Dicke Luft in der EU – Umweltagentur will Kinder und Jugendliche schützen

Laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur gelten Kinder und Jugendliche, die Luftverschmutzung ausgesetzt sind, als Risikogruppe. Die Teilchen sind so winzig, dass man sie mit den Augen kaum sehen kann. Dabei sollen die Grenzwerte noch einmal angezogen werden.
Schärfere Grenzwerte sollen die Belastung durch Luftverschmutzung senken.
Schärfere Grenzwerte sollen die Belastung durch Luftverschmutzung senken.Foto: iStock
Von und 26. April 2023

Die Europäische Umweltagentur (EEA) will Kinder und Jugendliche vor den negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung schützen. Das geht aus einem aktuellen Bericht hervor. Demnach verursacht die Luftverschmutzung „nach Schätzungen“ der Behörde jährlich über 1.200 vorzeitige Todesfälle der bis 18-Jährigen in den 32 Mitgliedstaaten. Hierzu zählen neben den 27 EU-Ländern auch Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und die Türkei. Laut Statistischem Bundesamt leben in ganz Europa insgesamt etwa 140 Millionen Menschen im Alter bis 17 Jahre.

Betrachtet man die Auswertung der Umweltagentur genauer, stellt man schnell fest, dass es sich bei der Luftverschmutzung um ein regionales Problem handelt. Wie eine interaktive Karte der EEA zeigt, sind vor allem Gebiete in den östlich und südlich gelegenen Nachbarländern von Deutschland betroffen, vor allem Italien und Polen.

Gemessen wird die Luftverschmutzung in Form von Feinstaubbelastung in Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m³). Unterschieden wird hierbei nach verschiedenen Teilchengrößen – von einem maximalen Durchmesser von 10 μm (PM10) bis hin zu ultrafeinen Teilchen mit weniger als 0,1 μm.

Grenzwerte im Wandel

Europaweit gelten „zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ laut Umweltbundesamt seit dem 1. Januar 2005 für die Feinstaubfraktion PM10 verschiedene Grenzwerte: Der Tagesgrenzwert beträgt 50 μg/m³; er darf nicht öfter als 35-mal pro Jahr überschritten werden. Der zulässige Jahresmittelwert beträgt 40 μg/m³. Für die noch kleineren Partikel PM2,5 gelten seit 2008 europaweit 25 μg/m³.

Im Jahr 2021 aktualisierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre gesundheitsbezogenen Richtlinien für die Luftqualität und empfahl einen Höchstwert von 5 μg/m³ für Feinstaub.

Um diesen Grenzwert zu veranschaulichen, stelle man sich vor, alle Feinstaubpartikel würden in einem einzigen Teilchen zusammengefasst, das gerade die erlaubten Maße und Masse in sich vereint. Dieses Teilchen schwebt und „verschmutzt“ stellvertretend für unzählige kleinere und leichtere Teilchen die umgebende Luft.  5 µg/m³, also fünf millionstel Gramm pro Kubikmeter, entsprechen dabei der Verschmutzung, die eine Fliege (mit etwa 50 Milligramm Gewicht) in dreizehn großen Lkw voller Luft erzeugt. Ab 401 Fliegen im Reichstagsgebäude müsste die gesamte Luft darin als belastet gelten. Das ist etwa eine halbe Fliege pro Abgeordnetem – andere Mitarbeiter nicht eingerechnet.

Die EU definierte im Jahr 2008 den Jahresgrenzwert für Feinstaub mit 25 μg/m³. Dieser wird jedoch derzeit überarbeitet und an die Empfehlungen der WHO angepasst.

Für die Studie der Europäischen Umweltagentur wurden die Feinstaubwerte wie folgt festgesetzt:

Feinstaubwert Prädikat
bis 5 μg/m³ gut
5 bis 10 μg/m³ mittel
10 bis 15 μg/m³ mäßig
15 bis 25 μg/m³ schlecht
über 25 μg/m³ sehr schlecht

Deutschland bei Luftverschmutzung im Mittelfeld

Die Top 10 der laut EU-Umweltagentur saubersten Städte befinden sich laut Umweltagentur in Portugal, Schweden, Estland, Finnland und Island mit Werten zwischen 3,7 und 4,9 μg/m³.

Auf Rang 19 schaffte es Deutschland mit Kiel mit einer Feinstaubbelastung von 6,8 Mikrogramm pro Kubikmeter. Deutsches Schlusslicht ist Gelsenkirchen; mit 12,4 Mikrogramm pro Kubikmeter schaffte es die Stadt lediglich auf Platz 245.

In der Gesamtwertung aller Städte liegt Slavonski Brod aus Kroatien ganz hinten auf Platz 275 mit einer Feinstaubbelastung von 28 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Kinder im Fokus der Studie

Obwohl die meisten Kinder in den EWR-Mitgliedstaaten laut Umweltagentur gesund seien, gebe es Anlass zur Sorge, heißt es in der Publikation. Kinder und Jugendliche seien anfälliger für die meisten nachteiligen Umweltfaktoren als Erwachsene und könnten wenig tun, um die Situation zu ändern oder sich zu schützen.

Begründet wird die vorgenannte Aussage mit einer erhöhten Atemfrequenz der Kinder und ihrer geringeren Körpergröße. Damit seien sie dichter an Verkehrsabgasen und würden die Luftverschmutzung durch erhöhte Mundatmung tiefer in die Atemwege aufnehmen, einschließlich ihrer Lungen, die sich noch in der Entwicklung befinden.

