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Autogipfel im Kanzleramt

Showdown in Berlin: Autoindustrie fordert Entlastung - Merz will Verbrenner-Aus kippen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lädt zum Autogipfel ins Kanzleramt. Die Autoindustrie steht unter Druck, viele Zulieferer bauen Stellen ab. Streit gibt es über das Verbrenner-Aus ab 2035 – Merz will es kippen, die DUH warnt, und Olaf Lies (SPD) fordert mehr Flexibilität.

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Im Kanzleramt beraten Politik und Branche morgen über die Zukunft der Autoindustrie.

Foto: Hannes P. Albert/dpa

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Lesedauer: 9 Min.


In Kürze:

  • Beim Autogipfel im Kanzleramt beraten Politik, Industrie und Gewerkschaften über den Zukunftskurs der deutschen Autoindustrie.
  • Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) fordert eine Abkehr vom EU-Verbrenner-Verbot ab 2035, während Umweltschützer und Teile der SPD am Ausstiegsdatum festhalten.
  • Die Branche steckt in einer tiefen Krise – mit sinkenden Aufträgen, Stellenabbau bei Zulieferern und anhaltendem Streit über den Weg zur Klimaneutralität.

 
Am Donnerstagnachmittag lädt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum „Automobildialog der Bundesregierung“ ins Kanzleramt ein. Nach Regierungsangaben sollen neben den deutschen Autoherstellern auch Vertreter der Zulieferindustrie sowie Verbands- und Arbeitnehmervertreter teilnehmen, unter anderem VDA-Präsidentin Hildegard Müller und IG-Metall-Chefin Christiane Benner. Außerdem werden auch die Ministerpräsidenten der Länder anwesend sein, in denen Autos gebaut werden. Konkret sind das Markus Söder (CSU, Bayern), Winfried Kretschmann (Grüne, BW) und Olaf Lies (SPD, Niedersachsen).

Eine Branche unter Druck

Die deutsche Autoindustrie ist stärker denn je unter Druck: Der ifo-Geschäftsklimaindex für den Sektor fiel im Mai auf einen Tiefstand von –31,8 Punkten und signalisiert eine tief getrübte Stimmung. Der Index hat sich im August zuletzt auf –15,5 Punkte verbessert. Ein Grund zum Aufatmen ist das aber nicht.
Vor allem die Einigung im Zollstreit mit den USA im Juli hatte dazu beigetragen, dass die Autobauer etwas positiver in die Zukunft schauen. „Angesichts der Bedeutung des US-Marktes für die deutschen Automobilhersteller und -zulieferer sind auch die ausgehandelten Zölle von 15 Prozent noch schmerzhaft“, stellte ifo-Branchenexpertin Anita Wölfl klar.
Parallel dazu mehren sich Zeichen eines massiven Arbeitsplatzabbaus – in erster Linie bei den Zulieferern. In einer gerade veröffentlichten Befragung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) gaben 61 Prozent der Unternehmen an, aktuell Beschäftigung in Deutschland abzubauen; 28 Prozent planten zusätzliche Verlagerungen von Investitionen ins Ausland. Nur 2 Prozent der vom VDA befragten Unternehmen wollen angesichts der Lage die Investitionen in Deutschland zeitnah erhöhen.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller warnte, dass sich die Standortbedingungen in Deutschland und Europa zunehmend verschlechtern und deshalb „täglich gegen den Standort entschieden“ werde. Seit Jahren mahne die Industrie grundlegende Reformen an, doch es geschehe „viel zu wenig“. Müller betonte, die Automobilbranche wolle Arbeitsplätze und Wohlstand im Land sichern und weiterhin in Deutschland produzieren – dafür müsse sich aber politisch „etwas tun“.
Sie forderte von der Bundesregierung und der EU-Kommission klare Prioritäten für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und eine stärkere Fokussierung auf den Industriestandort. Abschließend kritisierte sie Bestrebungen innerhalb der EU, den Markt abzuschotten – das sei für eine exportorientierte Branche wie die deutsche Autoindustrie „der falsche Weg“.

Stellenabbau in den kommenden Jahren

Die Krise der Autoindustrie zeigt sich auch in den Ankündigungen der letzten Monate. So kündigte das Unternehmen ZF in Friedrichshafen Anfang Oktober an, bis 2030 rund 7.600 Stellen in seiner Antriebssparte in Deutschland streichen zu wollen. Auch der Lkw-Hersteller Daimler Truck kündigte im Juli einen Stellenabbau und Produktionsverlagerungen bis 2030 an. Auf dem Kapitalmarkttag 2025 im Lkw-Produktionswerk in Cleveland, North Carolina, USA, präsentierte das Unternehmen einen umfassenden strategischen und finanziellen Ausblick unter dem Motto „Stronger 2030“:
„Der umfassende und detaillierte Restrukturierungsplan deckt sechs zentrale Kostensenkungsbereiche ab. Er beinhaltet eine Verlagerung von Produktionsvolumen in ein Land mit Kostenvorteilen und weitere Maßnahmen, die einen signifikanten Stellenabbau in Deutschland bis 2030 nach sich ziehen werden.“
Der Redebedarf auf dem Autogipfel dürfte daher morgen groß sein. Die Bundesregierung prüft vor dem Gipfel neue Maßnahmen zur Stützung der kriselnden Autoindustrie. Union und SPD erwägen, die Förderung der deutschen Autoindustrie mit einer Unterstützung der heimischen Stahlbranche zu verknüpfen. Nach Informationen des „Handelsblatts“ wird intern darüber beraten, ob die EU den Autoherstellern bei den CO₂-Zielen entgegenkommen könnte, sofern diese „grünen Stahl“ aus Europa verwenden. Vier Regierungsvertreter bestätigten entsprechende Überlegungen gegenüber dem „Handelsblatt“.
Im Zuge der europäischen Diskussion über einen möglichen „Buy European“-Ansatz soll dieses Prinzip auch auf die Automobilindustrie ausgeweitet werden. Die Idee: Autokonzerne könnten sich die Nutzung von klimafreundlichem Stahl bei den EU-Klimazielen anrechnen lassen. Das würde den Herstellern helfen, die Vorgaben leichter zu erfüllen – und zugleich die Nachfrage nach europäischem Stahl zu stärken.

