EU will im Krisenfall Unternehmen Vorgaben zur Produktion machen

Notstandsbefugnisse sollen der EU-Kommission viel Macht geben – eine zentrale Kontrolle des Binnenmarktes einschließlich Produktionsvorgaben ist geplant.
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Beamte der Hafenpolizei beobachten in Rotterdam die Ankunft eines Containerschiffs.Foto: JOHN THYS/AFP via Getty Images
Von 18. September 2022

Besorgt haben mehrere Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) auf das Vorhaben der EU-Kommission reagiert, für den Fall von Krisen Notstandsbefugnisse einzuführen. Wie die Nachrichtenagentur „Reuters“ mitteilt, befürchten die Kritiker eine „Machtergreifung“. Mit der Einführung eines Staatskapitalismus – ähnlich wie in China – sei dies ein weiterer Schritt bei der Abschaffung der staatlichen Souveränität. Die EU-Kommission war laut „Reuters“ auch nicht bereit, weitere Details zu den vage formulierten Plänen zu nennen.

Die Kommission unter dem Vorsitz von Ursula von der Leyen (CDU) hat einen Vorschlag für ein Binnenmarkt-Notfallinstrument (Single Market Emergency Instrument, SMEI) erarbeitet. Ziel ist unter anderem die leichtere Überwachung von Lieferketten kritischer Bereiche und in Notfällen das Eingreifen in die Märkte, schreibt das Nachrichtenportal „EURACTIV“ auf seiner Internetseite.

Reaktion auf Pandemie und Ukraine-Krise

Der Vorschlag ist eine Reaktion auf die Unterbrechungen der Lieferketten während der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Er verfolgt zwei Ziele: So soll verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten in Krisenzeiten Schranken im Binnenmarkt errichten und die Versorgung mit kritischen Gütern garantiert bleibt.

Zu diesem Zweck schlägt die Kommission eine Reihe von Betriebsmodi vor, die je nach Ausmaß des Notfalls angewendet werden sollen:

  • In normalen Zeiten soll es Vorgaben für eine Notfallplanung geben.
  • Für Zeiten, in denen sich Probleme abzeichnen, gibt es Vorschläge für eine Binnenmarktüberwachung.
  • Für Notfälle will sich die Kommission weitreichende Befugnisse zur Kontrolle über den Binnenmarkt sichern.

Eine Beratergruppe soll die Europäische Kommission bei der Beurteilung der Situationen begleiten und Maßnahmen festlegen. Dieser Gruppe sollen Vertreter der Kommission sowie je ein Vertreter der derzeit 27 EU-Mitgliedstaaten angehören. Außerdem sollen andere „krisenrelevante Gremien“ als Beobachter Teil des Beratergremiums sein. Die Gruppe kann zwar den Anliegen der Regierungen Gehör verschaffen, hat aber nur begrenzte Befugnisse.

Pläne für den Notfall

„Normale Zeiten“ sollten Kommission und Mitgliedstaaten nutzen, um ein Frühwarnsystem einzurichten und Krisenprotokolle zu erstellen. So könne im Krisenfall schneller reagiert werden. Ergänzend dazu will die Kommission auch Übungen organisieren.

Anhand von Risikobewertungen sollen Bereiche, Güter und Dienstleistungen aufgelistet werden, die von strategischer Bedeutung sind und für Störungen anfällig sein könnten. Dies öffnet die Tür für eine Vielzahl von Einflussmöglichkeiten der EU.

Dem Entwurf zufolge kann der Überwachungsmodus in Kraft treten, wenn ein Ereignis eintritt, das das Potenzial hat, die Lieferketten von Waren oder Dienstleistungen von strategischer Bedeutung „erheblich zu stören“.

Die Kommission wäre befugt, mittels eines sogenannten Durchführungsrechtsakts die Überwachung im Alleingang anzuordnen. Dabei ist die Stellungnahme der Beratungsgruppe zu berücksichtigen. Kontrollmaßnahmen und der Aufbau von strategischen Reserven wären die Aufgaben.

EU kann Unternehmen Vorschriften machen

Um die kritischen Versorgungsketten zu überwachen, müssten die Mitgliedstaaten nationale Verzeichnisse anlegen und die Unternehmen auffordern, freiwillig Informationen über die Verfügbarkeit bestimmter Waren und Dienstleistungen zu liefern.

Beim Anlegen von strategischen Reserven bestimmter Produkte kann die Kommission Ziele festlegen. Die sollten zwar freiwillig sein, doch könnte das Gremium Mitgliedstaaten dazu verpflichten, die Vorgaben zu erfüllen, wenn sie sie deutlich unterschreiten.

Hohe Strafen bei Missachtung

Sind schwerwiegende Auswirkungen aufgrund einer eskalierenden Krise zu erwarten, kann mit Zustimmung des EU-Rates der Notfallmodus in Kraft treten. Mit diesen Maßnahmen will die Kommission verhindern, dass Mitgliedstaaten plötzlich ihre Grenzen schließen, so wie dies in den ersten Wochen der Corona-Pandemie der Fall war.

Untersagt sind laut Entwurf zum Beispiel Ausfuhrverbote von krisenrelevanten Waren innerhalb der EU. Auch entsprechende Dienstleistungen sollen aufrechterhalten werden. Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, sind von jeder Beschränkung der Freizügigkeit ausgenommen.

Des Weiteren kann die Kommission von Unternehmen oder deren Verbänden verlangen, Informationen über die Lieferung von krisenrelevanten Gütern in Zeiten eines Binnenmarktnotstandes herauszugeben. Wenn diese sich weigern oder falsche Angaben machen, drohen Geldstrafen von bis zu 300.000 Euro.

Aufträge vorrangig behandeln

Die wahrscheinlich einschneidendste Bestimmung ist jedoch die Möglichkeit für die EU-Kommission, Unternehmen zu verpflichten, bestimmten Bestellungen Vorrang zu geben.

So könnte das Gremium im Notfall einen Impfstoffhersteller dazu zwingen, Bestellungen für EU-Bürger gegenüber anderen Bestellungen zu bevorzugen. Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch im „Chips Act“, den die Kommission Anfang 2022 vorgeschlagen hatte, um die Versorgung der EU mit Halbleitern zu sichern.

Die Kommission ist befugt, diese Maßnahmen auf alle Branchen anzuwenden, die in einer Krise relevant sind. Unternehmen, die sich nicht daran halten, droht eine Strafe von bis zu 1,5 Prozent ihres Umsatzes.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 62, vom 17. September 2022.



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