PCR-Tests: Krankenkassen und Staat haben offenbar zu viel gezahlt

Sechs Milliarden Euro haben Staat und Krankenkassen in der Pandemie für PCR-Tests ausgegeben. Laut Recherchen könnte hier weitaus mehr als der marktübliche Preis bezahlt worden sein. Der damalige Gesundheitsminister kommt in Erklärungsnot. Auch von erheblichen Einflüssen durch einen Lobbyverband ist die Rede.
Die Mitarbeiter eines Heidelberger PCR-Testlabors bereitet PCR-Teströhrchen vor.
Die Mitarbeiter eines Heidelberger PCR-Labors bereitet PCR-Teströhrchen vor.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 17. Januar 2023

Staat und Krankenkassen haben offenbar für PCR-Tests mehr Geld ausgegeben als erforderlich. Das berichteten in der vergangenen Woche „WDR“, „NDR“ und „Süddeutsche Zeitung“. Der Rechercheverbund sprach in seinem Beitrag von insgesamt sechs Millionen Euro, die für die Tests ausgegeben wurden. Es sollen Ärztefunktionäre gewesen sein, die mit fragwürdigen Preiskalkulationen hohe Erstattungspreise für die Testlabore ausgehandelt haben.

Es soll „erhebliche Engpässe“ gegeben haben

Die Testmaterialien sollen allerdings deutlich günstiger auf dem Markt zu kaufen gewesen sein. Hier gibt der Rechercheverbund an, dass er vertrauliche Unterlagen einsehen konnte, aus denen hervorgeht, dass in den Verhandlungen mit den Krankenkassen im Mai 2020 der Preis für einen PCR-Test auf 22,02 Euro beziffert wurde. Auf dem freien Markt boten mehrere Anbieter zu diesem Zeitpunkt zertifizierte PCR-Testkids für vier bis sieben Euro an.

Auf Anfrage des Rechercheverbunds räumte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein, dass die Preise für die PCR-Tests damals „zu hoch“ gewesen seien.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wollte auf Anfrage des Rechercheverbunds keine Belege für ihre Berechnungen vorlegen. Sie gab aber an, dass es gerade zu Beginn der Pandemie „erhebliche Marktengpässe bei Reagenzien und Materialien“ gegeben haben, „die zu einem langfristig hohen Preisniveau beigetragen haben“.

Das Robert Koch-Institut (RKI) gab an, dass zu dieser Zeit 30 von 170 Laboren über eine Knappheit geklagt hätten. Gleichzeitig bauten die Labore in dieser Zeit aber ihre Kapazitäten erheblich aus.

Lauterbach erschienen die Kosten zu hoch

Heute erhalten die Testlabore rund 30 Euro für einen PCR-Test, inklusive Personal-, Transport und sonstige Kosten. Gegenüber „WDR“, „NDR“ und „SZ“ sagte Lauterbach, dass ihm die Testkosten damals zu hoch erschienen. Er habe sie dann zur Hälfte abgesenkt. Die Anbieter kämen trotzdem mit dem jetzt gezahlten Betrag aus. „Daher können die Kosten also nicht höher sein als das, was jetzt bezahlt wird“, so der Minister.

Das Gesundheitsministerium selbst antwortete nach Angaben des Rechercheverbunds auf detaillierte Fragen knapp: Die Vergütung orientiere sich an den „relevanten Kostenfaktoren“.

FDP fordert Untersuchungsausschuss

Die FDP möchte die Finanzierung der PCR-Tests nun parlamentarisch aufarbeiten lassen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert daher einen Untersuchungsausschuss des Bundestages. „Neben den Masken-Deals von Politikern von CDU und CSU stellen die viel zu hohen PCR-Preise nun offenbar einen weiteren rechtlichen Tiefpunkt in der Pandemiepolitik dar, für die die Union Verantwortung zu übernehmen hat“, sagte er in der letzten Woche gegenüber der „Tagesschau“.