In der vorliegenden Betrachtung geht es neben den vorerwähnten Feinstaubteilchen um Ammoniak – einem wichtigen Bestandteil von Chemikalien und Düngemitteln – Schwefeldioxid, flüchtige organische Verbindungen ohne Methan sowie Stickstoffoxide. Laut Umweltagentur sind Kinder schon im Mutterleib der Luftverschmutzung ausgesetzt. Dadurch bestehe die Gefahr, dass das Baby zu klein und mit einem zu geringen Geburtsgewicht auf die Welt kommt. Außerdem bestehe ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten. Nach der Geburt komme die Luftverschmutzung auf dem Kindergarten- und Schulgelände, im Klassenzimmer, auf dem Schulweg und bei außerschulischen Aktivitäten zum Tragen.

Durch Luftverschmutzung verlorene Lebenszeit

Zu der Luftverschmutzung zählt die Umweltagentur verschiedene Formen von Luftpartikeln, Ozon, Stickoxiden bis hin zu Passivrauch, Rauch aus der Verbrennung von Biomasse in Haushalten, Schimmelpilzsporen, Milben, Allergenen sowie giftige Chemikalien wie Formaldehyd.

Einige der vorgenannten Schadstoffe, die sich häufiger in Innenräumen finden lassen, sind Gegenstand laufender Forschungen und wurden in der aktuellen Studie vernachlässigt. „Unser Wissen über die Quellen, Konzentrationen, den Zustand und die Trends der Luftverschmutzung in Innenräumen in Europa liegt jedoch weit hinter dem der Luftverschmutzung im Freien zurück“, heißt es von der Umweltagentur. Insoweit soll in Kürze eine weitere Arbeit veröffentlicht werden, die diese Faktoren mit einbezieht.

Da Kinder und Jugendliche tendenziell mehr Zeit im Freien verbringen und körperlich aktiver seien als Erwachsene, sei ihr Risiko, einer Luftverschmutzung ausgesetzt zu sein, erhöht. Folgen könnten Atemwegsinfektionen, Lungenentzündung, Mittelohrentzündungen sowie Allergien, Ekzeme und juckende Augen sein. Auch die Gehirnentwicklung könnte durch Luftverschmutzung beeinträchtigt werden.

Die schätzungsweise über 1.200 Todesfälle in der Altersgruppe der 0- bis 18-Jährigen ergeben sich laut Umweltagentur aus Daten der Global Burden of Disease (GBD) aus dem Jahr 2020. Die GBD wurde 1992 von der Harvard School of Public Health an der Harvard Universität, der WHO und der Weltbank ins Leben gerufen. Anhand ihrer Daten werden Prognosen erstellt, um eine weltweite Gesundheitsverbesserung zu erreichen. In diesem Rahmen wurde auch die Maßeinheit DALY festgelegt. Dieser bemisst die mit einer Behinderung gelebte und durch vorzeitigen Tod verlorene Lebenszeit als Krankheitslast.

„Luftreinhaltezonen“ und Rauchberatung für Eltern

Um Kinder und Jugendliche vor Luftverschmutzung zu schützen, gibt es verschiedene Ansätze – wie die Einrichtung von „Luftreinhaltezonen“ in der Nähe von Schulen und Verkehrsbeschränkungen an Schulen. Schulen in Planungsphasen könnten Hotspots hoher Luftverschmutzungen vermeiden und auf Gebiete mit besserer Luftqualität ausweichen. Gleichzeitig sollen fußläufig erreichbare Schulen jedoch priorisiert werden. Dann seien Kinder weniger Luftverschmutzung ausgesetzt und könnten sich zusätzlich bewegen.

Auf dem Schulhof könnten begrünte Mauern für bessere Luftqualität sorgen. Konkret benannt werden Efeu und Hecken, die sich bislang als wirksam erwiesen hätten und auch als natürlicher Sonnenschutz und ökologische Bereicherung dienen.

Gleichzeitig soll das Rauchen in oder in der Nähe von Schulen verhindert werden. Hierzu schlägt die EU-Umweltagentur Interventionen von Familienregeln für rauchfreie Fahrzeuge, Raucherberatung für Eltern und Betreuer bis hin zu strikten Tabakverboten in und um Schulen vor.

Ein wichtiger Schlüssel sind laut EU-Kommission auch die „Stärkung des Rechts auf saubere Luft“ und die rechtliche Durchsetzung bei Nichteinhaltung sowie wirksamere Strafen und Entschädigungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Richtlinien zur Luftqualität. Im Oktober 2022 wurde ein entsprechender Vorschlag für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Luftqualität und sauberer Luft in Europa“ der EU-Kommission für die Überarbeitung der Richtlinien eingebracht. Eine Entscheidung ist noch nicht absehbar.

Im Rahmen des Null-Schadstoff-Aktionsplans des Green Deal hat sich die EU-Kommission das Ziel gesetzt, die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch PM2,5-Feinstaub bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 um mindestens 55 Prozent zu senken. Laut EU wurde die Marke von 45 Prozent bereits im Jahr 2020 geknackt. Folgt man dem Aktionsplan, soll die Luftverschmutzung bis 2050 auf ein Niveau gesenkt werden, das nicht mehr als gesundheitsgefährdend gilt.



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