In Kürze:
- Putin stärkt russisch-indische Beziehungen in Öl, Waffen und Handel
- Indien zeigt Unabhängigkeit vom westlichen Druck, auch gegenüber USA
- Wirtschaftliche, militärische und diplomatische Interessen stehen im Vordergrund
Der russische Präsident Wladimir Putin besuchte am 4. und 5. Dezember Indien. Das südostasiatische Land ist kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Deshalb musste Putin nicht damit rechnen, in Neu-Delhi verhaftet zu werden. Der IStGH hatte am 17. März 2023 gegen Putin einen Haftbefehl erlassen. Hintergrund ist der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen.
Putin wurde mit höchstem Staatszeremoniell empfangen. Bei seiner Ankunft im indischen Präsidentenpalast am 5. Dezember wurden 21 Salutschüsse abgefeuert. Eine Ehrengarde sowie eine berittene Garde zu Pferd standen zu seinem Empfang bereit.
Indiens Regierung setzte sich damit deutlich von der westlichen Ächtung des Kreml-Chefs ab. Das kann auch als Signal an den Westen, insbesondere an den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dessen Zollpolitik, gedeutet werden: dass sich Indien nicht einschüchtern lässt.
Für Putin dürfte es eine Genugtuung sein, dass die Bemühungen des Westens, ihn zu isolieren, zumindest bei der größten Demokratie der Welt gescheitert sind.
Größter Markt der Welt
Mit einer Bevölkerung von fast 1,5 Milliarden Menschen ist Indien nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde. Mit einem Wirtschaftswachstum von 7,8 Prozent ist es ein besonders attraktiver Markt – auch für russische Waren und Rohstoffe, insbesondere Erdöl.
„Indien bleibt weiterhin die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt“, stellt die GTAI fest. Im ersten Quartal 2025 sprengte das Wirtschaftswachstum sämtliche Erwartungen der Experten und erreichte 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Indien ist mit dieser Wirtschaftskraft der drittgrößte Verbraucher von Rohöl weltweit und importiert seit der russischen Invasion der Ukraine große Mengen billigen Erdöls aus Russland.
Westlicher Druck und Ölimporte
Das ist dem Westen ein Dorn im Auge. Anfang dieses Jahres verhängte US-Präsident Trump Zölle auf Waren aus aller Welt und setzte bei indischen Einfuhren noch einmal einen Strafzoll von 25 Prozent obenauf.
Trumps Kritik: Indien finanziere mit den Ölkäufen die Kriegskasse des Kremls. Indien drosselte in den letzten Monaten tatsächlich die Einfuhr russischen Öls. Putin wiederum ist daran interessiert, dass sich Indien von den USA nicht einschüchtern lässt.
Auch Indien rüstet auf
Der Verkauf von Waffen an Indien spielt für Russland eine große Rolle. Wie die BBC berichtete, plane Indien den Kauf „modernster Waffen aus Russland“. Russland und Indien unterhalten schon lange Beziehungen im militärischen Bereich, in der Weltraumforschung, der künstlichen Intelligenz und anderen Bereichen. Russland, das unter Arbeitskräftemangel leidet, zeigt sich außerdem an hochqualifizierten indischen Fachkräften interessiert.
Seit der militärischen Eskalation zwischen Indien und Pakistan im Mai um die Grenzregion Kaschmir gab es eine Annäherung der USA an Pakistan. Dieses Verhalten Trumps verunsicherte die Regierung in Neu-Delhi. Indien rüstet auf, wenn möglich ohne amerikanische Waffen.
Im Vorfeld des Besuchs von Putin ging es bereits um umfangreiche Waffenkäufe aus Russland, wie die „EurAsia Times“ berichtete. Russland habe ein neues Angebot für das Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug Su-57E unterbreitet, einschließlich der vollständigen Lizenzproduktion in Indien. Hinzu kämen moderne Radar-Systeme.
Indien für Frieden
Zu Beginn der bilateralen Gespräche stand der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt. Der indische Premierminister Narendra Modi wird von Medien mit den Worten zitiert: „Indien ist nicht neutral, Indien steht auf der Seite des Friedens.“ Modi bezeichnete Putin als „einen wahren Freund“, der ihn von Zeit zu Zeit über den Krieg in der Ukraine informiere. An Putin gewandt betonte Modi, der Krieg könne nur „durch Dialog und Diplomatie beendet werden.“ Putin erklärte, Russland arbeite an einer „friedlichen Lösung“ des Konflikts.
Putin über Unsterblichkeit
Am Ankunftstag Putins strahlte der private Fernsehsender India Today ein Interview aus, das zuvor im Kreml geführt wurde. Putin äußerte sich ausführlich zu zahlreichen Themen. In Bezug auf seinen Gedankenaustausch mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping über Unsterblichkeit erklärte Putin, dass wissenschaftlicher Fortschritt die Lebenserwartung erheblich verlängern könne, aber alles habe ein Ende. „Nur Gott ist ewig“, sagte er.
Indien muss Teil der G7 sein
Putin äußerte über den Westen, dass ein Großteil Europas, insbesondere Großbritannien und Deutschland, vor einer Rezession stehe, und stellte die Relevanz der G7-Staatengruppe infrage. Russland wird seit 2014 aufgrund der Annexion der Krim nicht mehr eingeladen. Putin wies darauf hin, dass Indien wirtschaftlich weltweit den dritten Platz einnehme, aber nicht Teil der G7 sei. Außerdem kritisierte er die NATO, die aus Sicht Russlands sowohl Europa als auch Russland bedrohe.
Putin will sich bei Trump für Indien einsetzen
Gefragt nach Trumps Friedensabsichten für die Ukraine, sagte Putin, er sei überzeugt, dass Trump es ernst meine mit dem Frieden, aber wirtschaftliche und politische Interessen spielten ebenfalls eine Rolle. Zudem kritisierte er, dass die USA zwar russisches Uran importierten, Indien aber daran hindern wollten, russisches Erdöl zu kaufen. Russland sei bereit, dies mit Trump zu besprechen.
Russland will Handel ausgleichen
Putin betonte, dass Russland Einfuhren von indischen Waren steigern wolle, um das Handelsvolumen auszugleichen. Im Gespräch seien Fisch- und Fleischprodukte sowie indische Entwicklungen in Tierimpfstoffen und Methoden zur gesunden Tierhaltung. Die Verhandlungen führten der indische Landwirtschaftsminister und die russische Landwirtschaftsministerin Oxana Lut bereits vorab.
Leitfaden fürs Leben
Der Empfang durch Premierminister Narendra Modi war ausgesprochen freundlich. Beide Regierungschefs begannen ihren Gedankenaustausch bereits am Vorabend mit einem Abendessen. Modi überreichte Putin eine russische Übersetzung des „Bhagavad Gita“, ein philosophisches Werk aus dem 2. Jahrhundert, das als Leitfaden für Alltag und Leben dient. Putin besuchte außerdem Raj Ghat, eine Gedenkstätte für Mahatma Gandhi, und legte dort einen Kranz nieder.