Baerbock gegen Waffenruhe in Gaza und gegen Zahlungsstopp in die Palästinensergebiete

Im Gaza-Konflikt haben die Außenminister der EU zu keiner gemeinsamen Position gefunden. Einige Länder teilen die Forderung von UN-Generalsekretär Guterres nach einem humanitären Waffenstillstand. Ministerin Baerbock schließt sich dieser nicht an.
Israelische Soldaten arbeiten an einem Panzer in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen.
Israelische Soldaten arbeiten an einem Panzer in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen.Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa
Von 24. Oktober 2023

Während die Luftoffensive der israelischen Streitkräfte gegen Ziele der terroristischen Hamas in Gaza weitergeht, bemühen sich die EU-Außenminister um eine gemeinsame Position. Am Donnerstag, 26. Oktober, kommen die Staats- und Regierungschefs der Union zum Oktober-Gipfel zusammen.

Zuletzt gab es Uneinigkeit insbesondere bezüglich der Forderung nach einem humanitären Waffenstillstand. Bereits zuvor stritten sich Institutionen und Mitgliedstaaten der EU über die Frage eines Zahlungsstopps in die Palästinensergebiete.

Mehrere Länder fordern humanitären Waffenstillstand

Am Montag hatten sich die Außenminister der EU in Luxemburg getroffen. Dabei ging es unter anderem um die Forderung des UN-Generalsekretärs António Guterres nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand. Wie „n-tv“ berichtet, haben sich Länder wie Spanien, Irland und Slowenien dieser Forderung angeschlossen.

Irlands Außenminister Micheál Martin begründete den Schritt mit dem „Leid unschuldiger Zivilisten, insbesondere von Kindern“. Dieses habe „ein Ausmaß erreicht, das eine sofortige Einstellung erfordert“. Es sei „von höchster Dringlichkeit“, mithilfe eines Waffenstillstands die Lieferung medizinischer und humanitärer Hilfsgüter zu ermöglichen.

Die israelische Offensive konzentriert sich derzeit auf den Norden des von der terroristischen Hamas kontrollierten Küstenstreifens. Im Süden von Gaza verhandeln Unterhändler mit Ägypten über eine Öffnung des Grenzübergangs Rafah für Hilfstransporte. Am Samstag konnte ein erster Hilfstransport die Grenze passieren, einen Tag später scheiterte ein Versuch an den Folgewirkungen von Kampfhandlungen.

Baerbock: „Hamas greift immer noch mit Raketen aus Gaza an“

Deutschlands Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stellte sich gegen die Forderung von Guterres. Die „Badische Zeitung“ zitiert sie mit der Aussage:

Es wird nur Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser geben, wenn der Terrorismus bekämpft wird.“

Die Hamas greife Israel weiterhin massiv mit Raketen an. Ihre Amtskollegen aus Österreich und Tschechien haben sich Baerbocks Position angeschlossen. Demgegenüber hat sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell für eine humanitäre Feuerpause ausgesprochen, um Hilfsgüter liefern und verteilen zu können.

Unstimmigkeiten rund um Zahlungsstopp

Die unterschiedlichen Positionen und die Aussage Borrells verdeutlichen, was sich bereits im Zusammenhang mit der Frage eines möglichen Zahlungsstopps an Palästinenserorganisationen gezeigt hatte: Die EU findet im Konflikt zu keiner gemeinsamen Stimme.

Am Montag nach dem Massaker der Hamas in israelischen Grenzstädten vom 7. Oktober hatte EU-Kommissar Olivér Várhelyi einen Zahlungsstopp verkündet. Erst bestätigte auch ein Sprecher diese Aussage. Wenig später relativierte die zuständige Behörde für Nachbarschaftspolitik: Eine Zahlungsaussetzung sei derzeit kein Thema, weil keine Zahlungen anständen.

Bereits zuvor soll es aus mehreren Hauptstädten Forderungen gegeben haben, die Ankündigung zurückzunehmen. Einen Tag später verkündet Borrell im Anschluss an informelle Beratungen der EU-Außenminister, nur zwei bis drei Länder würden ein vorläufiges Einfrieren der Zahlungen gutheißen.

