Analyse

Könnte Russland von einem anhaltenden Krieg zwischen Israel und dem Iran profitieren?
Russlands Interessen im Nahen Osten sind vielschichtig – ein stabiler Iran mag langfristig für Moskau nützlich sein, kurzfristiges Chaos aber ebenso. Eine Analyse.

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte dem Iran nach dem Angriff der USA die Unterstützung seines Landes zu, die aber bisher über „Vermittlungsdienste“ nicht hinausgehen soll.
Foto: Alexander Kazakov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
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In Kürze:
Chance: Weniger Ukraine-Fokus bedeutet geopolitischen Freiraum für Russland.
Unsicherheit: Ein instabiler Iran oder sogar Regimewechsel würde Russlands Position im Nahen Osten schwächen.
Gretchenfrage: Warum gilt Israels „Präventivschlag“ als legitim, Russlands gegen die Ukraine aber nicht?
Obwohl Moskau als enger Verbündeter Teherans gilt, hielt sich der Kreml nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen auffallend zurück. Präsident Wladimir Putin vermied es, seinem Partner konkrete Unterstützung zuzusichern – selbst dann, als der iranische Außenminister Abbas Araghchi nur einen Tag später zu Gesprächen nach Moskau reiste.
Während eine Feuerpause zwischen dem Iran und Israel zu halten scheint und US-Präsident Donald Trump Gespräche mit dem Iran für nächste Woche angekündigt hat, gibt es noch viele Unsicherheiten. Teheran hat angekündigt, sein Atomprogramm fortzusetzen und die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde vorübergehend auszusetzen.
Einige Beobachter stellen zudem die Frage: Könnte Russland von einem anhaltenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran profitieren? Eine Schwächung Teherans könnte erhebliche Konsequenzen für Moskau nach sich ziehen. Allerdings nicht nur negative.
Auch die Ukraine blickt mit Sorge auf die aktuellen Entwicklungen. Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte zu Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran: „Wir möchten sicherstellen, dass die Hilfe für die Ukraine aufgrund dieser Situation nicht reduziert wird.“
Ein günstiger Moment für Moskau?
Am Freitag, 13. Juni, dem Tag, an dem Israel das erste Mal in seiner Geschichte iranische Nuklearanlagen angriff, meldete sich einer der einflussreichsten russischen Medienmogule auf seinem Telegram-Kanal zu Wort: Nach Aussage von Konstantin Malofejew, einem kremlnahen Milliardär, eröffne sich durch die Eskalation im Nahen Osten eine strategisch vorteilhafte Gelegenheit zur Beendigung des Ukraine-Konflikts.
Malofejew argumentierte, dass mit der Eskalation zwischen Israel und Iran eine gewaltige Gefahr für die Weltordnung entstanden sei:
„Israel ist ein Verbündeter der USA, Iran ein Verbündeter Russlands. Wenn die Supermächte sich in diesen Schlagabtausch einschalten, bricht der Dritte Weltkrieg aus“, schrieb er.

Der russische Oligarch Konstantin Malofejew.
Foto: Lous Whinston / Wikimedia Commons / CC BY-SA 2.0
Seiner Aussage nach könne nur ein Gipfeltreffen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Welt noch vor der Katastrophe bewahren. Zugleich fügte er hinzu, dass angesichts einer solchen geopolitischen Lage die „Forderungen des Kiewer Regimes lächerlich erscheinen“.
„Deshalb ist jetzt der Moment gekommen, an dem die Amerikaner uns die Ukraine überlassen sollten. Wir regeln das selbst.“
Gleichzeitig gibt es deutliche Anzeichen, dass die Ukraine für die US-Regierung in der Tat von geringerer Bedeutung ist als Israel und der Konflikt im Nahen Osten. Nichts zeigt das besser als die Tatsache, dass Trump vergangene Woche den G7-Gipfel in Kanada frühzeitig verließ, ohne sich mit Wolodymyr Selenskyj zu treffen.
Dabei war der ukrainische Präsident eigens rund 8.000 Kilometer für den Gipfel nach Kanada gereist. Trump jedoch erklärte, er müsse sich auf den eskalierenden Iran-Israel-Konflikt konzentrieren. Außerdem blockierte die US-Delegation eine gemeinsame Erklärung der G7 zur Ukraine – mit der Begründung, dass der Text zu russlandfeindlich sei und laufende Gespräche mit Putin gefährden könnten.
Weniger Druck, mehr Zeit und mehr Geld für Russland
Wenn sich die Aufmerksamkeit der USA und des Westens von der Ukraine abwendet, könnte das zur Folge haben, dass weniger politischer Druck entsteht, die Sanktionen gegen Russland weiter zu verschärfen.
Gleichzeitig könnten bisherige Unterstützerstaaten auch weniger finanzielle und militärische Ressourcen zur Verfügung stellen – nicht aus mangelnder Solidarität, sondern schlichtweg wegen begrenzter Kapazitäten und neuer Prioritäten im Nahen Osten. So könnten sich die USA gezwungen fühlen, ihre Basen in der Region aufzustocken.
Denn die militärischen Kapazitäten des Westens sind auch nicht unbegrenzt. Ein eskalierender Konflikt im Nahen Osten könnte westliche Ressourcen weitgehend und dauerhaft binden. Das schließt auch die ein, die bislang der Ukraine zugutekamen – wie Luftabwehrsysteme oder Artilleriemunition.
Auch diplomatisch könnten die Karten neu gemischt werden, wenn der Ukraine-Krieg in den Hintergrund rückt und andere Konflikte das geopolitische Spielfeld dominieren.
Russland wiederum könnte diese Situation strategisch ausnutzen: Der verringerte internationale Fokus verschafft Moskau wertvolle Zeit – etwa für militärische Offensiven im Donbass oder zur Stabilisierung eroberter Gebiete.
Die Rolle des Ölpreises
Es gibt jedoch auch jetzt schon messbare Folgen mit konkreten Zahlen. So etwa die Auswirkungen der steigenden Ölpreise. Laut einer Analyse des Oxford Institute for Energy Studies stammen zwischen 30 Prozent und 50 Prozent der russischen Staatseinnahmen aus Öl- und Gaseinnahmen, was sie zur wichtigsten Einnahmequelle für den Kreml machen.
Nach dem Beginn der israelischen Luftangriffe auf iranische Nuklearanlagen stiegen die Ölpreise deutlich. Der Weltmarktpreis für Rohöl stieg bereits in den ersten 48 Stunden um 7 Prozent. Der ukrainische Präsident betonte in diesem Zusammenhang, dass der Anstieg der Ölpreise direkt zur Stärkung der Kriegskasse Russlands beitrage.
„Die Angriffe haben zu einem starken Anstieg des Ölpreises geführt, was für uns nachteilig ist“, erklärte Selenskyj vor Journalisten am 14. Juni in Kiew. „Die Russen werden aufgrund der höheren Einnahmen aus Ölexporten stärker“, fügte er hinzu.
Könnte ein instabiler Iran Russland schwächen?
Cathrine Belton, auf Russland spezialisierte Investigativjournalistin der „Washington Post“, schrieb am 16. Juni über die Stimmung der politischen Elite in Moskau: Anfangs, so heißt es, habe man im Kreml den Ausbruch des Nahost-Konflikts sogar als strategische Chance gesehen – besonders da die globale Aufmerksamkeit dadurch von der Ukraine abgelenkt worden sei.
Bereits nach wenigen Tagen jedoch machten sich zunehmend strategische Befürchtungen breit: Die Sorge wuchs, dass die israelischen Angriffe langfristig zum Sturz des iranischen Regimes führen könnten, und Russland so einen wichtigen Verbündeten in der Region verlieren könnte. Dies wäre nach dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad – der mit Moskau eng verbündet war – der zweite schwere außenpolitische Rückschlag für Moskau in nur wenigen Monaten.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022 haben der Iran und Russland ihre militärischen Beziehungen vertieft, wobei westliche Länder den Iran beschuldigen, Raketen und Drohnen für russische Angriffe auf die Ukraine zu liefern.
Durch eine vertiefte wirtschaftliche Kooperation versuchen Moskau und Teheran, die Auswirkungen von westlichen Sanktionen zu mildern und ihre wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Dies beinhaltet sowohl den Abbau von Zöllen als auch die Stärkung des bilateralen Handels.
Am 17. Januar 2025 unterzeichneten Putin und der iranische Präsident Masoud Pezeshkian zudem einen 20-jährigen „Vertrag über umfassende strategische Partnerschaft“, der ausdrücklich auch militärtechnische Zusammenarbeit vorsieht.
Wenn „Präventivschläge“ legitim sind
Ein bekannter Aspekt des israelisch-iranischen Konflikts ist, dass Israel und später auch die USA ihr Vorgehen als Präventivschlag auf das iranische Atomprogramm bezeichneten, da das Überleben des jüdischen Staates existenziell bedroht gewesen sei. Der Westen hat diese Argumentation weitgehend akzeptiert.
Moskau hat seinen Einmarsch in die Ukraine auch von Anfang an als notwendigen Präventivschlag dargestellt. Und zwar mit dem Ziel, sich gegen die angebliche Bedrohung durch eine nach Osten expandierende NATO zu verteidigen.
Aus russischer Sicht drängt sich daher die Frage auf – was unabhängig von der Dauer des Konflikts für Moskau wohl von Vorteil am Verhandlungstisch sein könnte. Diese lautet: Wenn der Westen die „Präventivschläge“ Israels und der USA gegen Iran als legitim darstellt – warum wird dann das russische Vorgehen in der Ukraine mit anderen Maßstäben bewertet?

Mária S. Szentmagyari ist eine ungarische Juristin mit deutschen Wurzeln und lebt im Grünen unweit von Budapest. Mit Leidenschaft und großem Interesse an geopolitischen Zusammenhängen berichtet sie für die Epoch Times über die aktuellen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa, der Ukraine, Russland und dem Nahen Osten. Die Kommentare unter ihren Artikeln liest sie mit besonderer Neugier.
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