Trippelschritt in Richtung Meinungsfreiheit

Immer wieder löscht YouTube Videos oder blockiert ganze Accounts. Geht Googles Videoplattform zu weit? Die Europäische Union will mit dem Gesetz über digitale Dienste für Klarheit sorgen. Doch der Weg scheint weit.
Ausgezeichnete Meinungsfreiheit?
YouTube hat sich selbst für Meinungsfreiheit ausgezeichnet.Foto: ts/Epoch Times / iStock
Von 25. Februar 2022

Plötzlich ist das YouTube-Video weg – und die Verfasser rätseln, was sie Falsches verbreitet haben. Die Vorgehensweise des Plattform-Betreibers erscheint willkürlich. Besonders rigoros gehen die Internet-Konzerne vor, wenn es um Kritik gegen die Corona-Politik geht. Im vergangenen Herbst etwa hatte YouTube deswegen zwei Videos der Aktion #allesaufdentisch entfernt. Die Plattform berief sich allgemein auf ihre Community-Richtlinien, die es verbieten, medizinische Falschinformationen zu COVID-19 zu verbreiten. Welche Aussagen in den Videos genau zu beanstanden waren, ließ sie jedoch offen. 

Das Landgericht Köln hatte am 11. Oktober 2021 in einer Eilentscheidung entschieden, dass die Löschung zu Unrecht erfolgte. Der Initiative sei nicht konkret genug mitgeteilt worden, welche Passagen gegen welche Vorschrift der YouTube-Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen verstießen, entschieden die Juristen. Daher sei auch dem Gericht eine entsprechende Überprüfung nicht möglich gewesen. 

YouTube habe bei mehreren Videos der #allesaufdentisch-Aktion einen Verstoß gegen die Community-Richtlinien erkannt, entgegnete ein YouTube-Sprecher damals. Um Inhalte zu moderieren, arbeite die Plattform mit einer „Kombination aus Mensch und Technologie“. Da sich bei einer weiteren Überprüfung herausgestellt habe, dass eines der beiden gesperrten Videos den Richtlinien doch nicht widerspreche, habe man dieses Video wieder online gestellt. 

Strengere Hausregeln als das Strafrecht

Willkürlich erscheint indes nicht nur die beliebig anmutende Löschung Corona-kritischer Themen. Auch andere YouTuber werden immer wieder damit konfrontiert, egal ob sie ihre besten Schminktipps, Reparaturanleitungen oder Kochrezepte verbreiten wollen. Doch unvermittelt verschwindet ihr Video – ohne dass sie wissen, warum. Der Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen hält es vor diesem Hintergrund für „grenzwertig, dass Industrie-Unternehmen allein darüber entscheiden, wer wie welche Meinung öffentlich machen kann“.

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Juli vergangenen Jahres ein grundlegendes Urteil hinsichtlich dieser Thematik gefällt. Es bezieht sich auf die Löschung und Sperrung sogenannter Hassrede. Danach darf Facebook für seine Kommunikationsstandards bei der Bewertung der Grenzen der Meinungsfreiheit für „Hassrede“ strengere Maßstäbe anlegen als das Strafrecht. 

Um Willkür zu vermeiden, müssen derartige Einschränkungen der Meinungsfreiheit aber im Dialog mit den Nutzern nach einem Anhörungsverfahren erfolgen. Auf diese Weise sollen digitale Plattformen wie Facebook oder YouTube dazu gezwungen werden, sich mit anderen Positionen auseinanderzusetzen. Das Urteil zwingt also zum Dialog mit dem Nutzer. Anbieter müssen nun zunächst ein Anhörungsverfahren in den Nutzungsbedingungen schaffen.

Die Europäische Union will noch im Frühjahr das Gesetz über digitale Dienste auf den Weg bringen, um für mehr Klarheit zu sorgen. Zwar werden die Internet-Giganten auch weiterhin sämtliche verfügbaren Daten der Nutzer auslesen. Doch soll ihnen mit Blick auf den Umgang mit Inhalten ein verbindlicher Rechtsrahmen gesetzt werden.

„Online-Plattformen haben in unserem täglichen Leben an Bedeutung gewonnen und bringen neue Chancen, aber auch neue Risiken mit sich“, sagte die Leiterin des Verhandlungsteams, Christel Schaldemose, nach der Abstimmung im EU-Parlament am 20. Januar. „Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass das, was offline illegal ist, auch online illegal ist.“ Die Hoffnung des EU-Parlaments: Das Gesetz über digitale Dienste könnte zur Bekämpfung schädlicher Inhalte beitragen und die Verbreitung von Desinformation eindämmen.

Die Meinungsfreiheit zu „achten“ ist zu wenig

Es soll zudem vorschreiben, dass die Plattformen einheitliche und verständliche Beschwerdeverfahren einführen. Vor einer Sperrung sollen sie genau mitteilen müssen, was in einem Video zu bemängeln ist. Um reiner Willkür einen Riegel vorzuschieben, sollen Nutzer zudem – falls nötig – einen „menschlichen Ansprechpartner“ erreichen können, wenn sie Beschwerden einreichen. 

Zur wirklichen Meinungsfreiheit ist es dennoch ein weiter Weg. So ist etwa im Entwurf des EU-Parlaments zu lesen: „Die Anbieter von Vermittlungsdiensten achten die Meinungsfreiheit, die Medienfreiheit und den Medienpluralismus und andere Grundrechte und Grundfreiheiten, wie sie in der Charta und den für Medien geltenden Bestimmungen in der Union verankert sind, in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen achten.“

Für eine verbindliche Regelung ist es jedoch schlicht zu wenig, die Meinungsfreiheit nur zu „achten“. Sie muss „gelten“.

Steht dieser Passus letztendlich auch im Gesetz, könnten die Konzerne ihre eigenen Richtlinien über die Pressefreiheit stellen. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommission und die Mitgliedsländer den Entwurf des EU-Parlaments im Sinne der Meinungsfreiheit überarbeiten. 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion