Lafontaine beschwichtigt: Auch AfD-Anhänger auf Friedensdemo willkommen

Dem Aufruf zur Teilnahme an der von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer organisierten Friedensdemo am 25. Februar 2023 in Berlin sind auch AfD-Anhänger willkommen. Das stellte Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine in einem aktuellen Interview klar.
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Eine frühere Demonstration vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto „Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine und ganz Europa" (Archivbild). Für den 25. Februar haben Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer erneut zur Friedensdemo eingeladen.Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 16. Februar 2023

Die Linken-Politikerin und Friedensaktivistin Sahra Wagenknecht hat mit ihren Aussagen in einem „Spiegel“-Artikel zum AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla für mächtig Verdruss in der Friedensbewegung gesorgt: Sie wolle Chrupalla bei ihrer Friedensdemonstration am 25. Februar am Brandenburger Tor nicht dabei haben, hieß es in der Überschrift des Artikels. Das empfanden viele als Diskriminierung oder als unnötigen Spaltungsversuch zum Nachteil jener Menschen, die sich klar für Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg ausgesprochen hatten. Und zu denen gehört nun einmal auch Chrupalla.

„… die ehrlichen Herzens Frieden wollen“

Während Wagenknecht selbst sich zu ihren Worten gegen Chrupalla bisher nicht auf ihrem Twitter-Kanal äußerte, ruderte nun ihr Ehemann Oskar Lafontaine für sie zurück. In einem Interview mit der Journalistin Milena Preradovic stellte der ehemalige SPD-Vorsitzende, Bundesfinanzminister und saarländische Ministerpräsident klar, dass auch AfD-Wähler bei der Friedensdemo willkommen seien. Das Gegenteil anzunehmen, sei „völliger Blödsinn, denn dann würde man sich selbst ja eben unglaubwürdig machen“, sagte Lafontaine.

„Letztendlich geht es doch darum, dass alle diejenigen sich versammeln sollen, die ehrlichen Herzens Frieden wollen. Da sind alle willkommen“, erklärte Lafontaine (Video auf YouTube). Es werde bei der Demo keine „Gesinnungsprüfung“ geben, und es werde auch niemand gefragt, welches Parteibuch er habe oder wen er gewählt habe, versprach der Saarländer. Man wolle allerdings nicht, dass Fahnen der Reichsbürgerbewegung geschwungen würden oder „politische Propaganda gemacht“ werde „für irgendwelche abstrusen Ziele“.

Lafontaine mahnte, „das Ganze“ nicht „für politische Zwecke zu instrumentalisieren, um wieder alte Schlachten aufzumachen“. Überhaupt sei in den vergangenen Tagen „überspitzt und falsch berichtet“ worden.

Oskar Lafontaine im Gespräch mit Milena Preradovic

Oskar Lafontaine im Gespräch mit Milena Preradovic. Foto: Screenshot Youtube/Punkt.PRERADOVIC

 

Wagenknecht kontra Chrupalla

Nach einem Artikel vom 12. Februar im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte Wagenknecht Chrupalla einen „Versuch, unsere Friedensinitiative zu diffamieren“ unterstellt, indem sich der AfD-Bundessprecher öffentlich als Unterstützer des „Manifests für den Frieden“ geoutet und ebenfalls für den Besuch der Friedensdemo in Berlin geworben hatte.

Dass ein AfD-Mann zu den Unterstützern ihrer Initiative gehöre, habe für Begeisterung bei jenen gesorgt, „die den Krieg in der Ukraine mit Panzern und Kampfjets bis zum letzten Ukrainer fortsetzen möchten“, hatte Wagenknecht zu Bedenken gegeben. Wagenknecht laut „Spiegel“ weiter: „Wir haben mit der Auswahl unserer Erstunterzeichner deutlich gemacht, mit wem wir zusammenarbeiten und von wem wir uns Unterstützung erhoffen – und von wem eben auch nicht.“

Die AfD-Fraktion im Bundestag hatte sich zuletzt eindeutig auf der Seite jener positioniert, die sich für ein schnellstmögliches Ende des Ukraine-Kriegs mit diplomatischen Mitteln einsetzen. Auf einer Pressekonferenz, die vor gut einer Woche stattgefunden hatte, stellten Chrupalla und weitere Parteivertreter einen entsprechenden Antrag an die Bundesregierung unter dem Titel „Deutschlands Verantwortung für Frieden in Europa gerecht werden“ vor (Video auf YouTube). Chrupalla brachte dabei seine Bestürzung darüber zum Ausdruck, dass derzeit keine Partei im Bundestag existiere, die den Wunsch der Bevölkerung nach Frieden und Völkerverständigung teile – mit Ausnahme der AfD.

Manifest-Unterstützer aus allen Lagern

Wagenknecht hatte ihr Friedensmanifest zusammen mit der Emma-Chefredakteurin Alice Schwarzer am 10. Februar auf den Weg gebracht. In einem „Welt“-Interview vom selben Tag hatte die Linken-Politikerin noch ausgeführt, wie wichtig ihr „ein sehr, sehr breites Bündnis“ sei: „In dieser Gesellschaft – völlig unabhängig von Parteipräferenz – gibt es ganz viele Menschen, die wünschen sich, dass wirklich ein anderer Weg eingeschlagen wird und dass wir aus dieser Debatte, immer nur über militärische Kategorien zu reden, über Waffenlieferungen, noch mehr Waffenlieferungen […] dass wir hier rauskommen, weil es einfach auch gefährlich ist“. Nur, weil sich auch AfD-Politiker wie Alexander Gauland für eine friedliche Lösung einsetzten, sei das nicht falsch.

