Inflation in Deutschland und Europa rückläufig

Die Inflation in Deutschland und Europa ist im Mai zurückgegangen. Auch die Verbraucherpreise sind leicht gesunken. Eine erste Trendwende ist erkennbar. Grund zum Aufatmen gibt es aber noch nicht.
Lebensmittel in einem Supermarkt auf einem Kassenband: Im März fielen die höheren Preise für Nahrungsmittel erneut besonders ins Gewicht.
Die Inflation sank europaweit so stark wie lange nicht mehr.Foto: Sven Hoppe/dpa
Von 1. Juni 2023

Gestern meldete das „Statistische Bundesamt“ einen Rückgang der Inflationsrate und heute Mittag konnte die europäische Behörde Eurostat eine ähnlich klingende Meldung veröffentlichen.

So ist in Deutschland, nach Schätzungen, im Mai die Inflationsrate deutlich zurückgegangen. Betrug sie im April noch 7,2 Prozent, so lag sie im letzten Monat bei 6,1 Prozent. Das ist die niedrigste Rate seit April 2022.

In Europa ist die Inflationsrate ebenfalls leicht zurückgegangen. Lag sie im April noch bei 7,0 Prozent, so betrug sie im Mai 6,1 Prozent. Einen Grund sich zurückzulehnen gibt es allerdings nicht: Immer noch ist die Teuerungsrate sowohl europaweit als auch in Deutschland sehr viel höher als in früheren Jahren.

Verbraucher sehen Licht am Ende des Tunnels

Im Gegensatz zu den Monaten davor scheint sich die Entwicklung aber aus Verbrauchersicht verbessert zu haben. Die Preise in Deutschland fielen im Vergleich zu April sogar um 0,1 Prozent. Vor allem die Preissteigerungen bei Energieprodukten schwächten sich weiter ab. Im Mai betrugen sie nur noch 2,6 Prozent im Jahresvergleich.

Auch bei den Nahrungsmitteln ist eine Entspannung zu beobachten, obgleich die Rate mit 14,9 Prozent weiterhin deutlich über dem Gesamtindex liegt. Im Dienstleistungssektor stand ein Plus von 4,5 Prozent. So stiegen beispielsweise die Preise für Wohnungsmieten im Jahresvergleich um 2,90 Prozent.

Angesichts der Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprach der Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg, Holger Schmieding, gegenüber der FAZ von „guten Nachrichten für Verbraucher und die Europäische Zentralbank“. Schmieding glaubt, dass mit dem Sinken der Inflationsrate ein Ende der Zinserhöhungen durch die EZB näherrücken könnte. Die Zentralbank hatte in den letzten Monaten den Leitzinssatz schrittweise auf aktuell 3,75 Prozent angehoben. Das belastet im Moment die Konjunktur im europäischen Wirtschaftsraum.

Staat hat mit Deutschlandticket nachgeholfen

Ähnlich positiv wie in Deutschland sieht es auch europaweit aus. Auch dort steigen die Verbraucherpreise zwar immer noch in einem relativ rasanten Tempo, aber eine Abnahme ist spürbar. Das schreibt das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“. Hatten Analysten und Volkswirte im Vorfeld mit einem Rückgang auf 6,3 Prozent gerechnet, sprachen die Schätzungen mit 6,1 Prozent sogar noch eine viel deutlichere Sprache.

Im „Handelsblatt“  betont Chefvolkswirt Schmieding, dass die Zahlen insbesondere aus den Bundesländern den Schluss nahelegten, dass der Preisdruck auf breiter Front abnimmt. Allerdings betont der Ökonom weiter, dass der Staat hier mit dem Deutschlandticket nachgeholfen habe.

Das Ticket für 49 Euro war im letzten Monat bundesweit eingeführt worden. So haben nach Angaben des „Handelsblatt“ in Nordrhein-Westfalen die Preise für die kombinierte Personenbeförderung um 28,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat nachgegeben. Da NRW das größte Bundesland ist und man ähnliche Entwicklungen auch für andere Bundesländer annehmen kann, hat auch die besonders unter Beobachtung stehende Kernrate von 5,5 Prozent auf 5,0 Prozent nachgegeben. Für diese werden stark schwankende Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet. „Hier sehen wir also erste Anzeichen einer echten Trendwende“, sagte Schmieding.

Kommende Monate könnten schwieriger werden

Wie sich die Inflation künftig entwickelt, ist offen. „In den kommenden Monaten wird es dann komplizierter“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski im „Handelsblatt“. „Denn dann bekommen wir Basiseffekte vom Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt, wodurch der Inflationsdruck wieder zunimmt.“ Beides wurde von der Bundesregierung für Juni, Juli und August 2022 eingeführt, um die Bürger zu entlasten.

Nahrungsmittel europaweit Preistreiber

Die Preise für Nahrungs- und Lebensmittel blieben in Europa weiterhin ein Preistreiber. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie im Mai um 12,5 Prozent, was jedoch einen leichten Rückgang gegenüber dem April darstellt, als die Teuerungsrate noch über 13 Prozent betrug. Im Gegensatz dazu verbilligte sich Energie im Jahresvergleich sogar um 1,7 Prozent.

Aufgrund der starken Schwankungen bei den Preisen für Nahrungsmittel und Energie richten Ökonomen auch ihr Augenmerk auf die Entwicklung aller anderen Preise. Die Kernrate der Inflation, die Nahrung und Energie ausschließt, soll zeigen, inwieweit der Preisauftrieb in der gesamten Wirtschaft Fuß gefasst hat. Im April fiel diese wichtige Kernrate der Inflation erstmals seit vielen Monaten leicht von 5,7 auf 5,6 Prozent. Im Mai sank die Kernrate nun weiter auf 5,3 Prozent. Dies übertraf auch die Erwartungen der Experten, die eine Kernrate von 5,5 Prozent erwartet hatten.

Verzicht auf Zinserhöhung im Juni eher unwahrscheinlich

Ob die Europäische Zentralbank am 15. Juni tatsächlich schon auf weitere Zinsanhebungen verzichtet, wie Schmieding prognostiziert, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Die EZB ist laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde bestrebt, die Zinsen auf die Höhe zu bringen, damit das ausgegebene Inflationsziel von zwei Prozent nachhaltig erreicht werden kann.

Gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“ sagte Irlands Notenbankchef Gabriel Makhlouf im Gespräch, dass er zwei weitere Zinsschritte im Juni und im Juli für wahrscheinlich hält.

Auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos äußerte sich ähnlich. Laut FAZ sagte er am vergangenen Mittwoch, dass die Daten in die richtige Richtung gingen. Der Rückgang der Inflation sei größer ausgefallen, als Analysten erwartet hätten: „Die Nachrichten, die wir nun bekommen, sind positiv und gehen in die Richtung eines wichtigen Rückgangs der Gesamtinflation.“ Es sei aber noch kein „Sieg“ über den Preisschub.



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