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Trotz Querelen in der BSW-Fraktion: Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so gut wie sicher

Die Chancen dafür, dass die Änderung der Medienstaatsverträge für eine Gesamtreform des ÖRR und einen verbesserten Jugendschutz durchkommen werden, stehen trotz der Querelen in der reformkritischen Brandenburger BSW-Fraktion gut. Die CDU-Fraktion und BSW-Finanzminister Crumbach werden wohl den Ausschlag geben.

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Aus den Reihen der BSW-Fraktion in Brandenburg will der stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Robert Crumbach gegen die Parteilinie für die große Rundfunkreform stimmen.

Foto: Soeren Stache/dpa

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Lesedauer: 10 Min.


In Kürze:

  • Abstimmung pro Reform der öffentlich-rechtlichen Medien am Mittwoch im Brandenburger Landtag nahezu gesichert
  • Nach Krisensitzung der BSW-Fraktion soll das Regierungsbündnis mit der SPD aufrechterhalten werden.
  • Parteilose verbleiben „bis auf Weiteres“ in der BSW-Fraktion.
  • BSW-Finanzminister Robert Crumbach schlägt Mediationsverfahren zur Beilegung der fraktionsinternen Streitigkeiten vor.
  • AfD-Parlamentsgeschäftsführer Dennis Hohloch geht von „billigem Spiel“ aus.

 
Stolpert das Regierungsbündnis von SPD und BSW in Brandenburg doch noch über die beiden Reformvorhaben zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR)? Stehen damit vielleicht sogar die Reformpläne der 16 Ministerpräsidenten zur Zukunft von ARD, ZDF und „Deutschlandradio“ auf der Kippe? Diese Fragen trieben noch vor einer Woche die Medien um.
Spätestens am Mittwoch, 19. November 2025, gegen 14:00 Uhr sollte Klarheit herrschen. Denn dann wird im Potsdamer Landtag als letztem der 16 Landesparlamente final über die beiden Gesetzesvorlagen für einen verbesserten Jugendschutz speziell in den Internetangeboten (PDF) sowie für eine Gesamtreform des ÖRR (PDF) abgestimmt. Den Termin bestätigte eine Sprecherin der SPD-Fraktion auf Nachfrage der Epoch Times.
Sie erklärte, dass ihre Fraktion „unverändert“ davon ausgehe, dass es eine Mehrheit für die beiden Medienänderungsstaatsverträge geben werde. Zu den aktuellen Querelen beim Koalitionspartner BSW wolle sich ihre Fraktion nicht äußern.

Misstrauensantrag gegen Fraktionsspitze gescheitert

Am vergangenen Freitag, 14. November, hatte das BSW, Juniorpartner in der Regierung Dietmar Woidke, eine Krisensitzung abgehalten. Jene vier Abgeordneten, die wenige Tage zuvor aus der Partei ausgetreten waren, hatten zuvor einen Wechsel an der BSW-Fraktionsspitze verlangt: Deren Vorsitzender Niels-Olaf Lüders und sein Stellvertreter Christian Dorst sollten nach den Vorstellungen von Melanie Matzies, Jouleen Gruhn, Reinhard Simon und André von Ossowski am besten freiwillig zurücktreten – des angeblich „autoritären“ Führungsstils wegen. Dazu hatte das Quartett einen Misstrauensantrag gestellt.
Nach Informationen des „Rundfunks Berlin-Brandenburg“ (rbb) blieb am Ende aber alles beim Alten: Unter den 14 BSW-Fraktionsangehörigen stimmten acht für den Verbleib von Lüders und Dorst.
BSW-Finanzminister Robert Crumbach, der auch der BSW-Fraktion angehört, habe das Sondertreffen kurz zuvor verlassen, weil sein Antrag auf eine vorherige Aussprache abgeschmettert worden sei. Nach Angaben der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ) schlug er am Sonntag eine interne Mediation vor, um die Streitigkeiten beizulegen.

