Chinas Krisenmanagement beim Erdbeben: Neue Flasche – alter Wein

Manchmal scheint die Bereitschaft der Weltgemeinschaft groß, der Propaganda des chinesischen Regimes voreilig Glauben zu schenken, weil man ja neue Zeiten im China des Wirtschaftswunders vermutet. Ein Blick in die Vergangenheit hilft, um zu erkennen, dass die Praktiken von Mao noch immer angewendet werden, nur etwas verfeinert.
Titelbild
Familienangehörige weinen um ihr Kind, das in einer Grundschule verschüttet wurde. Warum hielten Regierungsgebäude dem Erdbeben eher stand, als Schulen? Solche unbequemen Fragen versucht die KPCh auf ihr eigene Art unter den Tisch zu kehren. (AFP Photo/Mark Ralston)
Von 27. Juni 2008

Seit dem Erdbeben in Wenchuan in der Provinz Sichuan ist mittlerweile mehr als ein Monat vergangen. Kurz nach dem Erdbeben wurde die regierende Kommunistische Partei (KPCh) bereits durch ein einflussreiches Medium in England und durch chinesische Journalisten gelobt, sie habe eine „fortschrittliche Methode zur Krisenbehandlung“ gefunden. Seither scheint die internationale Gesellschaft China auf einmal mit ganz anderen Augen zu sehen. Seither bemühte ich mich, alle möglichen Spuren dieses „Fortschritts“ zu finden und wünschte, darin einen Grund zu neuer Hoffnung für das chinesische Volk entdecken zu können.

Gelobt wurde die „Geschwindigkeit“, mit der die Rettungsaktionen einsetzten. Darüber hinaus hätten die chinesischen Medien über die Katastrophe „faktentreu“ berichtet. Durch das Lob des britischen Mediums glaubte die internationale Gesellschaft fest daran, dass die chinesischen Medien mindestens eine Zeit lang nach den Erdbeben Pressefreiheit bekommen hätten. Meines Wissens und dem Wissen inländischer Journalisten nach waren die Medien in China weder während der letzten sechzig Jahre frei noch sind sie es jetzt. Diesmal wurde tatsächlich von dem schweren Schaden berichtet, den das Erdbeben angerichtet hat. Aber das zeigt nicht die Freiheit der Medien, sondern nur den Fortschritt der politischen „Klugheit“ des Regimes.

Berichterstattungsmuster: „Eine Tragödie positiv aufführen“

Vor vielen Jahren wollte Mao Zedong verheimlichen, dass viele Menschen wegen einer Hungersnot gestorben waren, die er und sein politisches Gefolge künstlich verursacht hatten. Das Erdbeben in Wenchuan aber ist eine Naturkatastrophe, deshalb berichtet man über die Schäden der Katastrophe. Dabei hat das Regime die Gelegenheit, seine „fürsorgliche Liebe“ zum Volk zur Schau zu stellen.

In der Tat wissen alle, die in den chinesischen Medien einige Jahre journalistisch tätig sind, dass das aktuelle Berichterstattungsmuster über die Katastrophe keine Neuerung aufweist. Das immer gleiche Muster von „eine Tragödie positiv aufführen“, läuft ungefähr so ab: die Regierungsführung ist immer vor Ort der Katastrophe präsent, sie geht zu den Bürgern, spricht mit ihnen und sorgt für sie; die Regierung spielt die wichtigste Rolle für die Rettung der gesamten Erdbebenregionen; während der Rettung gibt es viele rührende Geschichten, wie die Menschen einander helfen; die Opfer haben rechtzeitig Hilfe bekommen und mit Tränen sprechen sie ihre Dankbarkeit gegenüber der Partei aus und, und, und… Die Berichte enden immer damit, dass die Partei und die Regierung großartig sind, denn sie retten das Volk. Nach den Drehbüchern der Partei verstärken ihre Taten, ihre Weisheit und ihre Liebe zum Volk im Gegenzug die Liebe und Loyalität des Volkes für den Staat und die Partei. Dadurch ist ihr das Volk noch fester verbunden als vorher.

Diese Methode wurde zum ersten Mal im Jahr 1954 verwendet. In jenem Jahr geschah die größte Überflutung seit Jahrhunderten, sie betraf den ganzen Bereich des Jiangtse-Flusses. Die Schäden waren enorm groß. Hätten die Medien über die Flut berichtet, wäre Mao, der negative Berichterstattung hasste, sicherlich in Zorn geraten. Wenn man aber gar nicht berichtet hätte, wäre dies als versuchte Vertuschung sicher entdeckt worden. Also entwickelte das Propagandaministerium zusammen mit Chinas größter Parteizeitung, der „Chinesischen Volkszeitung“, ebendiese Taktik, nämlich „eine Tragödie positiv aufzuführen“. Damit wurde die Naturkatastrophe in einen Lobgesang des Volkes auf Mao und die Kommunistische Partei umgewandelt. Seitdem benutzen die chinesischen Medien ständig dasselbe Muster und variieren nur je nach Situation.

