Anonymer Großeinkauf am Goldmarkt gibt Rätsel auf

Im 3. Quartal wurde auffällig viel Gold gekauft. Wer auch immer der anonyme Goldkäufer ist und was er damit vorhat – diese Investition in 300 Tonnen Edelmetall zeigt eines: Der Käufer setzt nicht auf die Stabilität des US-Dollars und das bestehende Währungssystem.
Titelbild
Als mutmaßliche Käufer werden China oder Russland gehandelt.Foto: iStock/ tvildanov
Von 20. Dezember 2022

Goldrausch auf dem Höhepunkt: Notenbanken kauften im dritten Quartal so viel Gold wie seit 1967 nicht mehr. Das „Handelsblatt“ spricht sogar von einem 300-Tonnen-Rätsel am Goldmarkt und fragt „Wer ist der anonyme Käufer?“

Identität nicht preisgegeben

Denn diese exorbitant hohe Goldmenge wurde anonym gekauft, die Käufer geben ihre Identität nicht preis. Und da man nicht weiß, wer hinter dem Großteil der Goldkäufe steckt, ist auch die Intention hinter dem Großeinkauf rätselhaft.

Was genau ist passiert? Laut World Gold Council kauften Notenbanken im Jahr 2022 zwischen Juli und November insgesamt knapp 400 Tonnen Gold. Circa drei Viertel dieser Käufe, also rund 300 Tonnen, wurden von Notenbanken gekauft, die in der Regel keine Auskunft über diese Goldkäufe geben. Dadurch bleiben die Käufer anonym. Und dadurch bleibt bis jetzt auch unklar, wer hinter diesem Goldkaufrausch steckt.

Die Anonymisierung einer so großen Menge löst weltweit Spekulationen aus. Als mutmaßliche Käufer werden am heißesten China oder Russland gehandelt. Des Weiteren stehen Käufer aus Richtung OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) zur Debatte oder auch Indien.

Für Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Edelmetallhandel Degussa Goldhandel GmbH, scheint eines klar: „Es sind vor allem nicht-westliche Zentralbanken, die Gold gekauft haben.“ Er vermutet zu deren Intention, dass „sie ihre Währungsreserven stärker diversifizieren wollen als bisher. Dabei wollen sie vor allem auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren.“

Laut Polleit hat das verschiedene Gründe: Zum einen schrecke die Inflation des US-Dollar ab. Zum anderen dürfte das „Einfrieren“ der russischen Währungsreserven durch die USA und ihre Verbündeten so mancher nicht westlicher Zentralbank verdeutlicht haben: US-Dollars sind nicht so sicher, wie es bisher den Anschein gehabt hat, sie könnten unter Umständen konfisziert werden. „Von daher“, so Polleit, „ist Gold eine umso attraktivere Diversifikationsmöglichkeit.“

China oder Putin im Goldrausch?

Laut „Wallstreet Online“ kommt China eher nicht infrage, obwohl es anfangs als Favorit im Mittelpunkt der Mutmaßungen stand. Aber dieser Verdacht scheint jetzt entkräftet. Grund dafür ist die Selbstauskunft der People’s Bank of China (PBoC).

Die chinesische Notenbank hat aktuelle Daten zu ihren Devisenreserven veröffentlicht, aus denen ersichtlich wird, dass sie nur im November Gold gekauft hat – und zwar „nur“ 32 Tonnen, und das außerdem erstmals wieder seit September 2019.

Das Resümee von „Wallstreet Online“: „Damit scheint China aus dem Rennen. Bemerkenswert ist allerdings der Umstand, dass sich die PBoC überhaupt zu Wort meldet – sonst gibt sie sich in ihrer Kommunikation stets bedeckt.“ Damit scheine es, als ob China die Welt wissen lassen möchte, dass der Parteistaat nicht hinter den 300 Tonnen stecke.

Stattdessen führt „Wallstreet online“ Putin als denjenigen ins Feld, der wohl am wahrscheinlichsten hinter dem Goldkauf stecken könnte. Dafür spreche, dass in westlichen Ländern Gelder und Devisen der russischen Notenbank eingefroren sind.

Deshalb können Putin und Co. mit ihren Milliardengewinnen aus Ölexporten im Moment nicht viel anfangen. Wie jeder – wenn er vom digitalen Geldverkehr abgeschnitten ist – wahrscheinlich froh wäre, wenn er noch ein paar Goldstückchen als Tauschmittel im Safe oder unterm Kopfkissen liegen hat, scheint es also durchaus schlüssig, dass Russland seine US-Dollar- und Euro-Devisen gegen physisches Gold eintauscht. Denn das kann nicht einfach sanktioniert werden.

