„Süddeutsche“: China wird zur Digital-Diktatur – totale Überwachung durch Corona-App

Das Regime in Peking hat die Corona-Krise genutzt, um seine Politik der totalen digitalen Überwachung landesweit auszubauen. Unternehmen wie Huawei oder Hikvision nutzen dazu Erfahrungen aus Unruheprovinzen. Ein SZ-Korrespondent schildert die App-Diktatur in China. 
Titelbild
Mehrere Personen in Peking, China, scannen einen Code, der zum Nachweis ihres Gesundheits- und Reisestatus erforderlich ist, bevor sie am 2. Mai 2020 ein Einkaufszentrum betreten dürfen.Foto: GREG BAKER/AFP via Getty Images
Von 22. Mai 2020

In einer Reportage aus Peking schildert der Korrespondent der „Süddeutschen“, Christoph Giesen, wie zunehmend eine Überwachung das Leben der Menschen unter dem KP-Regime prägt, die alle Lebensbereiche umfasst. Im Zeichen der Corona-Krise verkauft die Führung der Bevölkerung die totale Kontrolle und Überwachung als Ausdruck einer garantierten Sicherheit.

Diese Kontrolle beginne bereits in gewöhnlichen Alltagssituationen. Es könne passieren, dass bereits der Einkauf beim Bäcker oder der Gang zur Bank an einer geringfügig erhöhten Körpertemperatur scheitert, die beim Vorzeigen einer obligatorischen App zum Vorschein kommt. Diese wird von Hotels ebenso kontrolliert wie bei Polizeikontrollen.

Über die Corona-App von der üppigen zur totalen Überwachung

Grüne Schriftzeichen zeigen an, dass man „keinen abnormalen Zustand“ aufweist. Gelb steht für eine Empfehlung, zur Beobachtung zu Hause zu bleiben und Rot kommt einer bestätigten Corona-Infektion gleich – obwohl es offiziell keine Neuinfektionen mehr gibt. Die Treffsicherheit der App gäbe häufig Rätsel auf, schildert der Korrespondent. Häufig wichen ihre Einschätzungen voneinander ab. Die Frage, ob Probleme an der App selbst liegen könnten, werde kaum beantwortet – die Kundendienstnummer sei ständig besetzt.

Die erste Version der App sei bereits im Februar entwickelt worden. Sie sollte vor allem für Personen gelten, die aus Wuhan stammten oder die Stadt besucht hatten. Verknüpft war das digitale Gesundheitszertifikat mit Alibaba-Bezahldienst Alipay oder mit dem Messenger WeChat.

Die Tracing-App geht weit über die bislang kühnsten Vorschläge europäischer Politiker hinaus. Sie kenne Namen, Passnummer, Foto und weiß sogar, wo man auf welchem Platz in einem Schnellzug gereist sei und wie oft man einen Corona-Test gemacht habe.

„Die Corona-Krise hat die Führung in Peking genutzt, um die ohnehin schon recht üppige Überwachung in China noch einmal kräftig auszubauen auf dem Weg zur Digitaldiktatur“, diagnostiziert Giesen.

Erst die Internetzensur, nun hat sich das ganze Land eine Überwachungsapp auf dem Handy installiert. Bis vor ein paar Wochen wäre das noch undenkbar gewesen, wobei man es hätte ahnen können.“

Chinas Regime-Günstlinge entwickeln die dazugehörige Technologie

Die massiven Repressionskampagnen gegen religiöse Minderheiten scheinen eine Blaupause gewesen zu sein für ein umfassendes Kontrollregime gegenüber allen Bürgern des Landes. Nicht nur christliche Kirchen sahen eines Tages die Eingänge zu ihren Gottesdienststätten mit Kameras ausgestattet – unter anderem mit Gesichtserkennungsfunktion. Tibet und die stark muslimisch geprägte Provinz Xinjiang wurden zu großflächigen Testlabors. Eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung der Überwachungsmaßnahmen hatten Technologieunternehmen wie Hikvision oder Huawei. Bei Gesichtserkennung und Künstlicher Intelligenz greift das Regime ebenfalls auf Eigenbau zurück: Spezialist dafür ist das 2014 gegründete Unternehmen Sensetime.

Neben Überwachungsdrohnen und Gesichtserkennungssoftware spielte dort schon seit langem Spyware eine bedeutende Rolle. Einige Apps mussten verpflichtend installiert werden, damit bei Polizeikontrollen nachvollzogen werden konnte, welche Seiten man besucht und welche Videos man gesehen hatte. Vor dem Benzinkauf war ein Gesichtsscan vorgeschrieben. Wer verbotene Apps wie den verschlüsselten Messenger WhatsApp geladen hatte, musste mit der Deportation ins Umerziehungslager rechnen.

„Ziele sind vorauseilender Gehorsam und Selbstzensur“

Giesen verweist auf den Anthropologen und Xinjiang-Experten Adrian Zenz, der den stetig ausgebauten Überwachungsstaat mit den Worten beschrieb:

Ziel ist der vorauseilende Gehorsam der Bürger, die Internalisierung der Kontrolle, die Selbstzensur.“

Nun scheint man vonseiten des Regimes zuversichtlich zu sein, mithilfe der umfassenden digitalen Kontrolle eine sich selbst regulierende Gesellschaft schaffen zu können, in der sich sogar am Polizeiapparat sparen ließe:

Ich weiß, dass ich überwacht werde, also verhalte ich mich regelkonform. Und wem der Staat nicht traut? Ein Klick im Rechenzentrum genügt künftig, schon zeigt die App Gelb statt Grün an. Keine Reisen mehr, keine Restaurantbesuche, sondern Hausarrest.“

Chinas KP diktiert neuen „Gesellschaftsvertrag“

Auch sonst gehe man kein Risiko ein: Die Grenzen bleiben weitgehend dicht, nur etwa 20 ausländische Flüge erreichen täglich China, das Verlassen von Städten ist an App-gebundene Anträge gebunden, die Rückkehr mit Quarantäne verbunden.

Die KP habe auf diese Weise dem Volk einen neuen „Gesellschaftsvertrag“ diktiert, meint Giesen. Bis Ende Januar habe der Deal gelautet, die Führung sorge für dynamisches Wirtschaftswachstum, im Gegenzug stelle niemand die Politik infrage. Nun ist es mit dem Wachstum vorbei – dafür verspricht das Regime jedoch totale Sicherheit. Selbstredend ohne den Bürgern dazu zu raten, das System auf die Probe zu stellen.

 

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