Corona-Proteste: „Bürgerliches Spektrum, weitgehend friedlich“

Laut verschiedenen Berichten nehmen die Corona-Proteste aggressivere Formen an und auch Extremisten sollen sich daran beteiligen. Epoch Times fragte die Innenministerin an, ob dies tatsächlich so ist und wollte zudem wissen, wie stark die Polizeikräfte durch das aktuelle Versammlungsgeschehen gefordert sind.
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Corona-Demonstration in Berlin am 26. Januar 2022. Symbolbild.Foto: Omer Messinger/Getty Images
Von und 20. Februar 2022

In den vergangenen Wochen und Monaten stieg die Zahl der deutschlandweiten Anti-Coronamaßnahmen-Demonstrationen, Versammlungen und Montagsspaziergängen drastisch an. Medien berichten von rund 2.000 Städten und Gemeinden, in denen die Bürger für den Wiedererhalt ihrer Grundrechte auf die Straße gehen.

Wir wollten von allen Innenministerien der Bundesländer wissen, wie sie die Situation in ihrem Geltungsbereich einschätzen. Lediglich die beiden Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben bis Drucktermin nicht auf die schriftlich gestellten Fragen von Epoch Times geantwortet. Die Mehrheit der Länder sehen die Teilnehmerschaft an den sogenannten Montagsspaziergängen als „sehr heterogen zusammengesetzt. Augenscheinlich überwiegt derzeit weiterhin ein bürgerliches Spektrum“, heißt es. Da die Antworten sich teilweise überschneiden oder wiederholen, haben wir nachfolgend das Wichtigste zusammengefasst.

Friedlicher Protest

Laut den Innenministerien würde die weit überwiegende Mehrheit der Menschen, die zurzeit gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren, zur bürgerlichen Mitte zählen und friedlich von ihren Rechten auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen. Aufgrund der Vielzahl an Versammlungen, die man seit Mitte Dezember verstärkt registriere, müsse man von Einzelfällen sprechen, bei denen es nicht friedlich zuging.

Dabei sei die Teilnehmerschaft sehr heterogen zusammengesetzt. Zudem sei im Hinblick auf die Veranstalter ein regelmäßiger Wechsel festzustellen. Eine Einschränkung dieser Personengruppe auf einzelne politische Überzeugungen, Organisationen, Altersgruppen, Berufe oder soziale Schichten sei daher pauschalisiert nicht möglich.

Mehrere Sicherheitsbehörden würden allerdings bereits seit Beginn der Proteste beobachten, dass extremistische Personen und Gruppierungen, „Reichsbürger“, „Selbstverwalter“ und andere, die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnende Beteiligte versuchen, die Versammlungen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Dies äußerten mehrere Innenministerien.

Bei diesen Personen sei eine erhöhte verbale Aggressivität und auch Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. „Nicht alle dieser Extremisten sind eindeutig einem rechten oder linken Spektrum zuzuordnen“, konkretisiert das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern.

Laut dem sächsischen Innenministerium geschieht diese Vereinnahmung vorrangig über die hohe Wirkkraft der sozialen Medien. „Wie groß der konkrete Anteil dieser Extremisten an den tatsächlichen Protesten auf den Straßen des Freistaates Sachsen ist, lässt sich nicht exakt quantifizieren.“ Im Saarland sieht das Innenministerium derzeit keine Radikalisierung einer „regionalen Szene“.

Eine verstärkte Vereinnahmung der Proteste durch Rechtsextreme oder eine gewachsene Beteiligung dieser an den Protesten beobachten die Innenministerien – außer Bayern – nicht. „In Baden-Württemberg haben es Rechtsextremisten nicht geschafft, die Corona-Protestbewegung in ihrer Gesamtheit zu unterlaufen oder für ihre eigenen extremistischen Ziele zu instrumentalisieren“, heißt es aus Stuttgart.

Das Berliner Innenministerium berichtet, dass die Teilnehmer der „Spaziergänge“ in Berlin laut Polizei mehrheitlich regierungskritisch eingestellt wären und sich augenscheinlich überwiegend bei alternativen Medien informieren. Eine Beteiligung rechter und rechtspopulistischer Akteure sei auch hier nur vereinzelt festzustellen, so der Ministeriumssprecher. „Prägenden Einfluss auf das Versammlungsgeschehen haben diese Personen nicht.“

Das schleswig-holsteinische Innenministerium ergänzt, dass jene Akteure „eher in der Menge“ mitliefen, „als in der ersten Reihe prominent mitzumarschieren“. In sozialen Netzwerken und der szeneinternen Kommunikation würde das Protestgeschehen dann wirklichkeitsverzerrend so dargestellt, dass hier in der großen Mehrheit Menschen unterwegs wären, die ideologisch auf der gleichen Linie lägen wie man selbst. „Das heißt, ein im Kern oft bürgerlicher Protest wird im rechtsextremistischen Sinne uminterpretiert.“

NRW-Innenministerium registriert eine verbale Radikalisierung

Allerdings registriere das NRW-Innenministerium eine verbale Radikalisierung der Gegner von Corona-Maßnahmen bzw. einer Impfpflicht vor allem in den sozialen Medien. Die Sicherheitsbehörden würden darüber hinaus feststellen, dass aus der Protestszene die Bedrohungen gegen vermeintliche Befürworter der Corona-Schutzmaßnahmen zunehmen. Dazu rechnet die Szene, insbesondere Politiker, Journalisten sowie Wissenschaftler.

Vor allem Politiker würden immer wieder eingeschüchtert und bedrängt. Dies reiche von unangemeldeten Protesten vor den Wohnanschriften bis hin zu Einschüchterungen, Bedrohungen und Mordaufrufen. Neu sei, dass auch Ärzte immer öfter zum Feindbild stilisiert, angegriffen und bedroht würden, heißt es. Thüringen beklagt, dass Weisungen der Versammlungsbehörden und der Polizei regelmäßig nicht beachtet werden und die Aggressivität der Teilnehmer zunimmt. Das Erfurter Ministerium sieht unter den Spaziergängern auch Menschen mit einem diffusen Unzufriedenheitssyndrom.

Das bayerische Innenministerium erklärt, dass das Corona-Protestmilieu in seiner Gänze „nicht unter den Beobachtungsauftrag des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) fällt“. Das BayLfV beobachtet allerdings extremistisch bewertete Teilmilieus der Protestszene (Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie Personen, die dem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zuzurechnen sind).

Die Belastung der bayerischen Polizei durch die derzeitige Versammlungslage sei „hoch“. Eine angemessene polizeiliche Betreuung der Versammlungslagen könne jedoch auch weiterhin sichergestellt werden.

Auch die anderen Länder sprechen von hoher Belastung, aber keiner Überlastung. Das Schweriner Innenministerium spricht in diesem Zusammenhang von „großen Herausforderungen“ für die Landespolizei.

„Montagsspaziergänge grundsätzlich Versammlung nach Art. 8 GG“

Wie ordnen die Länder die Spaziergänge ein? Dazu erklärt der Berliner Innensenat: „Der aktuellen Rechtsprechung folgend (z.B. VG Neustadt, VG Karlsruhe und OVG Rheinland-Pfalz) handelt es sich bei den ‚Montagsspaziergängen‘ grundsätzlich um Versammlungen im Sinne des Art. 8 Grundgesetz.“

Dieser Einschätzung scheint sich ein Großteil der Bundesländer anzuschließen, wobei es auch Unterschiede gibt. Während Bremen die als Spaziergänge deklarierten Kundgebungen, die sich gegen Corona-Maßnahmen richten, „ausnahmslos“ als Versammlungen einstuft, erklärt Bayern, dass Corona-Spaziergänge „in der Regel“ öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne von Art. 8 GG darstellen würden. Das baden-württembergische Innenministerium relativiert und schreibt: „Ob entsprechende Protestaktionen als Versammlung einzustufen sind, ist nach den konkreten Umständen im Einzelfall von der zuständigen Behörde zu beurteilen.“

Laut Hamburger Innenministerium sieht die Hamburger Polizei generell nicht angezeigte „Spaziergänge“ mit entsprechenden Merkmalen einer gemeinsamen Meinungskundgabe, unabhängig davon, ob tatsächlich geäußert oder schweigend zum Ausdruck gebracht, als Veranstaltungen mit Demonstrationscharakter, an.

Dementsprechend würden für derartige Spaziergänge unter freiem Himmel vor allem Anzeigepflichten und -fristen, Hygienevorgaben sowie die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske gelten. Und es teilt mit: „Die Leitung einer nicht angemeldeten Versammlung stellt eine Straftat mit entsprechenden Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden dar.“

Das Ministerium in Kiel äußert, falls eine Person im Vorfeld einer Versammlung für einen Versammlungstermin werbe, Verhaltenstipps gebe und dann persönlich bei der Versammlung anwesend sei, könne diese auch als veranstaltende oder leitende Person angesehen werden.

Zwangsmittel durch die Polizei

Neben den bereits oben erwähnten Fragen stellten wir den Innenministerien auch Fragen zu dem Hintergrund für den Einsatz von Zwangsmitteln auf verschiedenen Spaziergängen. Dazu gehört das Einkesseln, das Besprühen mit Pfefferspray und die vorläufige Gewahrsamnahme.