Die dazugehörige Petition von Wagenknecht und Schwarzer auf der Plattform „change.org“ wurde – Stand 16. Februar, 11:00 Uhr – bereits von weit über 465.000 Menschen digital unterschrieben.

Zu den 69 Erst-Unterzeichnern gehören auch Prominente aus allen möglichen Ecken – zum Beispiel Foodwatch-Gründer Thilo Bode, die Theologin Antje Vollmer (Grüne), der Trigema-Chef Wolfgang Grupp, die Schauspielerinnen Hanna Schygulla und Katharina Thalbach, der Virologe Prof. Hendrik Streeck, Romani Rose vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und der Journalist Martin Sonneborn (Die Partei).

Kurz nach Veröffentlichung der Liste (Wagenknecht: „Ab heute kann sich jede/r anschließen“) unterschrieb auch Chrupalla – und rief auf Twitter dazu auf, es ihm gleichzutun: „Ich habe diese Petition für den Frieden unterzeichnet. Im Einsatz für den Frieden sollten Parteigrenzen keine Barrieren sein. Noch tausend Unterschriften fehlen. Unterzeichnen deshalb auch Sie!“

Friedensbewegte bezweifeln Wagenknechts Glaubwürdigkeit

Wagenknechts daraufhin erfolgte Spiegel-Attacke auf Chrupalla löste bei vielen Unterstützern des „Manifests für den Frieden“ Ablehnung aus.

„Schon die Partei und Staatsführung der DDR wollte uns ganz genau die Friedensrichtung vorgeben. Abweichler wie ich wurden diskreditiert, verfolgt, eingesperrt und ausgewiesen. Was #Wagenknecht hier mit der AfD abfeiert ist peinlich, passt aber perfekt zur den SED-Nachfolgern“, schrieb etwa der Twitter-User „Berliner Jung in Köln“.

„Liebe Sahra #Wagenknecht, Du bist eine Heuchlerin, der es nicht um die Sache, sondern nur um die eigene Person geht!“ meinte Twitter- und Youtube-Star Tim „Love Priest“ Kellner.

„Suspicius Minds“ twitterte: „Symptomatisch für die aktuelle Zeit, dass sich jemand aufschwingt und jeden wegbeisst [sic] weil er keine Qualität neben sich dulden kann. Damit verliert Frau Wagenknecht an Glaubwürdigkeit.“

Andere kritisierten den „Spiegel“ für die Schlagzeile „Wagenknecht will AfD-Chef nicht auf Demonstration“, die das Blatt über seinem Wagenknecht-Artikel platziert hatte. Twitter-User „Das vernunftbegabte Tier“ etwa stellte fest: „Die Überschrift kommt nicht von #Wagenknecht sondern aus der Feder der Spiegelschreiberlinge! Im Text steht davon nämlich kein Wort“.

In dieselbe Kerbe schlug „Katinka“: „Nicht spalten lassen, liebe Leute. Macht das Spiel des @derspiegel nicht mit. #Wagenknecht #ManifestfuerFrieden“.

Buschmann: „Die Hufeisentheorie lebt!“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nutzte die Schlammschlacht, um gegen die Opposition zu sticheln: „Die Theorie des politischen Hufeisens besagt, dass sich in ihren Extremen rechte und linke Positionen immer ähnlicher werden. Nun lese ich, dass AfD-Chef Tino Chrupalla die Initiative der Linken-Politikern Sarah Wagenknecht unterstützt. Die #Hufeisentheorie lebt!“

Gegenwind für das eigentliche Friedensmanifest gab es ebenfalls reichlich.

„Der #Nationslpazifismus [sic!] AfD #Wagenknecht ist einfach pure Verantwortungslosigkeit! Sollen die Ukrainer doch verrecken! Sollen sie sich doch überrollen lassen von Putins Soldateska! Denn das wäre das Ergebnis wenn sie keine Waffen mehr erhalten!“, twitterte etwa „Anonymous Germany“.

Der türkisch-deutsche „Welt“-Journalist Deniz Yücel, der in den Jahren 2017 und 2018 wegen des Verdachts auf Terrorpropaganda und Volksverhetzung über ein Jahr lang in türkischer U-Haft verbracht hatte und auch auf Initiative der Regierung Merkel frei gekommen war, schrieb: „Und noch ein offener Brief von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht, dessen Erstunterzeichner/innenliste fast so durch und durch deutsch ist wie Argumentation und Gemütslage des Textes (,Schaden vom deutschen Volk wenden‘. ) Na klar gefällt das Tino Chrupalla.“

Auch der Politikwissenschaftler Carlo Masala lehnt den Friedensappell von Wagenknecht und Schwarzer ab. Im „Welt“-Interview sagte er: „Mehr Ukrainer werden getötet, mehr Ukrainerinnen werden vergewaltigt. Das ist beiden Damen sicherlich sehr bewusst. Deswegen ist dieser Apell gefährlich, er ist nicht naiv“.

Der Blogger „Neverforgetniki“ sprang dagegen den beiden Manifest-Autorinnen zur Seite: „Ich bin weder Fan von Alice #Schwarzer noch von der Partei von Sahra Wagenknecht. Aber wenn Wagenknecht und Schwarzer sich für Frieden einsetzen, während unsere Regierung einen Krieg mit Russland riskiert, dann haben sie meine volle Solidarität! Egal, wie sehr ihr sie beleidigt!“



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