Ölknappheit: Angst vor Benzin-Mangel

Seit Anfang des Jahres fließt kein russisches Öl mehr nach Deutschland. Für die ostdeutschen Raffinerien hat die Entscheidung der Bundesregierung schwerwiegende Folgen. Besonders für die Raffinerie in Schwedt. Die Sprit-Versorgung steht gerade auf wackligen Beinen.
In der PCK-Raffinerie in Schwedt sind nach Angaben des Bundes für 2023 alle 1200 Arbeitsplätze gesichert.
Die Raffinerie PCK in Schwedt.Foto: Patrick Pleul/dpa
Von 11. Januar 2023

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Ist die Treibstoffversorgung an den Tankstellen in Berlin und Ostdeutschland gesichert? Diese Frage stellen sich im Moment viele Menschen in den Regionen. Seit Jahresbeginn greift die Entscheidung der Bundesregierung, kein russisches Öl mehr über die „Druschba“-Pipeline zu importieren. Vor allem auf die PCK-Raffinerie in Schwedt hat dieser Beschluss große Auswirkungen.

Treibstoff für neun von zehn Autos geliefert

Diese Raffinerie hat bisher die Versorgung der Hauptstadt, des Flughafens BER und eines großen Teils Ostdeutschlands sichergestellt. Jährlich wurden in Schwedt rund zwölf Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Das bedeutete in der Vergangenheit ganz konkret, dass neun von zehn Autos in Berlin und Brandenburg mit Treibstoff aus Schwedt gelaufen sind. Jetzt, wo das russische Öl ausbleibt, steht die Frage im Raum, woher Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zukünftig diese enorme Menge beziehen will.

„Wir haben Versorgungssicherheit in der Region gegeben.“

Am 19. Dezember letzten Jahres versuchte das Wirtschaftsministerium, Sorgen um die Spritversorgung zu zerstreuen. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte in einer Meldung den Parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne): „Wir haben Versorgungssicherheit in der Region gegeben.“

Kellner verwies damals auf Öllieferungen aus Polen, die nach Aussagen des Staatssekretärs eine alternative Versorgung zugesagt hatten. „Wir werden weiter daran arbeiten, die Zahlen nach oben zu bringen. Auch da gibt es positive Signale“, so Michael Kellner damals weiter. Zudem soll Öl aus Kasachstan kommen. Wie viel das sein wird, das blieb im Dezember offen. Nicht vorgesehen sei, strategische Ölreserven freizugeben. Diese Vorräte dienen dazu, einen potenziellen kurzfristigen Erdöl-Engpass zu überbrücken. In Deutschland beläuft sich die Bevorratungspflicht des Erdölbevorratungsverbandes auf 90 Tage.

„Im Januar erwarte ich erste Lieferungen aus Polen nach Schwedt.“, so der Staatssekretär im Dezember. Weiter versuchte der Grünen-Politiker damals, Bedenken zu zerstreuen, dass es Preissprünge für Treibstoff geben könnte. „Mit der Aufstellung, die wir gefunden haben, bin ich nicht besorgt, dass wir jetzt riesige Preisausschläge sehen“, sagte Kellner. Er gehe aber davon aus, „dass wir eine Veränderung sehen werden“.

Ziel ist, 70 Prozent Auslastung zu erreichen

Heute klingt vieles ganz anders. So zitiert „Bild“ in einem Onlinebeitrag vom 9. Januar einen Sprecher der Bundesnetzagentur. Ziel sei es, im Januar eine Auslastung der PCK-Raffinerie in Höhe von circa 70 Prozent zu erreichen.

Das fehlende russische Öl wird im Moment zur Hälfte über eine Pipeline aus Rostock ersetzt. Verträge mit Polen und Kasachstan, die ursprünglich das Öl aus Russland ersetzen sollten, sind weiter in der Schwebe. Die „Bild“ beruft sich weiter auf Insider und schreibt, dass die Raffinerie in Schwedt bei einer Auslastung von unter 50 Prozent nicht mehr betrieben werden könne. Das hätte fatale Folgen: Es drohten Engpässe beim Sprit und drastische Preiserhöhungen.

Fraglich, ob Öl aus Polen und Kasachstan Versorgung sichert

Was aus dem Wirtschaftsministerium noch im Dezember so leicht klang, birgt beim näheren Hinschauen durchaus Risiken. So sieht der Ökonom Prof. Jens Südekum, der auch im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums sitzt, die Ziele des Ministeriums skeptisch. „Ich sehe es durchaus fraglich, ob mit der Versorgung über die polnische Pipeline aus Danzig oder mit kasachischem Öl die Versorgung in Ostdeutschland gesichert werden kann“, so der Experte gegenüber der „Bild“.

Sicher sei nur der Transport über Rostock. Diese Pipeline habe aber „mit 50 Prozent vorerst nicht die Kapazität, um den Betrieb der PCK alleine aufrechtzuerhalten.“

Heikel sieht Südekum auch, dass das Wirtschaftsministerium sehr stark auf die Versorgung mit kasachischem Öl vertraut. Druschba, durch die das Öl laufen soll, sei eine russische Pipeline und führe über russisches Staatsgebiet. „Wir würden uns erneut von Putin abhängig machen“, so der Ökonom.

Die „Druschba“-Pipeline ist tatsächlich zum jetzigen Stand nicht für kasachisches Öl nutzbar. Seit Jahreswechsel reinigt Russland die Leitungen.