Das Berliner Innenministerium antwortet daraufhin: „Das Einschließen von Personen erfolgt in der Regel dann, wenn von den Teilnehmenden die Identität festgestellt werden soll, um eine Straftat und/oder Ordnungswidrigkeit zur Anzeige zu bringen. Die Einschließung erfolgt, damit sich die Personen nicht vom Ort entfernen und Identitätsfeststellungen durchgeführt werden können. Diese sind für die Einleitung der o.g. Verfahren unabdingbar. Polizeiliche Absperrungen in Form einer Polizeikette sollen unter anderem verhindern, dass die Versammlungsteilnehmenden zu einem bestimmten Ort gelangen, bzw. sich den geplanten strafprozessualen Maßnahmen entziehen.“

Das Innenministerium in Schwerin erklärt auf unsere Anfrage hin, dass die Polizei vor Ort nirgends Versammlungen für oder gegen die Corona-Maßnahmen gewaltsam unterbunden hat. Filmmaterial aus unterschiedlichen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt jedoch ein anderes Bild.

In Bayern, wo es mehrfach zu Ausschreitungen zwischen Polizeikräften und Versammlungsteilnehmern bei mehreren unangemeldeten und angemeldeten Spaziergängen kam, nachdem die Polizei augenscheinlich friedliche und unbewaffnete Proteste stoppte oder auflösen ließ, hieß es:

„Die bayerische Polizei geht nicht gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor.“ Bei der Lage am 5.1. in München [die wir als Beispiel in unserer Anfrage an das bayerische Innenministerium erwähnten] wären erhebliche Widerstandshandlungen sowie erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Auslöser für das robuste Vorgehen der Polizeikräfte vor Ort gewesen. „Im Übrigen wurden die von ihnen genannten „Spaziergänge“ aufgrund erheblicher Infektionsgefahren durch die Landeshauptstadt München im Vorfeld verboten.“

Das sächsische Innenministerium teilte mit, dass „das Handeln der Polizei bei der Absicherung von Versammlungen kommunikativ, deeskalierend, verhältnismäßig und an den Erfordernissen des Neutralitätsgebotes ausgerichtet sowie an die konkrete Lage vor Ort angepasst“ ist. Zum gewaltsamen Einschreiten der Polizei am 3.1. in Lichtenstein verweist das Ministerium auf eine Pressemeldung, in der unter anderem von 40 gewaltbereiten Teilnehmern und 14 verletzten Beamten die Rede ist. Epoch Times berichtete über die Vorfälle. Auf die Frage, warum die Landeskennzeichnung auf der Uniform der Polizisten an diesem Tag abgeklebt war, wie Augenzeugen gegenüber Epoch Times berichteten, wird erklärt: „Der beschriebene Sachverhalt ist hier nicht bekannt. Daher teilen wir Ihnen allgemein mit, dass Einsatzkräfte grundsätzlich in geschlossenen Einsätzen die Kennzeichnung zur Orientierung untereinander und als internes Führungsmittel tragen. Es kann taktische Gründe geben, aus denen die Kennzeichnung abgenommen wird.“

Die Innenministerien behalten sich vor, Versammlungen aufzulösen, wenn alle Möglichkeiten zu Auflagen ausgeschöpft sind und sie trotzdem eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sehen. Dazu zählt beispielsweise auch die Nichteinhaltung von Hygienevorschriften. 

Rechtswissenschaftler Martin Schwab kommentiert: „Wer an einem Corona-Spaziergang teilnimmt, wird dabei von dem Bestreben geleitet, dass diese Hygienevorschriften abgeschafft werden, weil sie in den Augen der Teilnehmer keine evidenzbasierte Grundlage haben und dem Gesundheitsschutz nicht etwa zu-, sondern im Gegenteil abträglich sind. Nehmen wir z.B. die Maskenpflicht: Gegner der Corona-Maßnahmen halten Masken für nutzlos und schädlich und können sich für diese Einschätzung auf peer-reviewte Studien berufen, die eben dieses aussagen. Jetzt sollen die Gegner der Maskenpflicht ausgerechnet auf einer Veranstaltung, auf der die Abschaffung dieser Pflicht gefordert wird, eine Maske tragen. Das beeinträchtigt massiv die Kommunikationsziele der Veranstaltung. Das muss auf die Teilnehmer so wirken, wie wenn man Menschen, die gegen die Tabakindustrie demonstrieren, zur Auflage macht, während der Veranstaltung zu rauchen.“



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