Verbrenner-Aus offenbar Hauptthema des Gipfels

Zentrales Thema des Autogipfels ist das geplante Verbrenner-Aus. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, auf die sich das „Handelsblatt“ beruft, zeichnet sich ein Kompromiss ab: Das Zieldatum 2035 soll bestehen bleiben, die Umsetzung jedoch flexibler gestaltet werden.
Kritik an solchen Überlegungen kommt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Sie fordert von Bundeskanzler Friedrich Merz, einer möglichen Aufweichung der Klimaziele eine klare Absage zu erteilen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch warnte: „Wenn die Bundesregierung erneut vor den Autokonzernen in die Knie geht, verliert sie jede Glaubwürdigkeit im Klimaschutz.“ Der Kanzler dürfe den Gipfel „nicht zum Wunschkonzert der Autolobby verkommen lassen“, so Resch.
Die CDU mache sich mit dem Versuch, das vereinbarte Verbrenner-Aus rückgängig zu machen, „zum verlängerten Arm der Autolobby“. Angebliche Flexibilisierungen seien in Wahrheit „fossile Schlupflöcher“, die der Industrie weiterhin Milliardengewinne auf Kosten künftiger Generationen ermöglichten. Die DUH fordert daher ein „klares Bekenntnis zum Verbrenner-Aus“ und wirksame Maßnahmen, um diesen Kurs konsequent zu verfolgen. Nur so könne Deutschland seine gesetzlich verbindlichen Klimaziele erreichen und eine gerechte Verkehrswende schaffen.

Verbrenner-Aus ab 2035 unrealistisch

Einen Tag vor dem Autogipfel hat der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) in einer Regierungserklärung vor dem Landtag erläutert, wie aus seiner Sicht die Autobranche aus der Krise kommen kann. Niedersachsen hält knapp 12 Prozent Aktienanteile am Volkswagenkonzern.
Ministerpräsident Lies möchte die Elektromobilität deutlich ausbauen, hält aber ein striktes Verbrenner-Aus ab 2035 für unrealistisch. Er fordert stattdessen „Realitätssinn“ und „kluge Flexibilität“: Auch nach 2035 sollen Hybridmodelle oder E-Autos mit Range-Extendern zugelassen bleiben. Um die Klimaziele trotzdem zu erreichen, setzt Lies auf eine beimischende Nutzung von E-Fuels und Biokraftstoffen – als „Brücke für Bestandsflotten“.
Für den Ausbau der Elektromobilität schlägt die Landesregierung vor: günstigere Strompreise an Ladesäulen, eine Schnellladepflicht an Tankstellen und ein „Recht auf Laden“ im Wohnumfeld oder beim Arbeitgeber. Zudem will Niedersachsen Sozial-Leasing-Modelle, also, dass Geringverdiener beim Leasen von E-Autos unterstützt und steuerliche Entlastungen für E-Autos gefördert werden. Hersteller sollen Bonuspunkte erhalten, wenn sie kleine und günstige Elektroautos produzieren. Auch im Gebrauchtwagenmarkt soll ein Batteriepass für mehr Transparenz sorgen.

Verbot neuer Verbrennerfahrzeuge abschaffen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat gerade erst gefordert, das geplante Verbot neuer Verbrennerfahrzeuge ab 2035 in der EU abzuschaffen. In der n-tv-Sendung „Pinar Atalay“ erklärte Merz am vergangenen Montag: „Meine klare Vorstellung ist, dass wir dieses sogenannte Verbrennerverbot in der Form nicht aufrechterhalten.“ Deutschland solle „nicht zu den Ländern gehören, die an diesem falschen Verbot festhalten“, so Merz weiter.
Merz plädierte stattdessen für „Technologieoffenheit“ bei der weiteren Ausgestaltung der Klimapolitik und der Antriebsstrategien. Zugleich räumte er ein, dass das Thema in der Koalition mit der SPD noch nicht abschließend geklärt sei. Der sozialdemokratische Umweltminister Carsten Schneider habe sich bislang „noch nicht überzeugt“ gezeigt. Merz äußerte jedoch die Hoffnung, bis zum Treffen mit der Automobilindustrie im Kanzleramt am Donnerstag eine gemeinsame Linie zu finden. Er verwies darauf, dass die EU-Kommission noch in diesem Jahr über das weitere Vorgehen entscheiden werde.

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