Parteilose bleiben „bis auf Weiteres“ in der Fraktion – Streit noch nicht ausgeräumt

Die vier abtrünnigen Ex-BSW-Mitglieder dürfen laut rbb zudem weiter der Fraktion angehören. „Ein Verlassen der Fraktion oder ein Übertritt in eine andere Fraktion ist nicht beabsichtigt“, hatten die vier Parteilosen in einer gemeinsamen Erklärung noch einmal betont: Man wolle „bis auf Weiteres“ in der Fraktion bleiben.
„Es ist aber natürlich noch viel Enttäuschung nach wie vor vorhanden auf allen Seiten. Da muss man jetzt mal schauen, ob das dann sich wieder kittet. Es ist wie mit einer Beziehung, die schwer geschädigt ist“, konstatierte die aus der Partei ausgetretene MdL Melanie Matzies nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ im Anschluss an die Krisensitzung.
Ihr nun parteiloser Ex-BSW-Kollege André von Ossowski schlug etwas andere Töne an: „Das Eingehen einer Koalition war in der Fraktion von Anfang an umstritten“, zitiert ihn die MAZ. Man habe lediglich den Wünschen nach „Disziplin“ von Parteigründerin Wagenknecht entsprochen. Der Fraktionsvorstand habe unterdessen „ständige Verstöße gegen eigene Regeln“ begangen und „völlig undiplomatisches Verhalten in der öffentlichen Darstellung unserer Arbeit“ gezeigt, kritisierte von Ossowski. Trotz allem müsse der Koalitionsvertrag aber eingehalten werden.
Nach rbb-Informationen hatten die vier Parteilosen am Freitag eingewilligt, den Plenarsaal vor der Medienstaatsvertragsabstimmung am Mittwoch zu verlassen, um nicht gegen den offiziellen Fraktionsbeschluss verstoßen zu müssen. An der Frage der ÖRR-Reformpläne hatte sich der gesamte fraktionsinterne Streit vor einer guten Woche entzündet.
Am Ende stand aber nur der Parteiaustritt der kritischen Vier am 11. November bei gleichzeitigem Fraktionsverbleib und dem Bekenntnis aller, die Koalition trotz der fraktionsinternen Querelen nicht gefährden zu wollen. Darauf hatte laut rbb auch die BSW-Landesvorsitzende Friederike Benda hingearbeitet. Sie habe als Gast an der Krisensitzung teilgenommen. Im Anschluss habe sie erklärt, gemeinsam eine „starke, aber geeinte Stimme im Landtag Brandenburg sein“ zu wollen – aus „Verantwortung“ für das Land.

BSW gegen aktuelle Reformpläne

Grundsätzlich lehnt die Gesamtpartei BSW beide Änderungen zu den Medienstaatsverträgen in ihrer aktuellen Form ab. „Es braucht eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der in seiner aktuellen Verfassung maßgeblich für die Verengung des Meinungskorridors in Deutschland mitverantwortlich ist“ bekräftigte Parteigründerin Sahra Wagenknecht jüngst am vergangenen Mittwoch auf Ihrem X-Kanal.
Sie hatte vor wenigen Tagen angekündigt, beim nächsten Parteitag Anfang Dezember in Magdeburg nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren, sondern sich künftig als Chefin der BSW-Grundwertekommission engagieren zu wollen. Sollte es doch noch zu einer Neuauszählung der Wahlzettel der jüngsten Bundestagswahl kommen, wie sie das BSW seit Monaten fordert, wolle sie zudem den BSW-Fraktionsvorsitz im Bundestag übernehmen, twitterte die frühere Linke.
Ähnlich wie Wagenknecht klang auch die Brandenburger BSW-Landesvorsitzende Benda: „Wir lehnen die Medienstaatsverträge ab, weil das Eintreten für Meinungsvielfalt und gegen regierungskonforme Meinungsmache schon im Gründungsmanifest eine von vier zentralen Positionen des BSW ist“, schrieb sie am 11. November in einer Presseerklärung.
Der 6. Medienänderungsstaatsvertrag, bei dem es um den Jugendmedienschutz gehe, beinhalte „mehr Möglichkeiten für Zensur“. Der 7. Änderungsvertrag mit seinen Gesamtreformideen sei „absolut unzureichend, um die großen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch nur ansatzweise zu lösen“, so Benda.