Keine eindeutige Zuordnung – viele Indizien

Dr. Polleit von Degussa führt dahingehend aus, dass es seit Anfang Februar 2022 keine offiziellen Statistiken mehr über Währungsreserven in Russland gebe – einschließlich der Goldbestände. Klare Hinweise dafür, dass Russland in den vergangenen Monaten Gold gekauft habe, gibt es also nicht.

Begründete Vermutungen ließen das aber wahrscheinlich erscheinen, so der Chefvolkswirt des Edelmetallhändlers weiter. „Von den knapp 400 Tonnen, die die Zentralbanken im dritten Quartal 2022 weltweit gekauft haben, lässt sich nur ein vergleichsweise geringer Teil eindeutig zuordnen.“

Es sei zu bedenken, dass Russland weiter kräftig US-Dollar und Euro aus Öl- und Gasverkäufen verdienen würde, so Polleit weiter.

„Allein im September 2022 haben die Russen aus Ölexporten 15,3 Mrd. US-Dollar eingenommen. 200 Tonnen Gold kosten derzeit etwa 11 Milliarden US-Dollar. Und klar ist, dass die Russen mit US-Dollar, Euro & Co wenig anfangen können und einen Anreiz haben, Verkaufserlöse in diesen Fremdwährungen möglichst schnell einzutauschen – gegen zum Beispiel Renminbi, Türkische Lira, Indische Rupien – und natürlich auch gegen physisches Gold.“

Russland hielt zuletzt knapp 2.300 Tonnen Gold, was mit 20 Prozent der Währungsreserven ein relativ hoher Bestand ist. Hinzu kommt, dass die russische Zentralbank die Goldposition in den letzten Jahren stetig aufgebaut hat und Positionen in US-Dollar und Euro hingegen abgebaut. „Verwunderlich wäre es also nicht, wenn Russland weiter und in verstärktem Maße Gold gekauft hätte“, schätzt Polleit ein.

Wird starke Nachfrage jetzt Regel oder Ausnahme?

Die Nachfrage nach Gold – über die ersten drei Quartale 2022 verteilt – wird mit insgesamt 673 Tonnen beziffert. Allein die Nachfrage in den ersten neun Monaten des Jahres war größer als die Gesamtnachfrage in den Jahren zuvor – mal abgesehen von dem Rekord im dritten Quartal mit den aktuellen anonymen 300-Tonnen-Goldkäufen.

Dass solche Größenordnungen beim Goldankauf jetzt öfter vorkommen oder gar zur Regel werden könnten, vermutet der Degussa-Chefvolkswirt jedoch nicht: „Ich denke vielmehr, dass der starke Sprung in der Goldnachfrage der Zentralbanken in Q3 2022 in der Tat ein ‚Ausreißer‘ war. Aber dessen ungeachtet erwarte ich, dass viele nicht-westliche Zentralbanken ihre Goldnachfrage mehr oder weniger stetig weiter ausweiten werden. Gerade die Zentralbanken der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), aber auch die aus den Ländern, die sich ihnen anschließen, werden vermutlich zu den großen Goldkäufern in den kommenden Jahren zählen.“

China ist weiter im Rennen, so Polleit, denn es hat in den letzten 20 Jahren seine Goldreserven von knapp 500 Tonnen auf jetzt 1.948 Tonnen erhöht. Dieser Trend wird sich sehr wahrscheinlich fortsetzen. Vor allem dann, wenn die USA und China weiter aneinandergeraten und sich Konflikte über die geopolitische Vormachtstellung zuspitzen.

Alles Gold der Welt

In der gesamten Menschheitsgeschichte sind rund 155.500 Tonnen Gold geschürft worden. Wenn man die zusammenschmelzen und in Form bringen würde, hätte man einen Würfel mit einem Seitenmaß von 20 Metern. Bei Institutionen wie den Zentralbanken sind fast ein Fünftel – circa 18 Prozent – des gesamten Goldes zu finden. Das sind 28.600 Tonnen.

Der größte Teil des Goldes – mit 51 Prozent mehr als die Hälfte – wurde zu Schmuck verarbeitet und weitere zwölf Prozent finden sich in Kunstgegenständen wieder. Fast 16 Prozent liegen in Form von Barren und Münzen in privaten Tresoren. Und zwei Prozent des gehobenen Goldes haben schätzungsweise schon wieder dorthin zurückgefunden, wo sie hergekommen sind – in den Boden –, in Form von Schmuck wie Eheringen oder Goldzähnen Verstorbener.

Die USA halten mit über 8.000 Tonnen die weltweit größten Goldreserven, gefolgt von Deutschland mit dem zweitgrößten „Goldschatz“. Nur ein Teil der deutschen Goldbarren, die insgesamt rund 3.400 Tonnen wiegen, ist aber im Lande. Nur gut die Hälfte der Goldreserven lagert nach offiziellen Bundesbankangaben in deren Tresoren in Frankfurt am Main, der Rest bei der Federal Reserve Bank of New York und bei der Bank von England.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion