Einjährige im Smartphone-Hype: Wie sich der digitale Fortschritt auf Kinder auswirkt

Über welch einen Erfahrungsschatz kann ein Kind verfügen, dass nur auf einen Bildschirm schaut? Welche Verknüpfungen können sich bilden, wenn es seine Umgebung nicht ertastet, sondern per App entdeckt? Robert Stein, Moderator bei NuoViso TV, über seine Beobachtungen in einem Restaurant.
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Ein Kleinkind unter Smartphone-Entzug.Foto: iStock
Von 8. Oktober 2019

Smartphones, iPhones, Tablets. Längst sind die alten Handys überholt. Das digitale Zeitalter ist allgegenwärtig. Im Schulbus wird nicht mehr geredet, sondern Nachrichten gescheckt: Was läuft bei WhatsApp und Instagram? Wie wird das Wetter? Ein Klick auf die passende App verrät es. In einigen Supermärkten zückt manch einer schon sein Smartphone zum Bezahlen.

Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, hat in Wirklichkeit gravierende Konsequenzen, wie Robert Stein, Moderator bei NuoViso TV, berichtet. Als er vor kurzem mit Freunden ein Restaurant besuchte, wurde er „regelrecht umgehauen“. „Mir blieb echt der Mund offen stehen“, sagte Stein. Denn das, was sich vor seinen Augen abspielte, war für ihn unfassbar.

Ein kleines Mädchen betrat mit seiner Familie das Lokal. Die etwa Einjährige war auf dem Arm ihrer Oma, die „wie ganz selbstverständlich“ ein eingeschaltetes Smartphone vor das Baby hielt.

Als das Mädchen in den Kinderwagen gesetzt werden sollte, machte es Alarm – und setzte sich erfolgreich durch. Oma zückte das Smartphone und hielt es der Kleinen vor die Nase. „Sofort war Ruhe, das Baby saß still und schaute Zeichentrickfilme an, Lautstärke volle Pulle, ich hab´s durch´s halbe Restaurant gehört. Und so wie dieses Kind reagiert hat, war es so offensichtlich, dass es ständig dieses Smartphone zu sehen bekommt“, beschreibt Stein die Situation.

Doch das war erst der Anfang. Als der Moderator später erneut zu dem Tisch schaute, saß das Kind vor dem Smartphone, das an ein Glas Wasser angelehnt war. Im „Selbstunterhaltungsmodus“ schnitt das Mädchen Grimassen und winkte zum Bildschirm. Hin und wieder habe auch mal ein Erwachsener zu dem Kind geschaut und voller Verzücken geäußert: „Mei, wie süß sie das macht. So putzig.“ Bis Stein das Restaurant verließ, hat die Kleine nichts anderes gemacht, „als lustige Kindervideos zu schauen“.

Als Stein von diesem Vorfall in seiner Sendung berichtet, ist er noch immer fassungslos. Er betont:

Unser aller Leben hat sich massiv verändert, als 2007 das erste Smartphone auf den Markt kam. Niemand hätte wohl damals voraussehen können, welch extreme Auswirkungen diese Technik auf uns Menschen haben könnte.“

Smartphone-Hype mit schweren Folgen

Grundsätzlich hat Stein nichts gegen Technik einzuwenden. Nur das Ausmaß, den sie einnimmt, sei mehr als bedenklich. „Egal wo man mehrere Leute sieht, die meisten glotzen auf ihr Handy und verschwinden in ihrer eigenen Welt“, so der Moderator.

Seit Jahren würden Hirnforscher Alarm schlagen und vor den Gefahren von Smartphone & Co. warnen. Professor Manfred Spitzer ist einer von ihnen. Seine Forschungen hätten ihn zur Erkenntnis geführt:

Je früher ein Kind mit dieser Technik in Berührung kommt, desto weniger schlau wird es im Leben werden. Oder anders ausgedrückt: Smartphones machen blöd“, sagte Stein.

Warum? Weil Kinder erst einen gewissen Reifegrad erreichen müssten, um sich mit derartiger Technik zu beschäftigen, erklärte Stein. Bei der Entwicklung eines Kindes würde „jeder Handgriff, jeder Reiz, jeder Versuch aufzustehen oder einen Schritt zu gehen, eine Spur im Gehirn hinterlassen. Erst durch tausendfaches Wiederholen werden die Verschaltungen im Gehirn gebildet – ob beim Spielen, Basteln oder Entdecken.“

„Je mehr wir in dieser Welt mit unseren Händen anfassen, je mehr reale Dinge wir berühren und je mehr wir uns bewegen, desto mehr begreifen wir auch, desto besser wird das eigentliche Potenzial unseres Gehirns genützt“, hebt Stein hervor.

Und über welch einen Erfahrungsschatz kann ein Kind verfügen, dass nur auf einen Bildschirm schaut? Welche Verknüpfungen können sich bilden, wenn es seine Umgebung nicht ertastet, sondern per App entdeckt?

Zurück zum Altbewährten

Dass Technik beim Lernen eher hinderlich ist, hat man in der High-Tech-Hochburg Silicon Valley längst erkannt. In der Heimat von Google, Apple, Facebook, Microsoft, Amazon, Ebay und Yahoo setzt man laut „t3n“ auf IT-freies Lernen. Computer? Fehlanzeige! Waldorfschulen sind gefragt. An einer Tafel wird mit Kreide geschrieben. Und im Biologie-Unterricht werden die auf einem Lehrertisch liegenden Menschen- und Affenschädel mit den Händen entdeckt.

Schulleiter Pierre Laurent arbeitete früher für den Software-Giganten Microsoft. Sein Konzept: Mit wenig oder ohne digitale Technik lernen und „mit unseren Sinnen, mit Anfassen“. Er erläutert:

Es ist doch gefährlich, wenn Schüler nur noch auf einen Bildschirm starren und Lehrer nur als Tutoren hinter ihrem Rücken stehen.“

Im Nachbarort geht die sechsjährigen Macaria auf eine christliche Schule in Canterbury. Ihre Mutter kritisiert: „Es gibt Leute, die nur noch auf ihr Smartphone und iPad gucken und ihr Gegenüber nicht mehr anschauen. Wir bringen unseren Kindern bei, Bücher zu lesen und mit Leuten zu reden.“

Der Schulleiter dieser Schule schwärmt indes von alten Traditionen: Latein, Rechnen und Lesen – der gleiche Lehrplan wie bei der Gründung vor fast 50 Jahren. Hier werden Disziplin und menschliche Nähe noch großgeschrieben.

Trotz hoher Schulkosten sind die technikkritischen Privatschulen in Silicon Valley sehr beliebt. Je Klassenstufe kostet ein Jahr an der Schule Canterbury rund 6.000 Euro, die Walddorfschule sogar 30.000 Euro.

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