Bevor Erschöpfung zum Dauerzustand wird: Fünf Anzeichen und Tipps zur Vorbeugung
Müde, erschöpft, ausgebrannt – wo endet normale Erschöpfung und wo beginnt Burn-out? Die Unterscheidung ist entscheidend, um rechtzeitig gegenzusteuern.
0
Link kopieren
Kurzfristige Erschöpfung ist ein Warnsignal des Körpers, etwa bei Übermüdung. Dauert der Zustand an, kann er zu Burn-out und Depressionen führen.
Mehr als jeder dritte Deutsche zeigt Symptome von chronischer Erschöpfung oder Burn-out.
Kurzfristige Erschöpfung erfüllt eine Schutzfunktion für den Körper, langfristig kann sie zu Depressionen führen.
Symptome und Definition sind nicht immer eindeutig, aber es gibt klare Unterschiede.
Wer die Anzeichen erkennt, kann frühzeitig gegensteuern und seine seelische Gesundheit langfristig verbessern.
Erschöpftsein kennt jeder. Nach einer intensiven Arbeitswoche, einer langen Reise oder familiären Belastungen fühlen wir uns müde, antriebslos und sehnen uns nach Ruhe. In den meisten Fällen verschwinden diese Symptome, sobald wir uns ausreichend erholt haben. Doch manchmal wird aus der vorübergehenden Erschöpfung ein anhaltender Zustand – bis hin zum Burn-out.
Die Grenze zwischen beiden ist nicht immer leicht zu ziehen. Dennoch ist sie entscheidend: Wer rechtzeitig erkennt, wann Erholung nicht mehr ausreicht, kann gezielt gegensteuern und langfristige seelische wie körperliche Schäden verhindern.
Als Auftakt einer Artikelreihe über die seelische Gesundheit am Arbeitsplatz und im Privatleben beleuchtet der Autor im Folgenden Ursachen, Symptome und die feine Grenze zwischen Erschöpfung und Burn-out und zeigt Wege, wie wir unsere seelische Gesundheit langfristig schützen können.
Erschöpfung als Warnsignal des Körpers
Erschöpfung ist eine natürliche Reaktion auf Belastung. Sie kann körperlich, emotional oder geistig auftreten, oft auch in Kombination. Die Ursachen sind vielfältig: intensive Arbeitsphasen, Schlafmangel, familiäre Verpflichtungen, Krankheitsphasen oder emotionale Ausnahmesituationen.
Typische Anzeichen sind Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Reizbarkeit und ein erhöhtes Ruhebedürfnis. Der entscheidende Punkt: Erschöpfung ist in der Regel reversibel. Mit ausreichend Schlaf, Entlastung und gesunder Lebensweise kehrt die Energie oft zurück.
Kurzfristige Erschöpfung erfüllt sogar eine Schutzfunktion. Sie zwingt uns, innezuhalten und neue Kraft zu tanken. Ignorieren wir dieses Signal jedoch dauerhaft, kann daraus eine chronische Überlastung entstehen – ein möglicher Nährboden für Burn-out.
Burn-out – mehr als nur „erschöpft“
Laut Daten der Barmer-Krankenkasse leiden in Deutschland rund 37 Prozent der Menschen an Burn-out-Symptomen. Im Gegensatz zur Depression, die als eigenständige Krankheit mit klar definierten Diagnoseschlüsseln gilt, wird Burn-out in der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) lediglich als Zusatzdiagnose unter der Bezeichnung Z73 „Probleme bei der Lebensbewältigung inklusive Ausgebranntsein“ geführt.
Der Begriff selbst wurde in den 1970er-Jahren von Herbert Freudenberger geprägt und beschreibt heute nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein „syndromales Ergebnis von chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt wurde“.
Auch in der seit 2022 gültigen ICD-11 bleibt Burn-out damit ein „Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst“, wird jedoch präziser beschrieben und künftig ausschließlich auf berufliche Zusammenhänge beschränkt. Die WHO stuft Burn-out damit nicht als Krankheit, sondern als Risikofaktor für Erkrankungen wie Depression oder Sucht ein.
Typischerweise entwickelt sich Burn-out in mehreren Phasen der emotionalen Erschöpfung und kann im Endstadium zu einer Depression führen. Burn-out ist also kein kurzzeitiger Zustand, sondern ein komplexer Prozess, der sich oft über Monate oder Jahre entwickelt. Er umfasst drei Hauptdimensionen:
Emotionale Erschöpfung: das Gefühl, innerlich ausgebrannt zu sein
Innere Distanz/Depersonalisierung: Zynismus, Gleichgültigkeit, Entfremdung von der Arbeit oder dem sozialen Umfeld
Reduzierte Leistungsfähigkeit: das Gefühl, nicht mehr das leisten zu können, was früher selbstverständlich war
Wo liegen die Grenzen?
Im Unterschied zur Erschöpfung verschwindet Burn-out nicht durch ein paar freie Tage oder ein erholsames Wochenende. Betroffene haben oft das Gefühl, dass selbst kleine Aufgaben überfordern. Hinzu kommen körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Probleme und ein geschwächtes Immunsystem.
Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig, aber es gibt klare Unterschiede:
Wo hört Erschöpfung auf und wo beginnt Burn-out? Fünf Anzeichen für die Unterscheidung.
Foto: ger/Epoch Times nach Markus Heuser-Langer
Ein weiterer wichtiger Unterschied: Erschöpfung ist oft eine Momentaufnahme, Burn-out ein Endpunkt einer längeren Entwicklung.
Ursachen zunehmend im Fokus
Auch Unternehmen befassen sich zunehmend mit dem Thema. Laut einer Studie des McKinsey Health Institute haben Firmen seit der Corona-Krise verstärkt Maßnahmen zur Vorbeugung von Burn-out ergriffen, denn letztlich profitiert auch der Arbeitgeber davon. Gesunde Mitarbeiter sind tendenziell effizienter, innovativer und ausgeglichener. Es liegt also im natürlichen Interesse der Unternehmen, die Risiken zu minimieren.
Als zentrale Faktoren gelten dabei toxische Arbeitsumgebungen, unklare Rollenverständnisse sowie soziale Ausgrenzung oder Mobbing. Besonders häufig Burn-out-Symptome zeigen zudem Beschäftigte, die nicht wissen, was von ihnen erwartet wird. Schützend wirken dagegen ein klarer Aufgabenbezug, das Gefühl sinnvoller Arbeit sowie die Möglichkeit, Ideen und Einwände einzubringen.
Auch die Arbeitsumgebung spielt eine Rolle. Während 36 Prozent der Beschäftigten, die ausschließlich in Präsenz arbeiten, Burn-out-Symptome aufweisen, sind es bei Mitarbeitern, die an ihrem bevorzugten Arbeitsort tätig sind, nur 21 Prozent.
Fünf Anzeichen von Burn-out
Viele Betroffene erleben zunächst Phasen starker Erschöpfung, aus denen sie sich zunehmend schlechter erholen. Warnsignale für diesen Übergang sind unter anderem:
Regelmäßiges Gefühl, „nie genug zu schaffen“
Verlust von Freude an Tätigkeiten, die früher Spaß gemacht haben
Zunehmende emotionale Abstumpfung
Anhaltende körperliche Beschwerden ohne klare medizinische Ursache
Rückzug aus sozialen Kontakten
Wer diese Signale ignoriert, riskiert, dass aus einer behandelbaren Überlastung ein langwieriger Erschöpfungszustand mit tiefgreifenden psychischen Folgen wird.
Erkennen und eingreifen
Sowohl Erschöpfung als auch Burn-out lassen sich am besten vermeiden, wenn wir frühzeitig reagieren, beispielsweise durch:
Selbstbeobachtung: regelmäßig innehalten und den eigenen Energiepegel reflektieren
Grenzen setzen: Arbeitszeiten einhalten, Pausen ernst nehmen, lernen, „Nein“ zu sagen
Achtsamkeit und Resilienz üben: etwa durch Meditation, Atemübungen oder andere Entspannungstechniken
Sich Hilfe suchen: frühzeitig Gespräche mit Ärzten, Therapeuten oder vertrauten Personen führen
Auch wenn die Grenzen bereits überschritten sind, lässt sich aktiv gegensteuern. Bei Erschöpfung reichen oft gezielte Pausen, eine temporäre Reduzierung von Verpflichtungen und gesunde Lebensgewohnheiten, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Burn-out hingegen erfordert meist professionelle Unterstützung. Dazu gehören Psychotherapie, medizinische Begleitung, manchmal auch eine berufliche Auszeit oder Rehabilitationsmaßnahmen. Entscheidend ist, den Auslösern auf den Grund zu gehen und nicht nur die Symptome zu behandeln. Über die Auslöser kommt man an die Behebung der Ursache.
Erschöpfung ist ein wichtiges Warnsignal, das uns zur Ruhe mahnt. Burn-out hingegen ist ein ernstes Syndrom, das aus anhaltender Überlastung entsteht und tief in unser emotionales, kognitives und körperliches Gleichgewicht eingreift.
Die Grenze verläuft oft schleichend, doch wer aufmerksam auf seinen Körper und seine Psyche hört, kann rechtzeitig gegensteuern. In einer Welt, die ständige Leistung fordert, ist es ein Akt der Selbstfürsorge, diese Signale ernst zu nehmen. Denn Erholung ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für langfristige Gesundheit.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
Markus Heuser-Langer studierte Physik an der Universität Essen-Duisburg. Nach Führungstätigkeiten im IT-Bereich bildete er sich im erziehungswissenschaftlichen Bereich weiter und ist seit 2015 Oberstudienrat eines Berufsbildungszentrums. Vier Jahre später begann er seine psychotherapeutische Weiterbildung im Bereich der Heilpraktik. Heute ist Heuser-Langer zertifizierter Gesprächspsychotherapeut, Verhaltenstherapeut und Mediator. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten in seiner seit 2023 bestehenden Privatpraxis zählen Behandlung von Depressionen, Ängsten, Anpassungsstörungen, der Umgang mit Trauer sowie Paartherapie und gezieltes Führungskräftecoaching unter anderem im Bereich Burnoutprävention und Stressresilienz. Sein Wissen gibt er in Seminaren weiter. das-leben-in-worten.de