Geldmenge aufgebläht: Ein Euro von 1999 ist heute nur noch ungefähr 0,29 Euro wert

Jüngst wurde die statistische Berechnung des Warenkorbs verändert – die Preistreiber Wohnung, Wasser, Strom, Gas wurden niedriger gewichtet. Schwups, erscheint die Inflation weniger kritisch. Eine Analyse.
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Lebensmittel wurden teurer – doch wie viel war es wirklich?Foto: iStock
Von 7. März 2023

Ende Februar wartete das Statistische Bundesamt mit einer Sensationsmeldung in Form einer Art Beruhigungspille für die Bevölkerung auf. Das Internetportal der „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ titelte in diesem Zusammenhang am 22. Februar 2023 wie folgt: „Neuer Warenkorb: Inflation sinkt deutlich!“

Haben die Kritiker der lockeren Geldpolitik wieder einmal übertrieben, alles ist gar nicht so schlimm und die Institutionen haben die Lage im Griff? 

Statistische Akrobatik

Interessant wird es, wenn man sich einmal die Mühe macht und sich die Entwicklung der Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamtes ansieht. Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe wurden 2020 mit 233,06 Promille gewichtet, 2021 mit 253 Promille, 2022 mit 252,20 Promille und jetzt im Jahr 2023 nur noch mit 165 Promille.

Es liegt auf der Hand und ist gängige Praxis, dass die Preistreiber niedriger gewichtet werden, damit die Teuerungsrate auf Basis des Index sinkt.

Humoristisch betrachtet gleicht die Produktion des Ergebnisses einer kontrollierten Würfelaktion. Übrigens bezeichneten die „Deutschen Wirtschaftsnachrichten“ die Zusammenstellung des Warenkorbes bereits in einem Kommentar vom 24. April 2022 als eine „einzige Täuschung“.

Der Verbraucherpreisindex wurde durch das Statistische Bundesamt geändert. Hier die Ableitung: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Methoden/Downloads/hvpi-gewichtung.pdf?__blob=publicationFile Foto: Screenshot (ET) aus dem Statistisches Bundesamt

Die sorgsam orchestrierte Propagandaaktion rund um die aktuelle Veränderung des Warenkorbes erfuhr am Montag, dem 27. Februar 2023 eine Art Abrundung. Auf dem Webportal des Nachrichtensenders ntv wurde eine Meldung aus dem Kanzleramt zitiert.

Die konzertierte Aktion sei ausgesetzt und die Inflationskrise nun überwunden. Begleitet wurde diese Meldung von Prognosen im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen der Teuerungsrate. Man geht von einer sich abschwächenden Teuerungsdynamik aus.

Dabei ist der Interessenskonflikt offensichtlich. Der Staat ist vornehmlich der Akteur, der die Geldmenge durch neue Kreditaufnahme aufblähen lässt. Die Staatslenker benötigen liquide Mittel, um beispielsweise Rüstungsgüter zu kaufen oder aber den Haushalt im Allgemeinen und andere staatliche „Wohltaten“ zu finanzieren. 

Die breite Masse der Bevölkerung lässt sich erheblich täuschen, wenn es um Herabsetzung der Kaufkraft und das Ausmaß dieser durchweg finanzrepressiven Vorgänge geht. Ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Inflationsdefinition und -diskussion ist notwendiger denn je. Es gilt klar zu differenzieren zwischen Geldmengenwachstum (Inflation) und Teuerung (Kaufkraftminderung).

Ein Euro von 1999 entspricht heute 0,29 Euro

Inflation (inflare = aufblähen) bezeichnet das Aufblähen der Geldmenge. Von 1999 bis Ende 2022 wurde die Geldmenge im Euroraum von 4.667 Milliarden Euro auf über 16.000 Milliarden (Faktor 3,4)  durch Kreditausweitung (vornehmlich zusätzliche Staatsverschuldung) aufgebläht.

Ausdruck dieser Geldverschlechterung ist: ein Euro von 1999 hat heute nur noch den rein quantitativen Tauschwert von ungefähr 0,29 Euro (1 Euro geteilt durch 3,4). 

Die gestiegene Geldmenge wird nachfragewirksam: In der Folge kommt es in den Gütermärkten, in denen das neu geschaffene Geld für zusätzliche Nachfrage sorgt, zu Verknappungen. Auf Basis dieser Angebotsverknappung resultiert dann ein geringerer Tauschwert für das Geld. Die Preise, gerechnet in Euro, steigen. Sie benötigen also mehr Euro, um das entsprechende Gut zu kaufen.

Zum Jahresstart 1999 musste man beispielsweise rund 345 Euro im Tausch gegen eine Unze Gold aufwänden. Heute sind über 1.700 Euro (fast Faktor 5) notwendig, um eine Unze Gold zu erhalten. Gerechnet in Gold wurde somit der Tauschwert um ungefähr 80 Prozent herabgesetzt. Steigende Quantität des Geldes vermindert dessen Qualität und das manifestiert sich in Form des rückläufigen Tauschwertes.

Preise sind relativ und richten sich nach der Knappheit

Preise bestimmen übrigens entgegen der weitläufigen Annahme nicht den Wert eines Gutes. Ein Preis ist das höchst subjektive und individuell unterschiedliche Werturteil eines jeden einzelnen Menschen. Einem Menschen ist ein teures Auto einige zehntausende Euro oder mehr wert, dem anderen Menschen eben nicht.

Preise bilden sich auf Basis von Marktphänomenen und im Rahmen des freiwilligen Tausches. Es sind Tauschpreise, die sich immer auch lediglich auf die Vergangenheit beziehen und nichts über die Zukunft aussagen. Insofern sind Prognosen mit Blick auf Preisentwicklungen höchst unseriös und wissensanmaßender Natur.

