Wohlfahrtsverbände können Angebote nicht mehr aufrechterhalten

Fehlende Fachkräfte und Energiekosten belasten soziale Einrichtungen; erste Einrichtungen müssen schließen. Darunter ist auch ein Frauenschutzzentrum.
Wohlfahrtsverbände können Angebote nicht mehr aufrechterhalten
Logo der Arbeiterwohlfahrt auf einer Hauswand.Foto: iStock
Von 12. September 2022

Fachkräftemangel, hohe Energiekosten und Corona sind die Gründe dafür, dass auch Wohlfahrtsverbände anfangen müssen, zu sparen und Angebote streichen.

Erste Konsequenzen aus der Krise zieht nun die Arbeiterwohlfahrt Ostwestfalen-Lippe (AWO OWL). Wie der Radiosender WDR1 auf seiner Internetseite mitteilt, ist die Schließung von Einrichtungen unausweichlich. Dazu gehören das Frauenschutzzentrum Minden und ein Berufskolleg für das Sozial- und Gesundheitswesen in Bielefeld.

Schüler wollen 900.000 Euro sammeln

Das trifft etwa 280 Schülerinnen und Schüler. „Wir sind alle schockiert. 280 Studierende können ihre Ausbildung nicht zu Ende führen. Es ist absolut paradox, eine Schule zu schließen, die Fachkräfte ausbildet, und gleichzeitig ist der Fachkräftemangel so hoch“, zitiert der Radiosender den fassungslosen Schulleiter Tobias Kämper.

Die Schüler haben daher kürzlich für den Erhalt der Schule demonstriert und wollen nun 900.000 Euro sammeln. Dieser Betrag sei nötig, um den Schulbetrieb bis 2025 aufrechtzuerhalten, damit jeder die Ausbildung beenden oder das Fachabitur ablegen kann.

AWO-Vorstand kritisiert Landesregierung

Des Weiteren will die AWO eine Einrichtung für Autisten sowie eine Mutter-Kind-Kureinrichtung in Horn-Bad Meinberg abgeben. Von den Sparplänen sind 150 bis 200 Menschen betroffen. Steigende Energiekosten, ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern und die Corona-Pandemie hätte die Wohlfahrt in der Region beeinflusst.

Der Vorstand der AWO kritisiert aber auch die Sozialpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen. So dürfe die AWO als gemeinnütziger Verband zwar keine Gewinne machen, werde aber gleichzeitig mit ständig steigenden Kosten belastet.

Die Trägerschaft für die Kindertagesstätten soll hingegen nicht abgegeben werden. Das habe der Bezirksverband in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt. Der Bereich der Kindertagesbetreuung sei eine große und wichtige Säule, die auch zukünftig kontinuierlich weiterentwickelt werde, heißt es in dem Schreiben.

Kitagruppen verkleinern oder schließen

Von der „erheblichen Einschränkung“ ihrer Angebote spricht auch die Caritas. Caritas-Sprecherin Mathilde Langendorf sagte auf Anfrage von Epoch Times, dass die Caritas an mehreren Stellen ihr gesamtes Angebot nicht (mehr) aufrechterhalten kann. „Das hat vor allem mit dem dramatischen Personalmangel zu tun, der alle sozialen Berufe betrifft.“

Konkret bedeute dies: Kitagruppen müssen verkleinert oder geschlossen werden; in Einrichtungen der Altenhilfe können nicht alle Plätze belegt werden – teilweise sind ganze Wohnbereiche geschlossen. Auch ambulante Pflegedienste können neue Patientinnen und Patienten nicht mehr aufnehmen, weil das Personal fehle, um diese zu versorgen.

Wenn Mitarbeiter etwa in der Wohnungslosenhilfe fehlen, dann heißt das, dass weniger Obdachlose die Einrichtungen besuchen können. Das Gleiche gilt für die Anzahl der Hilfesuchenden, die Beratungsstellen versorgen können. „Das Thema zieht sich durch den gesamten Verband durch“, so die Sprecherin.

Wenig Spielräume zum Energiesparen

Die massiv steigenden Energiekosten sorgen für zusätzliche Probleme. In Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kitas, Wohngruppen für Jugendliche oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung werde selbstverständlich geheizt, gekocht, oft auch in großen Mengen Wäsche gewaschen, betont die Sprecherin.

„Natürlich sind soziale Einrichtungen von den steigenden Energiepreisen stark betroffen – zumal es in Neugeborenenstationen, in Altenheimen oder in Kitas wenig Spielraum für Temperatursenkungen gibt.“ Andere Bereiche, etwa ambulante Pflegedienste, würden sehr stark die Schwankungen der Spritpreise spüren.

„Als gemeinnützige Unternehmen haben Träger der freien Wohlfahrt keine finanziellen Reserven, aus denen sie diese Mehrkosten bezahlen können. Die Weitergabe der höheren Preise an die Kunden ist auch keine Option. Der einzige Weg ist, fortdauernd mit den Kostenträgern über die Refinanzierung unserer Leistungen zu verhandeln“, beschreibt Mathilde Langendorf die Situation.

Langfristige Sicherung mit Hilfsprogrammen

Entlassungen sollten laut der Sprecherin vermieden werden. „Wir tun alles dafür, dass es nicht dazu kommt. Das wäre auch angesichts der Personallücke in allen Bereichen ein Unding.“ Soziale Dienstleistungen wie Kinderbetreuung in Kitas oder die Versorgung von Patienten in Krankenhäusern und pflegebedürftigen Menschen in Pflegeeinrichtungen seien ein „zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge“.

Um die Arbeit von sozialen Einrichtungen wie die Caritas langfristig zu sichern, müssten Hilfsprogramm geschaffen werden. Die Caritas begrüße daher den Vorschlag der SPD, einen Schutzschirm einzurichten.

Ein anderes wichtiges Anliegen ist die „dringend notwendige ökologische Transformation unserer Einrichtungen und Dienste – inklusive Anpassungen wie an die Veränderungen des Klimas (Hitze in Altenheimen zum Beispiel).“ Dazu brauche es Unterstützung in Form einer Anschubfinanzierung sowie eine Berücksichtigung in der Finanzierungsstruktur der Caritas-Arbeit. Noch werde die Transformation zu sehr als ein Thema für die private Wirtschaft und die Industrie verstanden, so die Sprecherin abschließend.

Das Deutsche Rote Kreuz wies in seiner Antwort auf seine föderalen Strukturen hin. „Die operative Umsetzung der Angebote liegt häufig bei den jeweiligen Landesverbänden. Eine bundesweite Datengrundlage steht uns leider nicht zur Verfügung“, so eine Sprecherin. Das Diakonische Werk und der Arbeiter-Samariter-Bund reagierten nicht auf die Anfragen von Epoch Times.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 61, vom 10. September 2022.



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