Der Beginn der „Globalisierung“ Japans und der Vertrag von Kanagawa 1854

Japan scheint heute im Welthandel nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Aber das war nicht immer so. Was verbirgt sich hinter dem Vertrag von Kanagawa? Die Antwort finden Sie in diesem geschichtlichen Abriss von Hans-Jürgen Wünschel.
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Minato Mirai 21 Gebäude und Mt. Fuji in Japan. Symbolbild.Foto: istock

Bereits 1839 hatte der amerikanische Schriftsteller John O’Sullivan ausgesprochen, was viele Amerikaner dachten und fühlten: Our Manifest Destiny – unsere Mission, unsere Bestimmung ist es, den Völkern Freiheit, Selbstbestimmung, Aufklärung und Handel zu bringen. Daraus entwickelte sich verstärkt ein bis zum heutigen Tage sichtbares Sendungsbewusstsein, das auch schon bei der Gründungsgeschichte der USA – wir sind das auserwählte Volk – eine große Rolle gespielt hatte und seitdem immer wieder die Außenpolitik der USA bestimmte. So auch vor über 160 Jahren.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte im pazifischen Raum ein wirtschaftlicher Wettlauf zwischen Russland, das über Sibirien bis Wladiwostok vorgedrungen war, im 18. Jahrhundert Alaska erobert und erste Stützpunkte in Kalifornien errichtet hatte, und den Vereinigten Staaten von Amerika begonnen, das mit Kalifornien sich gerade einen neuen Staat einverleibt hatte.

Doch typisch für die Zeit war auch ein Denken, das nicht nur den wirtschaftlichen Wettbewerb zum Ziel hatte, sondern auch machtpolitische, ideologische Positionen besetzte. USA – Freiheit, Russland – Depotie so lauteten die Schlagworte: Die letzte Schlacht der Menschheit werde im pazifischen Raum geschlagen. Wer diesen beherrschte, der würde Herr über die Welt sein. Ein Wettlauf auch um Japan war angesagt, das sich vierhundert Jahre lang erfolgreich gegen „Zivilisierungsversuche“ europäischer Politiker und Geschäftsleute hatte wehren können.

Für die Europäer hatte 1542 der Portugiese Mendez Pinto Japan entdeckt, das in den folgende Jahren von Jesuiten für den katholischen Glauben zunächst erfolgreich interessiert wurde. Doch dann stritten sich auch in Japan Katholiken und die neue protestantische Religion um die Missionierungsvorherrschaft und zogen die japanischen Autoritäten in den aus Europa kommenden Konfessionskonflikt hinein: Mit dem Ergebnis, dass sich die Japaner in den nächsten Jahrzehnten sämtlichen europäischen religiösen oder politischen Einflüsterungen entzogen. Nur noch einige eingewanderte Holländer konnten auf der vor Nagasaki gelegenen Insel Deshima ihr Dasein fristen; doch mussten sie aus Dankbarkeit für ihre Duldung einmal im Jahr auf allen Vieren kriechend dem japanischen Kaiser huldigen und „Affenpossen“ darbieten, wie Alexander Demandt in seinem Buch „Sternstunden der Geschichte“ treffend schreibt.

Japan lehnte jede Einmischung von außen ab, so wie die Amerikaner dies 1823 in ihrer berühmten Monroe-Doktrin auch für sich beanspruchten: Amerika den Amerikanern. Die USA konnten dies für sich selbst durchsetzen, zwangen aber im 19. Jahrhundert den Japanern ihren Willen im Kampf um die Macht im pazifischen Raum auf. Was war geschehen?

Das Augenmerk der geschichtlichen Entwicklung richtet sich auf Matthew Calbraith Perry, der seit 1843 den ersten amerikanischen Kriegsdampfer kommandierte. Der amerikanische Präsident Millard Fillmore, Republikaner, beförderte ihn im Jahr 1852  zum Vizeadmiral, vertraute ihm vier Schiffe an und gab ihm ein offizielles Schreiben an den Herrscher von Japan mit: dieses möge sich doch für den Welthandel öffnen.

Fillmore stand im Wahlkampf und musste außenpolitische Erfolge, auch gegen Russland, das sich in Kalifornien breit machte, vorweisen. Die Fahrt des Geschwaders begann am atlantischen Marinestützpunkt Annapolis, kreuzte die Azoren, umrundete das Kap der Guten Hoffnung und endete schließlich nach 90 Tagen bei den vor Japan liegenden Ryukyu-Inseln.

Die Einheimischen dort erschauderten vor den großen Schiffen mit den Salutschüsse spuckenden Kanonen. Der Herr der Insel empfing den Vizeadmiral, der sich, begleitet von den Klängen amerikanischer Marschmusik, in einer Sänfte in den Palast tragen ließ. Doch Perry wurde abgewiesen. Er fuhr weiter gegen Honshu, wo er am 8. Juli 1853 ankam. Alle Zeichen, dass er unwillkommen war ignorierte er, Aufforderungen, nach Hause zu fahren, übersah er. Stattdessen ließ er die Kanonen Gefechtsbereit machen.

Unter dem Druck der Gewalt erklärten sich Regierungsbeamte bereit, den Brief Fillmores an den Kaiser entgegen zu nehmen. Die feierliche Übergabe des Schriftstücks an einen japanischen Prinzen ist überliefert: Pauken und Trompeten der amerikanischen Musikkapelle spielten den Yankee-Doodle. Perry erschien in der mit allen möglichen Orden und Ehrenzeichen geschmückten Uniform, begleitet von zwei übergroßen Negern und einer Kompanie Marinesoldaten. In einiger Entfernung vom Strand, wo sich die Zeremonie abspielte, lagen die Schiffe mit den drohenden Kanonen.