Oppositionspartei CDU und Crumbach werden wohl für Mehrheit sorgen

Um die beiden Gesetzesvorlagen zum ÖRR trotzdem durchzubringen, damit speziell die große Reform am 1. Dezember 2025 in Kraft treten kann, bedarf es mindestens 45 Stimmen im 88-köpfigen Plenum.
Die SPD verfügt als Partei des Ministerpräsidenten Woidke alleine über 32 Stimmen. Die BSW-Fraktion besitzt inklusive ihrer vier Ex-Parteimitglieder wie erwähnt 14 Stimmen. Sollten diese der BSW-Parteilinie folgend gegen die Gesetzentwürfe votieren, müssten die 13 fehlenden Stimmen woanders herkommen.
Mit BSW-Mitglied Robert Crumbach dürfte ein Befürworter der Medienstaatsvertragsänderungen bereits feststehen: Als Europa- und Finanzminister des Landes Brandenburg unterstützt er beide Vorhaben.
Damit bräuchte es nur noch zwölf Stimmen, was exakt der Stärke der CDU-Fraktion im Landtag entspricht. Nach Angaben der „Tagesschau“ hatte die Unionsfraktion trotz ihrer Oppositionsrolle bereits signalisiert, grünes Licht für beide Gesetzesvorlagen geben zu wollen. Sollte die CDU-Fraktion tatsächlich keinen einzigen Abweichler beherbergen, wäre die ÖRR-Reform damit gesichert. Brandenburg wäre dann das 16. und letzte Bundesland, das die Pläne durchwinkt. Die Zustimmung des vorletzten Bundeslandes, dessen Okay ebenfalls noch fehlt, ist Niedersachsen.

Niedersachsen stimmt schon am 18. November ab

Im Landtag Hannover stehen die Abstimmungen zur Gesamtreform des ÖRR, zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und auch zur Änderung des Verfahrens zur Festsetzung des Rundfunkbeitrages (PDF) bereits am Dienstag, 18. November, ab 11:05 Uhr auf der Tagesordnung (PDF). Aus den Reihen der beiden niedersächsischen Regierungsfraktionen SPD und Grüne ist kein Widerstand zu erwarten.
Anfang des Monats hatte es noch danach ausgesehen, als könnte die ÖRR-Reform an den Bedenken der Linksfraktion im sächsischen Landtag platzen. Am Ende ging die Abstimmung aber doch zugunsten des von allen Bundesländern schon vor einem guten Jahr auf den Weg gebrachten Reformstaatsvertrags aus – wenn auch knapp. Dass es zum Finale in Brandenburg noch einmal wackelig werden könnte, war damals nicht absehbar.

AfD-Parlamentsgeschäftsführer: „ein billiges Spiel“

Unter allen Brandenburger Landtagsfraktionen, die Epoch Times zum BSW-Streit angefragt hatte, meldete sich außer der SPD bis zur Veröffentlichung dieses Artikels lediglich Dennis Hohloch zurück, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion.
Auch er hege keine Zweifel daran, dass die ÖRR-Reformen den Potsdamer Landtag passieren würden. Aus seiner Sicht habe es sich beim BSW-internen Streit „von Anfang an“ um „ein billiges Spiel“ gehandelt: Neben SPD und CDU würde es ja nur einer Stimme aus den BSW-Reihen bedürfen, um die Medienstaatsverträge durchzusetzen. Da Crumbach das bereits zugesagt habe, sei die Sache klar gewesen.
Er gehe trotz aller gegenteiligen Beteuerungen davon aus, dass die vier abtrünnigen Ex-BSW-Parteimitglieder demnächst auch die Fraktion verlassen und zur SPD überwechseln könnten. „Denn dann hätte die SPD vier Leute mehr in ihren Reihen und könnte zusammen mit der CDU eine neue Regierung bilden“, so Hohloch. Das BSW wäre damit „ausgebootet“. Die AfD-Fraktion lehnt die ÖRR-Reformpläne in ihrem aktuellen Entwurf ebenso wie das BSW ab.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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