsposten im Bundeskabinett herrschen.
Tags darauf soll im Bundestag die Wahl von CDU-Parteichef Friedrich Merz zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland in geheimer Abstimmung über die Bühne gehen. Union und SPD verfügen im Plenum gemeinsam über 328 von 630 Sitzen. Im Anschluss steht die Vereidigung der neuen Regierung an.
Sieben Ressortchefs für die SPD – Klingbeil wird Vizekanzler
Die sieben noch freien Ministerposten stehen laut Koalitionsvertrag der SPD zu. Zu verteilen sind folgende Ressorts:
Finanzen
Verteidigung
Arbeit und Soziales
Justiz und Verbraucherschutz
Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Dass Co-Parteichef Lars Klingbeil neuer Chef des Finanzministeriums und Vizekanzler werden wird, ist laut Miersch bereits ausgemachte Sache. Als sicherer Nominierungskandidat gilt auch Verteidigungsminister Boris Pistorius, der im Amt bleiben soll.
In einer aktuellen Forsa-Umfrage für RTL und ntv erreichte die SPD bei der Sonntagsfrage nur noch 14 Prozent. Im Vergleich zur Vorwoche verlor sie einen Prozentpunkt, bleibt aber drittstärkste politische Kraft. Bei der Bundestagswahl vom 23. Februar hatten die Sozialdemokraten noch 16,4 Prozent an der Wahlurne eingefahren. Hinter der SPD rangieren aktuell die Grünen mit 12,0 Prozent und die Linke mit 10,0 Prozent – beide Parteien konnten je einen Punkt gutmachen.
Die Union aus CDU und CSU steht bei Forsa mit nur noch 24 Prozent (minus zwei Punkte) auf Platz zwei. Die umfragenstärkste Partei bleibt die Alternative für Deutschland (AfD) mit stabilen 26,0 Prozent.
Bei der CDU hatte es anstelle eines von Teilen der Basis geforderten Mitgliedervotums zur Legitimierung des Koalitionsvertrages nur einen kleinen Parteitag mit rund 150 Delegierten („Bundesausschuss“) gegeben. Er war am 28. April mit einem klaren Ja zum Vertrag zu Ende gegangen.
Die CSU hatte bereits am 11. April lediglich ihren Vorstand, die Landesgruppe im Bundestag und die Landtagsfraktion in einer gemeinsamen Schalte darüber beraten lassen. Das Votum fiel einstimmig positiv aus. Auch bei den Bayern hatte es zuvor Kritik gegeben: Die Mittelstandsunion (MU) Mittelfranken umriss die gemeinsamen Verabredungen mit den Sozialdemokraten für die kommenden vier Jahre mit den Worten „Viel SPD, wenig Wirtschaftswende“.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.