In Kürze:
- Neue Überwachungskameras: Seit 1. September überwachen 69 Kameras aus chinesischer Produktion zentrale Plätze in Hamburg.
- Verborgene Funktionen: Behörden nutzen offiziell nur Bewegungserkennung, doch Gesichtserkennung und Tracking sind integriert.
- Weltweite Kritik am Einsatz der Technik: Das EU-Parlament ließ Hikvision-Kameras 2021 wegen Menschenrechtsverletzungen entfernen.
In Hamburg sind seit 1. September 2025 neue Überwachungskameras im Einsatz, die das Stadtbild an zentralen Orten wie Hansaplatz, Hachmannplatz, Reeperbahn und Jungfernstieg prägen. Insgesamt sind nach Angaben der Senatsverwaltung Hamburg 69 Kameras eingesetzt. Die Geräte stammen vom chinesischen Hersteller Hikvision, einem halbstaatlichen Unternehmen, dem weltweit größten Anbieter von Videoüberwachungstechnik. Offiziell sollen die Systeme in Hamburg lediglich eine KI-gestützte Bewegungserkennung ermöglichen, wie
netzpolitik.org berichtet.
Mehr Technik, als erlaubt ist
Die eingesetzten Modelle sind technisch hoch entwickelt. Sie verfügen über die Fähigkeit zur Gesichtserkennung, können biometrische Daten analysieren, Bewegungen einzelner Personen oder Gruppen verfolgen, über große Entfernungen zoomen und selbst in der Nacht klare Bilder liefern. In Hamburg wird somit ein System eingebunden, das technisch deutlich mehr leisten kann, als aktuell erlaubt ist. Zwar seien Funktionen wie Gesichtserkennung oder Bewegungstracking nach Angaben der Behörden derzeit deaktiviert, doch sobald die Systeme installiert sind, bleibt das Potenzial für einen deutlich weitergehenden Gebrauch stets vorhanden.
Hinter dieser Technik steht ein Konzern, der eng mit dem chinesischen Staat verbunden ist. Hikvision, offiziell Hangzhou Hikvision Digital Technology, wurde 2001 gegründet und gehört mehrheitlich der staatlichen China Electronics Technology Group Corporation. Mit einem Umsatz von über 12 Milliarden Euro im Jahr 2024 ist Hikvision der weltweit größte Überwachungshersteller und beliefert mehr als 150 Länder. Die Nähe zur chinesischen Regierung sowie die Rolle des Unternehmens in sicherheits- und militärpolitischen Projekten machen Hikvision zu einem geopolitischen Faktor.
Chinesische Überwachungstechnik im internationalen Einsatz
Besonders stark wird Hikvision wegen seiner Rolle in der chinesischen Provinz Xinjiang kritisiert. Dort wurden Kameras und Software des Unternehmens eingesetzt, um die muslimische Minderheit der Uiguren systematisch zu überwachen. Dem Unternehmen wurde hier Racial
Profiling vorgeworfen, ebenso wurde die Technik eingesetzt zum Signalisieren von ungenehmigten Versammlungen und politischen Aktivisten.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International
dokumentiert darüber hinaus, dass die Produkte des Unternehmens unter anderem in Ostjerusalem verwendet werden, um palästinensische Wohngebiete zu überwachen.
Die US-Regierung setzte Hikvision bereits 2019 auf eine Sanktionsliste und untersagte den Einsatz seiner Produkte in kritischen Infrastrukturen. Großbritannien verbot den Einbau in Regierungsgebäuden, Australien entfernte die Geräte aus Ministerien und militärischen Einrichtungen. Der norwegische Staatsfonds
beendete Investitionen mit
Verweis auf ethische Bedenken.EU kritisiert und entfernt, Hamburg installiert
Auch auf EU-Ebene steht die Debatte um biometrische Überwachung weit oben auf der Agenda. 2021 ließ das europäische Parlament Kameras von Hikvision aufgrund von Menschenrechtsbedenken aus seinen Gebäuden entfernen. Bereits im Dezember 2020 hatten die
Abgeordneten in einer Entschließung die Lage der Uiguren thematisiert und auf Zwangsarbeit, Internierung und umfassende Überwachung in Xinjiang hingewiesen. Der Beschluss fordert, dass europäische Politik nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf menschenrechtliche Aspekte Rücksicht nehmen müsse.
Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen nach dem Einsatz der chinesischen Überwachungstechnik in Deutschland. Epoch Times wollte von der Senatsverwaltung Hamburg Folgendes wissen:
- Aus welchen Gründen fiel die Entscheidung auf den Hersteller Hikvision, obwohl international dokumentierte menschenrechtliche Bedenken bestehen?
- Welche Kriterien (z. B. Funktionalität, Kosten, Integration in bestehende Systeme) waren ausschlaggebend für die Auswahl?
- In welchem Umfang wurde bei der Beschaffung eine Bewertung möglicher Menschenrechtsrisiken vorgenommen?
- Welche technischen und organisatorischen Maßnahmen wurden getroffen, um die Systeme abzusichern und einen Datenabfluss auszuschließen?
- War ein Vergleich mit alternativen Herstellern Teil der Entscheidung – und falls ja, warum haben diese nicht den Zuschlag erhalten?
- Welche Verantwortlichkeiten bestehen für die Deaktivierung der sensiblen Funktionen (z. B. Gesichtserkennung)?
Ob bei der Vergabe auch menschenrechtliche Bedenken eine Rolle spielten oder alternative Anbieter geprüft wurden, ist nicht transparent gemacht worden.