Folgenreiches Paradoxon
Studie: Hochwasserdämme können Überschwemmungen begünstigen
Dämme sind dafür gebaut worden, um Mensch und Umwelt vor starken Überschwemmungen zu schützen. US-amerikanische Forscher zeigen jedoch, dass die Form des Wasserschutzes eine entscheidende Rolle bei der Effizienz spielt.

Richtig gebaut können Dämme gegen Sturmfluten und Überschwemmungen schützen.
Foto: tifonimages/iStock
Die gängige Praxis, Dämme zu bauen, um Überschwemmungen zu verhindern, kann zu intensiveren Hochwasserereignissen an den Küsten beitragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter der Leitung von Steven Dykstra von der University of Alaska Fairbanks, USA.
Dykstra und seine Kollegen untersuchten die Auswirkungen von Dämmen, die in küstennahen Flussmündungen gebaut werden – eine Schnittstelle, an der Flüsse und Meeresgezeiten aufeinandertreffen.
Jene massiven Infrastrukturprojekte erfreuen sich weltweit zunehmender Beliebtheit, unter anderem, um häufige Stürme, das Eindringen von Salz und das Absinken der Landmassen auszugleichen. Doch dies scheint nicht immer so erfolgreich zu sein.
Dämme mit Badewanneneffekt
Im Fall des Hafens von Charleston in South Carolina, USA, konnten die Forscher dank 100 Jahre Daten zeigen, dass Küstendämme die Überschwemmungen abschwächen, aber nicht müssen. Springender Punkt und entscheidender Faktor sei dabei die Dauer einer Sturmflut und die Reibung des Wasserstroms.
„Normalerweise gehen wir davon aus, dass Sturmfluten landeinwärts kleiner werden. Die Form des Beckens kann aber tatsächlich dazu führen, dass sie größer werden“, erklärt Steven Dykstra.
Breite Flussmündungen, sogenannte Ästuare, haben normalerweise die Form eines Trichters, der sich landeinwärts verengt. Durch einen Damm wird das Ästuar durch eine künstliche Wand verkürzt, die die landeinwärts laufenden Sturmflutwellen reflektiert.
Die sich verengende Kanalform führt auch zu kleinen Reflexionen, die sich mit der Dauer der Sturmflut verändern. Dykstra verglich diese sturmbedingten Wellen mit dem Wasser in einer Badewanne, wobei bestimmte Bewegungen und Wellenfrequenzen das Wasser über die Seiten schwappen lassen.
Weit ins Innere reichende Fluten
Ausgehend vom Hafen in Charleston untersuchten die Forscher mithilfe von Computermodellen die Hochwasserreaktion an 23 anderen Flussmündungen in verschiedenen geografischen Gebieten. Diese umfassten sowohl gestaute als auch natürlich entstandene Ästuarsysteme.
Die Modelle bestätigten, dass die Form des Beckens und die durch Dämme verursachten Veränderungen die Schlüsselkomponenten dafür sind, wie sich Sturmfluten und Gezeiten landeinwärts bewegen. Bei der richtigen Amplitude und Dauer nehmen die Wellen in gestauten Gebieten zu anstatt ab.
Letztlich seien nicht nur die Städte und Infrastrukturen in unmittelbarer Nähe zu den Dämmen bedroht, sondern auch weitere landeinwärts. In der Gegend von Charleston traten die höchsten Sturmfluten regelmäßig mehr als 80 Kilometer landeinwärts auf.
„Eines der beängstigenden Dinge ist, dass die Menschen manchmal gar nicht merken, dass sie sich in einem von der Küste beeinflussten Gebiet befinden“, sagte Dykstra abschließend.
Die Studie erschien am 11. September 2024 im Fachmagazin „Journal of Geophysical Research: Oceans“.

Dipl.-Ing. Tim Sumpf studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Als Ressortleiter „Wissen“ und Statistiker des Hauses berichtete er neben den genannten Themen auch über Klima, Forschung und Technik.
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