Engpässe nicht auszuschließen

Das Misstrauen gegenüber Wirtschaftsminister Habeck ist gerechtfertigt. Der „Bild“ gegenüber sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums: „Die Eigentümer (Rosneft Deutschland, Shell und ENI) sind für die Versorgung ihrer Raffinerien mit ausreichend Erdöl selbst verantwortlich.“ Doch die Entscheidung, kein Öl mehr aus Russland zu importieren, ist eine Entscheidung der Bundesregierung und nicht der Betreiber der Raffinerie.

Shell – der Konzern hält 37,5 Prozent an der Raffinerie in Schwedt – wollte auf Bild-Nachfrage nicht ausschließen, dass Engpässe auftreten können.

Nach Informationen des Online-Portals „Business Insider“ läuft die PCK-Raffinerie wegen der gesunkenen Liefermengen nur noch mit einer Auslastung von 50 Prozent. Weiter will das Portal erfahren haben, dass beim Öl-Konzern Rosneft, der inzwischen staatlich verwaltet wird und das PCK betreibt, viele Mitarbeiter derzeit nur noch in Kurzzeit arbeiten.

In der Region offenbar schon Produktionsknappheit

Diese Entwicklungen haben bereits Auswirkungen. Der Preisinformationsdienst Argus Media berichtet darüber, dass es in der Region schon eine Produktionsknappheit beim Benzin gab. Seit dem 2. Januar hielten die PCK-Anteilseigner Benzin zurück, berichtet der Informationsdienst weiter. Das führe zu Aufschlägen auf den Bundesdurchschnitt des Benzinpreises im Benzinlager Seefeld, das nordöstlich von Berlin liegt. Im Vergleich zur Vorwoche sei der Preis dort in den ersten beiden Januartagen bereits um 1,76 Euro pro 100 Liter auf 4,40 Euro pro 100 Liter gestiegen. Bei anhaltender Drosselung der Produktion kann das schnell Auswirkungen für das Benzin und damit auf das Autofahren in Ostdeutschland haben. „Im Falle einer weiteren geringen Auslastung ist vor allem mit einem Preisanstieg zu rechnen, da Produkte aus anderen Regionen mit hohem Aufwand herangeschafft werden müssen. Da solche Transporte im Normalbetrieb nicht anfallen, sind die entsprechenden Transportmittel knapp“, sagt Verkehrsexperte Thomas Puls vom Wirtschaftsinstitut IW gegenüber „Business Insider“.

„Es ist nichts geklärt“

Misstrauen, ob am Ende die Versprechungen der Bundesregierung umgesetzt werden, hat nun auch die Opposition in Berlin erreicht. „Die Ampel wiegt den Osten in falscher Sprit-Sicherheit. Sie hat zu wenig für die Versorgung der Raffinerie in Schwedt getan“, sagte CDU-Wirtschaftspolitiker Jens Spahn gegenüber der „Bild“. „Die Versorgung steht auf wackeligen Beinen.“ So seien Preisanstiege im Osten und Sprit-Engpässe jederzeit möglich.

„Es ist nichts geklärt“, kritisiert der Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Görke gegenüber der „Tagesschau“. „Die Bundesregierung versteckt sich hinter den privaten Interessen der Anteilseigner der PCK-Raffinerie, obwohl dieses Unternehmen unter Treuhandschaft steht“, so der Politiker, der seinen Wahlkreis Cottbus – Spree-Neiße in der betroffenen Region hat, weiter. Die Aussagen der Bundesregierung seien bisher nicht erschöpfend gewesen. „Es gibt keine Klarheit, wie nun eine Mindestkapazität von 70 Prozent und darüber hinaus gesichert wird.“

Mehrheitseigentümer in Schwedt klagt vor dem Bundesverwaltungsgericht

Eine weitere Unwägbarkeit gibt es immer noch im Fall Schwedt. Im September hatte die Bundesregierung Rosneft in Deutschland unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Möglich wurde diese Entscheidung auf der Grundlage des Energiesicherungsgesetzes. „Mit der heutigen Entscheidung stellen wir sicher, dass Deutschland auch mittel- und langfristig mit Erdöl versorgt wird“, hatte damals Bundeskanzler Scholz die Entscheidung der Bundesregierung auf einer Pressekonferenz kommentiert.

Der russische Energiekonzern Rosneft ist aber bis heute Mehrheitseigentümer in Schwedt. Gegen die Entmachtung in Form einer Treuhandverwaltung durch den Bund hat der Konzern geklagt. Die Berliner Kanzlei Malmendier, die Rosneft vor dem Gericht vertritt, hält, laut einem Statement auf ihrer LinkedIn-Seite, die Entscheidung der Bundesregierung für verfassungswidrig. Die „im Sommer eilig eingeführten Neuregelungen des § 17 EnSiG sind verfassungswidrig und verstoßen gegen die Vorgaben des Art. 14 Grundgesetz. Die Zwangsverwaltung in Verbindung mit der Befugnis, die Anteile an den deutschen Tochtergesellschaften von Rosneft an Dritte zu verkaufen, und zwar entschädigungslos, ist verfassungsrechtlich einfach zu viel des Guten“, so die Anwaltskanzlei.

Im Februar oder März könnte dazu die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anstehen.



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