Der Kaiser fühlte sich gedemütigt ob der offen zur Schau getragen Gewalt des amerikanischen Vizeadmirals. Manche Japaner wollten der Drohung Perrys nachgeben, andere riefen zum Kampf gegen die Barbaren auf. Perry „versprach“ im nächsten Jahr wieder zu kommen. Pünktlich zur Feier des Geburtstages von George Washington am 22. Februar 1854 erschien die nun vergrößerte amerikanische Flotte in der Bucht von Edo und feuerte Geburtstagssalut. Sie forderten erneut die sofortige Öffnung der Häfen für ihren Handel, zumal ihnen auf der Fahrt gegen Japan schon wieder russische Schiffe begegnet waren.

Am Strand inszenierte der Vizeadmiral am 8.März 1854 eine große Show, die dem späteren Hollywood alle Ehre gemacht hätte. Unter den gefechtsbereiten Batterien seiner Schiffe ließ er eine kleine Eisenbahn aufbauen, mit der die Hofchargen  vergnügt im Kreise fuhren.

Die Japaner waren beeindruckt. Unter Strömen von Champagner einigte man sich schließlich über die Öffnung von drei Häfen, in denen amerikanische Handelsschiffe anlegen durften. Der Auftritt von japanischen Shumo-Ringern amüsierte die Amerikaner und beendete das Fest, das auch durch das Singen amerikanischer Matrosenliedern einen besonderen Akzent erhielt.

Solchermaßen auf beiden Seiten froh gestimmt, ging es an die Verhandlungen. In Holländisch, Chinesisch, Japanisch und Englisch wurde ein Vertrag abgefasst, der „natürlich“ Friede und Freundschaft zwischen den beiden ungleichen Staaten vorsah, den Zugang zu Häfen freimachte und den Umfang des Handels festlegte. 

Dieser am 31. März 1854 unterzeichnete Vertrag vom Kanagawa wurde mit einem großen Festessen beschlossen, dessen japanische Spezialitäten – roher Fisch – den Amerikanern aber überhaupt nicht schmeckten. Perry trat die Heimreise an.

Japans Weg in die „Moderne“, der erzwungene Handel mit den USA  begann  schließlich in Japan Anhänger zu finden. Die mächtigen Dampfschiffe hatten imponiert. Japan träumte den Aufstieg zu einer großen Macht. Schon wurde in Europa gewarnt: „Was müssen wir von diesem zahlreichen und fleißigen Volk erwarten, das zu allem fähig und  auch geneigt ist, alles Fremde nachzumachen? … Sie studieren das Kriegsgerät und fühlen die Notwendigkeit, für ihre neuen Verbindungen mit der Außenwelt gerüstet zu sein.“

Der seit 1856 in Kyoto residierende amerikanische Konsul Harris beschrieb die Sauberkeit  der Städte und Dörfer und die Schönheit der Landschaft. Doch konnte er nicht verhindern, dass durch das Einschleppen der Cholera Hunderttausende von Japanern starben. Dies gab vielen Japanern, die der Öffnung ablehnend gegenüber gestanden waren, Auftrieb. Sie organisierten sich in Geheimbünden, nannten sich „Gehilfen des Himmels“, und erklärten die Ausländer für vogelfrei. Terror und Mord waren an der Tagesordnung.

Es kam zum Streit innerhalb der japanischen Gesellschaft, die auf der einen Seite den 25. Juni 1863 zum „Tag der Vertreibung der Barbaren“ ausrief und auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Vorteile im Handel erblickte. Nach heftigen, zum Teil bürgerkriegsähnlichen Vorgängen gelang es dem Kaiser, dem Tenno, den im Vertrag von Kanawaga eingeschlagenen Kurs beizubehalten. Es begann ab 1868 die Meiji-Zeit, die Epoche der „erleuchteten Regierung“. Die Regierung zog von Kyoto nach Edo um, das in Tokyo – „östliche Hauptstadt“ – umbenannt wurde.

Zum Vorbild für den politischen Aufbau des für die damalige Welt neuen offenen Landes wurden aber nicht die USA, sondern das nach dem in Japan bewunderten grandiosen Sieg über Frankreich 1871 errichtete Preußen-Deutschland auserkoren. Die deutsche Verfassung lag der japanischen Konstitution vom 11. Februar 1889 zugrunde und die preußische Art Krieg zu führen, wurde erfolgreich nachgeeifert: das neue Japan beeindruckte mit militärischen Siegen über China (1895), Russland (1905), Korea und Mandschurei (1910).

Dieser militärischen Expansion folgte 1937 der Versuch ein faschistisch-pazifisches Imperium aufzubauen, dessen größte militärische Tat der Angriff auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor war (1941). Doch 90 Jahre nach Perrys Kanonenbooten endete 1945 mit dem Abwerfen zweier Trumanscher Atombomben über japanischen Städten die vielleicht in  Japan falsch verstandene Öffnung des Inselreiches.

Der jetzige Mega-Deal der EU mit Japan könnte auch die wirtschaftlichen Machtverhältnisse im pazifischen Raum zuungunsten der USA verschieben.



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