„Momentan nur Geimpfte und Genesene“: Das sagen Hamburger über 2G

Eine Stadt ist gespalten, in 2G und 3G – in Befürworter und Gegner.
Von und 4. September 2021

„Es wird gleich regnen“, bemerkt Leonie. Sie nimmt die Fernbedienung zur Hand und fährt die Markisen über der Außenbestuhlung der „Reh Bar“ in Hambug-Ottensen aus. Vom Tresen aus blickt sie auf ein leeres Café. Alle Gäste sitzen draußen, seit Corona ist das so. Man hat der Bar zusätzliche Sitzgelegenheiten im Freien eingeräumt, rot gestrichene Holzpaletten zäunen den Bereich ein.

Noch spielt sich Hamburgs Kneipenleben weitestgehend im Freien ab. Es ist Montagabend und die Club- und Kneipenszene der Hansestadt erholt sich von einem geschäftigen Wochenende. „Wegen Corona-Chaos am Wochenende ab 20 Uhr keine Cocktails“, steht neben dem Eingang. Füllt sich die Bar samstagabends, können Abstände nicht mehr eingehalten werden, den Betreibern droht Bußgeld. Eine völlig neue Regelung könnte da Abhilfe schaffen.

Seit zwei Tagen läuft ein Experiment in der Stadt. Die Gastronomie-Inhaber können die 2G-Option wählen, womit im Innenbereich bis auf das Maskentragen alle Corona-Regeln entfallen inklusive der Sperrstunde. Einzige Bedingung: Nur Geimpfte und Genesene haben Zutritt.

Während einige Cafés, Restaurants und vor allem Clubs das Angebot begrüßen, lehnen es andere eher ab. Unterwegs in Ottensen und auf der Reeperbahn wird schnell deutlich, dass die meisten eine lange Durststrecke zurücklegen mussten und nun zu fast allem bereit sind, um zu einem normalen Geschäftsbetrieb zurückzukehren. Auch die Reh Bar will bald mitmachen. Leonie findet 3G zwar gerechter als 2G, aber die Mehrheit des Personals hat sich für 2G entschieden. Eine demokratische Abstimmung in Zeiten, wo die Nerven wegen des monatelangen und nicht enden wollenden Durcheinanders blank liegen.

Eine Restunsicherheit bleibt

Ihr Kollege Leon hat wenig Verständnis für 2G  und empfindet es als ein „passives unter Druck setzen. Warum die Getesteten nicht weiter einlassen?“, fragt er sich.

Die Restunsicherheit, dass ein negativ Getesteter positiv ist, ist vergleichbar mit der Restunsicherheit, dass ein Geimpfter trotzdem Corona hat und Leute ansteckt.“

„Die wollen, dass man sich impfen lässt.“ Im Moment gelte er noch als Genesener, aber wenn er hier weiter arbeiten möchte, muss er sich bald impfen lassen. Trotzdem ist er der Meinung, dass man sich als junger, gesunder Mensch nicht impfen lassen müsse. Seine Symptome seien minimal gewesen. Er wünscht sich generell mehr Verständnis für jene, die sich nicht impfen lassen wollen.

Solange die Außenbestuhlung steht, machen sich die Gäste noch wenig Gedanken um 3G oder 2G. Das könnte sich aber ändern, wenn der Winter Einzug hält und Tests kostenpflichtig geworden sind. Sollte die Mehrheit der Gastronomie-Besitzer dann 2G wählen, stehen Impfmuffel vor einer großen Herausforderung.

Vor der „La Tazza d’oro“ steht auf einer Tafel geschrieben: „Momentan nur Geimpfte und Genesene. Hoffentlich bald wieder alle!“

Fällt temperaturbedingt die Außenbestuhlung weg, bringt ein halb gefülltes Lokal eben auch nur den halben Umsatz. Für viele steht die Existenz auf dem Spiel.

Barkeeper bekommen ihre Bühne zurück

Auch Stephan Fehrenbach von der „Laundrette“ setzt auf Sicherheit. Mit 2G sei für ihn das Risiko kalkulierbarer geworden, erzählt er. Er und sein Personal seien froh gewesen, endlich zur Normalität zurückkehren zu können. Die Tresenscheiben machen sich nicht gut für eine Bar. „Jeder wollte den Akkuschrauber haben, um den Scheiß endlich wegzukriegen. Wir wollten endlich unsere Bühne zurück, für uns Barleute ist nun mal der Tresen die Bühne, da fühlen wir uns am wohlsten“, sagt der 53-Jährige.