„Diese neuerlichen Enthüllungen können nicht ohne Konsequenzen bleiben – die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf vollumfängliche Aufklärung“, so Djir-Sarai. Auch wenn die Pandemie nun vorbei sei, dürfe die Aufarbeitung von Verfehlungen der damals Verantwortlichen auf keinen Fall unter den Tisch fallen.

CDU verteidigt damaliges Vorgehen

Im „Deutschlandfunk“ verteidigte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, die Finanzierung der Tests: „Es ist halt immer leicht, im Nachhinein zu sagen, was man vorher hätte besser machen können“.

Zu Beginn der Pandemie habe man nicht viel über das Virus gewusst. Es sei damals darum gegangen, schnell und viel zu testen, Testkapazitäten zu schaffen und Akteure zu animieren, diese Tests anzubieten und durchzuführen. „Dass man da sicherlich auch anders oder günstiger hätte vergüten können – im Nachgang zeigt sich das jetzt“, sagte Sorge.

Damals wurde das Gesundheitsministerium vom CDU-Politiker Jens Spahn geführt. Tatsächliche Marktpreise, so hat es den Anschein, hat das Ministerium damals nicht ermittelt.

Auf Anfrage des Recherchenetzwerkes erklärte der ehemalige Minister, die Verfügbarkeit von PCR-Tests schnell und verlässlich herzustellen, sei „gerade im schweren ersten Jahr ein zentrales Mittel der Pandemiebekämpfung“ gewesen. Konkrete Fragen könne er nicht beantworten, da er keinen Aktenzugang mehr habe.

Krankenkassen beklagen „Informationsungleichgewicht“

Wie die „Tagesschau“ weiter berichtet, seien es vor allem die Krankenkassen damals auf die Barrikaden gegangen und hätten auf niedrigere Preise gedrängt. So wurden damals Zweifel an „erstaunlich hohen weiteren Kosten“ – etwa den Personalkosten – geäußert. Carola Reimann sagte, die Preisvorstellungen der Labormediziner für die Tests seien „von Anfang an massiv überhöht“ gewesen und hätten auch nach Verhandlungen mit den Kassen nicht ausreichend abgesenkt werden können.

Die gesetzlichen Krankenkassen beklagten weiter ein „Informationsungleichgewicht“: Die Ärzteschaft, die auch die Labore vertrete, wisse „deutlich mehr über die echte Kostenstruktur in den Laboren“, sagte deren Sprecher. Die Kassen hätten unter Druck gestanden, die Versorgung von 73 Millionen Versicherten sicherzustellen.

Auch im letzten Jahr erhielten die Labore laut „WDR“, „NDR“ und „SZ“-Recherche noch „großzügige Vergütungen“ von 35 bis knapp 44 Euro pro Test. Für jeden PCR-Test gäbe es heute zwischen 27 und 32 Euro.

Lobbyverein beeinflusste Gesetzgebung

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die Preispolitik ebenfalls scharf. Die Gesundheitsbranche verstehe es, knallhart ihre Interessen auf Kosten der Steuerzahler, Versicherten und Patienten durchzusetzen, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Es wird Zeit, dass sich die Spitze des Bundesgesundheitsministeriums endlich zum Sachwalter der Bürgerinnen und Bürger macht.“

Wie wichtig das wäre, zeigen weitere Recherchen des Netzwerkes. So soll vor allem der Lobbyverein Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) unter Jens Spahn einen erheblichen Einfluss gehabt haben. So seien beispielsweise mehrmals Referentenentwürfe nach Vorschlägen des ALM geändert worden.

Der Lobbyverein setzte sich erfolgreich für die Beibehaltung höherer Preise ein und sorgte dafür, dass sich Zahnärzte und Veterinärmedizinerinnen nicht testen dürfen. Zu den Vorwürfen wollte sich der Lobbyverein nicht äußern. Der ALM ließ laut „WDR“, „NDR“ und „Süddeutscher Zeitung“ eine Anfrage unbeantwortet.



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