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Streitpunkte im Fokus

Koalition einigt sich auf Reformen bei Verkehr, Rente und Bürgergeld

Nach langen Verhandlungen meldet der Kanzler eine Einigung bei strittigen Themen in der Koalition. Beide Parteien stehen unter Druck, zu handeln.

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Die Koalition verständigt sich bei zentralen Themen.

Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 6 Min.

Die Koalition hat sich nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz in drei Themenbereichen auf gemeinsame Positionen verständigt. Es handele sich um die Verkehrsinfrastruktur, die Themen Rente und Aktivrente und die neue Grundsicherung, sagte der CDU-Vorsitzende bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die neue Grundsicherung soll das bisherige Bürgergeld ablösen. „Es wird die neue Grundsicherung geben, so wie im Koalitionsvertrag verabredet“, sagte Merz.
Live: Pressekonferenz zum Koalitionsausschuss
Der Koalitionsausschuss hatte zuvor bis tief in die Nacht getagt. Nach rund achtstündigen Beratungen über mehrere strittige Themen waren die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt auseinandergegangen.
Die Spannbreite reichte von der Krise der Autoindustrie über eine Reform des Bürgergelds bis hin zum Gleichstellungsrecht für Menschen mit Behinderung. Besonders aus Sicht der Union soll mit Gesetzesbeschlüssen im Herbst noch die Handlungsfähigkeit der Regierung bewiesen werden. Schlechte Umfragewerte setzen beide Regierungspartner unter Druck.

Bürgergeld: Strenge Sanktionen bis zur kompletten Streichung

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Spitzen von Union und SPD auf Verschärfungen beim Bürgergeld geeinigt. Die neue Grundsicherung werde kommen, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Berlin. „Wir werden die Mitwirkungspflichten deutlich verstärken, wir werden auch die Sanktionsmöglichkeiten deutlich erhöhen.“
Mit den Änderungen sollen Teile der Anfang 2023 in Kraft getretenen Bürgergeld-Reform rückabgewickelt werden, die Leistung soll künftig einfach nur noch Grundsicherung für Arbeitssuchende heißen.
Nun hat sich die Koalition auf drastische Verschärfungen beim Bürgergeld verständigt. Demnach sollen bei einem ersten unentschuldigten Verpassen eines Termins im Jobcenter die Leistungen direkt um 30 Prozent gekürzt werden. Bisher waren in einem solchen Fall nur zehn Prozent möglich.
Bei einem zweiten Versäumnis werden weitere 30 Prozent gestrichen. Im dritten Fall gibt es gar keine Zahlungen mehr, auch nicht für die Miete.
Zudem sollen Arbeitslose, die sich auf eine bestimmte Stelle nicht bewerben, sofort 30 Prozent weniger bekommen. Bei „grundloser Verweigerung“ eines Jobangebots können alle Geldleistungen gestrichen werden. Allerdings gibt das Bundesverfassungsgericht die Grenze vor, dass solche Totalsanktionen zeitlich begrenzt sein müssen und nur gelten dürfen, solange das konkrete Jobangebot besteht.
„Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, so Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Härtefälle werden jedoch berücksichtigt.

Milliarden für Schiene und Straße

Auch die Finanzierung wichtiger Bauprojekte bei Straße und Schiene seitens des Bundes war bis zuletzt strittig.
Nun will die Koalition im Streit um die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur drei Milliarden Euro „für den Neubau der Straße“ zusätzlich zur Verfügung, wie Merz sagte. „Wichtig war uns, dass wir jetzt heute alle baureifen Projekte beginnen können.“ Nach zwei Jahren solle überprüft werden, ob die Mittel ausreichten.
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte Mitte September für den Zeitraum von 2026 bis 2029 rund 15 Milliarden Euro zusätzlich für den Aus- und Neubau von Straßen gefordert. Sein Ministerium warnte vor dem Stopp bereits baureifer Projekte und sorgte damit in Ländern und Kommunen für Aufregung.
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte, der von Schnieder genannte Betrag habe sich nach einer Überprüfung „erheblich verringert“. Er verwies darauf, dass schon bisher bis 2029 rund 166 Milliarden Euro für den Ausbau von Straßen, Brücken, Schiene und Wasserstraßen zur Verfügung stünden.

Aktivrente

Einig wurden sich die Koalitionspartner auch beim Thema Aktiv-Rente. Sie sieht vor, dass Erwerbstätige nach dem Renteneintrittsalter bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzu verdienen können. Wie von der Union gefordert, wird dieser Betrag nun zudem auch vom sogenannten Progressionsvorbehalt ausgenommen. Dieser führt dazu, dass auch steuerfreie Beträge die Steuerlast erhöhen, weil der Steuersatz wegen des höheren Gesamteinkommens steigt.
Die neue Regelung soll nach Angaben von Merz schon im kommenden Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Das Vorhaben solle so in Kraft gesetzt werden, dass bereits am 1. Januar 2026 von dieser neuen Möglichkeit Gebrauch gemacht werden könne.

Neue E-Auto-Prämie

Geeinigt haben sich die Koalitionäre auch auf ein neues E-Auto-Förderprogramm. Das soll sich insbesondere an Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen richten, als Unterstützung für den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität und die Nutzung emissionsfreier Fahrzeuge, wie aus einem Beschluss des Koalitionsausschusses hervorgeht. Ziel seien „spürbare Vorteile für Verbraucher“, hieß es kurz vor einem heutigen „Autogipfel“ im Kanzleramt. Die Regierung will mit Industrievertretern und Gewerkschaften um Auswege aus der Krise bei den deutschen Autobauern beraten.

Entscheidung zu Verbrenner-Aus vertagt

In einer Kernfrage sind sich Union und SPD weiter uneins: Wie steht Deutschland zum endgültigen EU-weiten Aus für Neufahrzeuge mit Verbrennermotor im Jahr 2035? Die Union – allen voran Kanzler Merz – wollte das Verbrenner-Aus in dieser Form kippen. Die SPD wollte daran festhalten. Man habe da noch nicht zu einer abschließenden Bewertung gefunden, sagte Merz bei der Pressekonferenz auf Nachfrage.
In der Industriepolitik sieht sich das Bündnis unter akutem Zugzwang. Am Donnerstagmittag steht ein sogenannter Autogipfel an. Die Regierung will mit Industrievertretern und Gewerkschaften um Auswege aus der Krise bei den deutschen Autobauern beraten. (dpa/dts/afp/red)

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