Weniger froh ist man in der „ReiseBar“ ein paar Häuser weiter. Nicole findet es unverschämt, dass der Bürgermeister politische Entscheidungen auf das Gewerbe abwälzt. Es sei seine Aufgabe, besser aufzuklären, die Leute abzuholen und sich Lösungen zu überlegen. „Wir sind dafür da, den Leuten einen schönen Abend zu bescheren“, sagt sie bestimmt. „Ich bin kein Arzt, kein Virologe und kein Politiker.“ Außerdem sehe man gerade in Israel, dass „geimpft sein und Maske weg denen gerade um die Ohren fliegt“, da wisse man wirklich nicht mehr, was man von alldem halten soll, meint Nicole.

Hier bleibt man also vorerst bei 3G, auch wenn der Barkeeper es extrem lästig findet, wenn Leute, die nur mal auf die Toilette gehen wollen, auf einem Zettel eintragen müssten, welchen G-Status sie haben. Und was sei mit Bus und Bahn? Dort gebe es keine Abstände. „Muss man nicht zuerst dort ansetzen?“, fragt er.

Man kann auch vor der Sperrstunde betrunken sein

Auf der Reeperbahn gehen Prostituierte ganz normal ihrem Gewerbe nach, ohne Maske oder Abstand. Viele Touristen sind auf dem Kiez unterwegs, manche haben noch nie von 2G gehört. Wer einen über den Durst trinken möchte, stört sich nicht an der Sperrstunde, sondern fängt halt früher an zu trinken. Die Innenräume der Bars und Restaurants sind leer. So zeigt sich das Bild Montagabend halb 9.

Masud Golzari vom Restaurant „Joker 153“ ist zwar selbst geimpft, will dasselbe aber von seinen Gästen nicht verlangen. Auch geschäftlich ist 2G für ihn keine Option. „Wenn sechs Leute zu uns kommen, um zu essen und zu trinken, und zwei von ihnen kommen mit Test – wenn ich die nicht reinlasse, dann gehen sie alle. Dann habe ich mit einem Schlag sechs Kunden verloren.“ Er habe Verständnis für Nachtclubs und Diskotheken, die mit Sperrstunde gar nicht erst öffnen bräuchten, aber für ihn sei 2G unwirtschaftlich. Dazu gehöre auch, dass er zusätzlich Personal bräuchte, um jeden einzelnen Gast zu kontrollieren.

Wer bei 2G mitmachen möchte, muss sich über eine Website anmelden. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte die Entscheidung des Senats damit begründet, dass Geimpfte und Genesene im Vergleich zu den Ungeimpften keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen hätten.

Zur Anmeldung kommt die Kontrollpflicht. Teilnehmer des Versuchsmodells, das bisher einzigartig in Hamburg ist, brauchen rund um die Uhr einen Türsteher, der die Zertifikate der Gäste überprüft und daraufhin entscheidet, wer rein darf und wer nicht.

„Das Blöde ist, dass keiner sich mehr testen lassen muss“

Auf der Straße treffen wir André, der mit einer Freundin um die Häuser zieht. Was hält er von 2G?

„Das Blöde an 2G ist, es muss sich keiner mehr testen lassen. Aber Genesene und Geimpfte können sich trotzdem anstecken und die können dann wieder auf andere treffen, die nicht genesen oder geimpft sind und die dann auch wieder anstecken. Wenn sich jeder testen lassen müsste, dürfte jeder rein und keiner würde ausgegrenzt werden und das ist für mich das Einzige, das sinnvoll ist.“

Max, einer der Inhaber vom Travestietheater „Pulverfass“, bleibt bei 3G, sonst würde man zu viele Gäste verprellen. Er findet es gut, dass die Gastronomen selbst entscheiden können, welches Modell für sie wirtschaftlicher ist. Auch bei ihm wird deutlich, dass man hier weitestgehend an vorübergehende Maßnahmen glaubt, die in einigen Monaten schon wieder hinfällig sein können. Die meisten sind optimistisch, dass in absehbarer Zeit alles wieder zur Normalität zurückkehrt.

Eine Gaststätte, die weder auf 3G noch 2G setzt, finden wir in St. Pauli nicht. Aber wir erfahren von einem peruanischen Restaurant in Barmbek, das überhaupt keine Gesundheitszeugnisse von seinen Kunden verlangt. Essen kann man da heute nicht, montags ist Ruhetag.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.



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