Gerade die Tauschpreisentwicklung von Euro gegen Gold sollte augenöffnend wirken. Preise sind relativ und zeigen die sich permanent wandelnden Knappheitsverhältnisse an. Das Werturteil und somit der am Markt zustande gekommene Austauschpreise steht und fällt mit der Knappheit eines Gutes, und zwar in Relation (Tauschrelation) zu einem anderen Gut.

Statistische Illusion versus Realität

Die Differenzierung zwischen Geldmengenwachstum (Inflation) und Minderung der Kaufkraft (Teuerung) ist im öffentlichen Meinungsbild überhaupt nicht präsent. Gemeldet und diskutiert wird ausschließlich das, was vom Statistischen Bundesamt, der EZB oder von Eurostat veröffentlicht wird.

Diese Zahlen basieren auf dem schon thematisierten Verbraucherpreisindex. Weder die Quantität der Geldmenge noch die Preise für Vermögensgüter (Immobilien, Aktien usw.) finden Berücksichtigung. Darüber hinaus ist die Zusammensetzung des Indexes höchst subjektiv und der willkürlichen Veränderung sind Tür und Tor geöffnet. Jeder Mensch hat zudem andere Konsum- und Investitionsneigungen und folglich eine andere individuelle Teuerungsrate.

Nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde die Berechnungsgrundlage für die Errechnung der Teuerungsraten immer wieder erheblich verändert. Auf Basis der Methodik der 1980er-Jahre läge die Teuerungsrate in den USA um ungefähr 5 Prozent höher als die letzten Jahre veröffentlicht wurde. Die Motivlage ist klar.

Politik und Inflation

Politiker sind nicht unbedingt gut darin, kaufmännisch solide zu wirtschaften. Ohne die schier unendliche Kreditgeldschöpfung und die sogenannte monetäre mandatsferne Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank wäre das Spiel längst vorbei.

Auf Basis einer marktwirtschaftlichen Ordnung wären die Länder der Eurozone bereits vor einigen Jahren zahlungsunfähig geworden. Und jeder Euro zusätzliche Staatsschuld erweitert, wie bereits ausgeführt, die Geldmenge und setzt die Qualität des Geldes in Form der Kaufkraftminderung (Tauschwert gegen andere Güter sinkt) herab.

Die als Inflationsregime zu bezeichnenden Abläufe sollen in Form einer „Whatever it takes Mentalität“ ohne Rücksicht auf Verluste Fortsetzung finden. Insofern liegt ein klarer Interessenskonflikt vor. Sowohl in Bezug auf Politik und Notenbank, als auch mit Blick auf die staatlichen Statistiker der entsprechenden Ämter. Die Kundschaft, also das Wahlpublikum soll stimmungstechnisch bei Laune gehalten werden und so braucht es Meldungen, die den Anschein erwecken lassen, man hätte die Lage geldpolitisch im Griff. 

Inflation seit 1999: 242 Prozent 

Seit Aufsetzung des Eurosystems im Jahre 1999 bis Ende 2022 wurde vom Statistischen Bundesamt kumuliert eine Teuerungsrate (bezeichnet wird es offiziell als Inflationsrate) in Höhe von 41,2 Prozent veröffentlicht. Die Inflation, also die Aufblähung der Geldmenge, fiel mit etwas über 242 Prozent deutlich höher aus. Das Täuschungsdelta von etwa 200 Prozent ist schon erheblich. Auch wenn es natürlich rein quantitativ anzusehen ist und nichts über Preissteigerungen in einzelnen Gütermärkten aussagt.

Schon seit einigen Jahren sind die Auswirkungen der Politik des hemmungslosen Gelddruckens für die Mittelschicht spürbar. Die Häuserpreise sind im Zuge der Geldschwemme deutlich dynamischer als die Einkommen gestiegen. Ergo kann sich der Durchschnittslohnbezieher kaum noch Wohneigentum leisten. Einige Menschen und auch diejenigen, die ihren wohlverdienten Ruhestand genießen wollten, sind kaum mehr in der Lage ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Staatliche Kostentreiber, wie zum Beispiel die Einführung der CO2-Besteuerung oder die Erhöhung der Grundsteuer, entfalten zusätzlich ihre negative Wirkung.

Die von den Menschen „gefühlten und erlebten persönlichen Preissteigerungsraten“ weichen extrem von den veröffentlichten ab. Es ist ratsam, von den bislang etablierten Methoden zu Messung der Kaufkraftveränderung Abstand zu nehmen.

Es handelt sich um beliebig veränderbare und politisch motivierte statistische Illusionen, mit dem Zweck eine lockere Geldpolitik zur Staatenfinanzierung zu rechtfertigen. Die Existenz eines Preisniveaus ist zudem entschieden zurückzuweisen. Preise ändern sich immer in unterschiedlichem Maße. Es gibt immer Preise, die sich schneller ändern, schneller steigen oder fallen als andere Preise.

Eine statistische Erfassung ist schlichtweg unmöglich. Hingegen bietet die mengenmäßige Entwicklung der Geldmenge, zumindest Stand heute, ein unverfälschtes Bild über die Qualität und den quantitativen Tauschwert des Geldes.

Über den Autor

Benjamin Mudlack ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Wirtschaftsinformatiker. Er ist Vorstandsmitglied der Atlas Initiative, Mitglied der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und begleitet aktiv einige andere freiheitliche Projekte, wie zum Beispiel das Free Economic Forum und den YouTube-Kanal „Der ökonomische IQ“. Im November 2021 veröffentlichte er das Buch Geldzeitenwende: Vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“.



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