Deutschland war offenbar nicht darunter. Denn Ministerin Baerbock lehnt sowohl eine sofortige humanitäre Waffenruhe als auch einen Zahlungsstopp ab. Am Ende einigten sich die EU-Minister auf eine „Überprüfung“ der Leistungen für die Palästinensergebiete.

„Partner immer schon überprüft“

Baerbock hatte erst am Wochenende bei einem Besuch im jordanischen Amman erneut eine Soforthilfe für die Palästinenser in Höhe von 50 Millionen Euro zugesagt. Diese sollen an das UN-Hilfswerk UNRWA gehen. Die Einrichtung war in der Vergangenheit mehrfach in die Kritik geraten. Unter anderem soll sie den Gebrauch antisemitischer und terrorverherrlichender Lehrbücher an ihren Schulen gestattet haben.

Im Anschluss an eine kurzfristig einberufene Nahost-Konferenz in Kairo erklärte die Ministerin, humanitäre Hilfe sei ein Gebot der Menschlichkeit. Es gehe dabei „nicht um abstrakte Debatten am grünen Tisch, sondern es geht um Menschen“. Im wahrsten Sinne des Wortes gehe es „um Leben und Tod“. Ein Ergebnis brachte die Konferenz dennoch nicht.

Natürlich, so Baerbock, müsse man überprüfen, dass „davon nichts in die Hände der Hamas fällt“. Dies habe man auch bereits in der Vergangenheit so gehandhabt. Die Partner vor Ort seien jeweils UN-Organisationen und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK).

EU werde als „Verteidigerin des Völkerrechts“ unglaubwürdig

Die Konflikte rund um den Nahostkonflikt in der EU entzünden sich nicht nur entlang ideologischer, sondern auch strategischer Bruchlinien. Die linke Regierung in Spanien steht auf dem Standpunkt, Brüssel könne sich mit einer zu israelfreundlichen Position selbst schaden. Dies gelte vor allem dann, wenn lang andauernde Militäroperationen in Gaza zu noch mehr zivilen Opfern führten.

Man werde im globalen Süden und in ärmeren Ländern als „Verteidigerin des Völkerrechts“ unglaubwürdig. In diesen seien die Sympathien für die Palästinenser groß. Am Ende wäre auch das Vorhaben der EU in Gefahr, diese Länder gegen den „russischen Angriffskrieg“ in der Ukraine einzunehmen.

Die Gegenseite argumentiert mit dem Selbstverteidigungsrecht und der notwendigen Abschreckung gegenüber Terroristen. Zudem befürchtet man, durch eine israelkritische Position die Gesprächskanäle nach Jerusalem zu verlieren.

Lammert für Waffenlieferungen von Deutschland an Israel

Auch auf höchster EU-Ebene setzen sich diese Positionsunterschiede fort. Borrell gilt in Jerusalem ohnehin als israelkritischer Hardliner, aber auch Ratspräsident Charles Michel übte jüngst Kritik an der Kommission. Diese würde zu israelfreundlich agieren und damit den Interessen der EU im Nahen Osten schaden.

Im Rahmen des Gipfeltreffens wird Michel am Donnerstag voraussichtlich eine „humanitäre Feuerpause“ als Position der EU anregen. Dies sei weniger als ein Waffenstillstand, aber würde Zugang zu Bedürftigen ermöglichen.

Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert möchte dennoch einen „Europäischen Sicherheitsrat“ schaffen. Dies erklärte er in einem Gespräch mit „table.media“. Dies würde schnellere und eindeutigere Positionierungen der EU ermöglichen. Er befürchte, dass „das Finden und Umsetzen einer gemeinsamen europäischen Position von Monat zu Monat schwerer werden wird“. Persönlich plädiert er für Waffenlieferungen von Deutschland an Israel, „wenn es die Notwendigkeit dafür gibt“.



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