Wie sich Lukaschenko am Migrationstourismus bereichert

An der polnisch-weißrussischen Grenze versuchen Migranten seit Monaten, nach Polen zu gelangen. Wie kommen die Migranten hin und warum durch Weißrussland? Reporter in Deutschland und Litauen sind der Sache nachgegangen und haben Migranten vor Ort gefragt.
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Alexander Lukashenko.Foto: SHAMIL ZHUMATOV/POOL/AFP via Getty Images
Von 12. November 2021

Mitte Oktober hat Stanislaw Żaryn, polnischer Geheimdienstkoordinator, die belarussische Regierung beschuldigt, nicht nur Migranten durch die polnisch-weißrussische Grenze zu schleusen, sondern auch sich daran zu bereichern.

Die Verwaltung von Alexander Lukaschenko würde ein Reisebüro namens „Centrkurort“ beaufsichtigen. Das Unternehmen sei darauf ausgelegt, Einladungen für Migranten auszustellen. Diese seien notwendig für ihren Weg nach Europa. Es ist ein „Tourismusnetzwerk“ inklusive Flugticket mit integrierter Schleppergarantie.

Je nach Route zahlten Migranten zwischen 2.000 und 14.000 US-Dollar pro Person für die Hilfe beim illegalen Grenzübertritt. Nach Angaben von polnischen Behörden verdient Minsk „mehrere zehn Millionen Dollar“ an der Operation. Aber auch belarussische Reisebüros, insbesondere „Centrkurort“, kommen dabei nicht zu kurz.

Laut dem polnischen Geheimdienstkoordinator Żaryn werden Gelder, die dem Reisebüro „Centrkurort“ zukommen, als „Einnahmen für das Regime von Alexander Lukaschenko behandelt“.

Weitere Institutionen, die von der Migration profitieren, sind laut Żaryn die Strafverfolgungsbehörden, darunter das Staatliche Grenzkomitee der Republik Belarus, das „direkt an der Beförderung von Migranten in das Grenzgebiet beteiligt ist“, und das Staatliche Sicherheitskomitee der Republik Belarus (der belarussische KGB).

„Focus“-Reporter haben beim Reisebüro „Centrkurort“ angerufen und wollten Flugtickets von Istanbul nach Minsk buchen – inklusive Visa. „Ja, das kriegen wir hin, kein Problem“, antwortete eine Mitarbeiterin des Büros. „Bei uns macht das der Sales-Manager, der für diese Flüge verantwortlich ist. Ich gebe Ihnen die Telefonnummer. Das ist unser Spezialist.“

„10.000 US-Dollar pro Person“

Der litauische Nationalrundfunk „LRT“ ist der Sache ebenfalls nachgegangen und hat vor Ort Nachforschungen angestellt, ob die Reise der Migranten von langer Hand geplant ist.

Ein junger kurdischer Mann sagt zu einem Reporter von „LRT“: „Ich bin derzeit in Kurdistan und plane, nach Europa zu reisen. Ich tue das, weil die Arbeitslosigkeit hier hoch ist. Ich möchte mein Studium abschließen. Es wird eine schwierige Reise.“

Sie wollten nach Bulgarien oder Serbien. Von da an sei ihr Ziel erst Italien, dann Deutschland. Die meisten Kurden reisten nach Italien, oft mit Booten, erzählt der Mann weiter.

Doch wie kommt die Reise überhaupt zustande? Der junge Mann erzählt den Reportern, dass er Kontakt zu einigen Schleusern in Kurdistan aufgenommen habe. Sie hätten ihm versprochen, dass die Einreise durch Weißrussland nach Europa legal sei, da irakische und weißrussische Reisebüros Touristenvisa ausstellten.

Die erste Station der Reise sei Weißrussland. „Und dann sind es 20 Minuten bis Litauen“, versprechen die Schleuser. Nach dem Flug müssten sie jedoch einige Tage in Weißrussland bleiben und danach können sie weiter nach Litauen.

Ein belarussisches Reisebüro werde sie vom Flughafen abholen und in ein Hotel bringen. Danach gehe es direkt zur Grenze. Versprochen wurden Touristenvisa und Flugtickets.

„Wenn Sie von Kurdistan aus reisen wollen, werde ich alles organisieren und die Kosten werden 15.000 US-Dollar betragen. Sie zahlen 6.000 US-Dollar, wenn Sie in Litauen bleiben wollen“, soll der Schleuser gesagt haben.

Danach könnten sie weiter nach Deutschland oder Frankreich – ohne Probleme. Ihm wurde auch versichert, dass ihn in Belarus niemand festhalten würde, da er „ein Visum“ habe.

Mercedes Vans vom Flughafen zum Hotel

„LRT“ sprach auch mit einigen Migranten, die im Ausländerregistrierungszentrum im litauischen Pabradė festgehalten wurden. Die meisten von ihnen baten darum, anonym zu bleiben.

Sie erinnern sich, dass ein Lieferwagen auf sie wartete, um sie vom Flughafen Minsk abzuholen. Der Fahrer, vermutlich ein Weißrusse, brachte sie zu einem Hotel, wo sie zwischen einem und vier Tagen verbrachten. Dann kam ein anderer Lieferwagen, um sie zur litauischen Grenze zu bringen, und von da wurden sie in einem schwarzen Mercedes Van zum Hotel gebracht, sagte ein Iraker gegenüber „LRT“.

Der Lieferwagen hielt dann an, der Fahrer zeigte in Richtung Wald und sagte: „Dort wird Europa sein.“ Dort sei ein Zaun, durch den sie leicht hindurchkommen könnten. Ein Auto soll da auf die Migranten warten und sie weiterbringen. „Aber es gab kein Auto“, erzählt der Iraker, „es war sehr kalt“. Sie haben Zelte aufgebaut, um sich zu wärmen.

Direktflüge von Bagdad nach Minsk

Iraqi Airways bietet seit 2017 Direktflüge von Bagdad nach Minsk an. Doch im Mai landete zum ersten Mal ein Flug von Fly Baghdad auf dem Flughafen Minsk.

In den Werbevideos von Fly Baghdad ist zu sehen, wie der Flug mit Wasserfontänen auf dem Flughafen begrüßt wird und die Menschen Blumen und Süßigkeiten erhalten.

Doch die irakische Regierung zeigt sich besorgt darüber, dass immer mehr Iraker nach Weißrussland reisen, um in die EU zu gelangen. 

„In letzter Zeit sind viele junge Iraker nach Weißrussland gereist und reisen auch weiterhin dorthin“, sagt Muthanna Amin, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im irakischen Parlament. Einige von ihnen nutzten diese Touristenroute, um von Weißrussland aus illegal in andere Länder der EU einzureisen. „Die Menschenschmuggler profitieren davon, dass Weißrussland seine Wirtschaft durch den Tourismus ankurbeln will“, so Amin.

Amin gibt jedoch nicht den Tourismusagenturen die Schuld, denn solange Touristenvisa ausgestellt würden, werde es Versuche geben, die Grenze illegal zu überqueren. Das bedeute jedoch nicht, dass jeder, der nach Weißrussland reise, ein Migrant sei, sagte er. Die Schleuser würden Kurden helfen, die Türkei und die EU zu erreichen.



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