Erst nachdem die ausländischen Medien für die Berichterstattung verschiedene Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit und ein Interviewverbot in den Erdbebenregionen erleben mussten, haben auch sie verstanden, dass die sogenannte „Freiheit der Presse“ für die Berichterstattung über Erdbeben nur eine Schein-Freiheit ist.

Sündenböcke

Jedes Mal wenn eine Krise entsteht, ist es ein geläufiger Trick der Führung der Kommunistischen Partei, einige „Sündenböcke“ zu finden. Zum Beispiel war demnach die dreijährige Hungersnot das Ergebnis einer „Naturkatastrophe“ und der dringenden Aufforderung der Sowjetunion, dass China seine Schulden begleichen müsse. Die Kulturrevolution war demnach eine Falle von Lin Biao und der bösen Viererbande, die die Partei stürzen wollten.

Im Fall des jetzigen Erdbebens bildet die Art der Berichterstattung auch keine Ausnahme. Es ist nur nicht möglich, die antichinesischen Mächte als Auslöser des Erdbebens zu bezeichnen. Deshalb benutzten sie eine andere Form: Die Anti-China-Mächte wurden statt im Inland in Übersee und Europa gefunden. In dem Artikel der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Xinhua vom 20. Mai mit dem Titel „Maßstab, um das Gute und Böse zu beurteilen“ wurden einige Personen namentlich als Feinde des Volkes bezeichnet, weil sie sich über das Erdbeben gefreut hätten. Danach veröffentlichte die Zeitung „Die Weltrundschau“, die zu Xinhua gehört, eine „Schwarze Liste“ mit Namen von Personen und Medien, die das Erdbeben Chinas beleidigt hätten. Dazu gehörten die amerikanische Schauspielerin Sharon Stone, das deutsche Magazin „Spiegel“, die Korrespondentin der französischen Zeitung „La Libération“ Pascale Nivelle und „The Guardian“. In der Tat hat das deutschsprachige Magazin Spiegel am 14. Mai nur geschrieben, dass die staatlichen Medien Chinas das Erdbeben ausnutzten, und versuchten, mit gewohnten politischen Parolen das Volk um die Partei herum zusammen zu halten.

Es wäre nicht so klug, im Inland Chinas nach antichinesischen Mächten zu suchen. Deshalb wurden hier einige moralkritische Aspekte in den Blickwinkel gerückt. Zunächst entstanden verschiedene Spendencharts, damit die Internetsurfer sich über den Geiz der Spendengeber empören konnten. Dann hat ein Herr Fan Meizhong, der nicht schlau genug war, seine wahre Meinung verraten, warum er nach dem Erdbeben vor den Schülern das Klassenzimmer verlassen hat. Herr Fan wurde als Lehrer entlassen.

„Selbst als verstorbene Seele ist man glücklich“

Unter dem Umstand, dass es innerhalb Chinas Naturkatastrophen gibt und außerhalb Chinas antichinesische Mächte toben, scheint der Nationalismus in den chinesischen Medien und Webseiten wieder zu wachsen. Wenn das Theater hiermit ein Ende genommen hätte, wäre das ja ein „Erfolg“ gewesen. Aber „leider“ bat Chinas bekannter Kunstwissenschaftler, Professor Yu Qiuyu, die Opfer des Erdbebens unter Tränen, alle ihre Leiden zu tragen und nicht die Regierung zu kritisieren, damit die „Anti-China-Mächte“ dadurch nicht wieder mehr „Beweise“ hätten. Ein andere Herr, der Schriftsteller Wang Zhaoshan, veröffentlichte zwei Gedichte, in denen er für die Toten ausrief: „Selbst als verstorbene Seele ist man glücklich“, weil sich die Partei und der Staat selbst um die verstorbenen Seelen kümmern; „Man wünscht nur ein Bildschirm vor dem Grab zu haben, die Olympischen Spiele anzuschauen und gemeinsam zu feiern.“ Die Schriften dieser beiden unverschämten Herren riefen den Ärger und Empörung des ganzen Volkes hervor. Traurig ist, dass die Beiden auch wieder „Sündenböcke“ der Führung sind.



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