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Kapazität fraglich

Reduzierte Kraftwerksstrategie von Merz: Was das für unser Stromnetz bedeutet

Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Regierungskollegen stellen die neue Kraftwerksstrategie vor. Die ausgeschriebene Kapazität fällt noch geringer aus, als die EU kürzlich vorgegeben hat. Zudem stellt sich die Frage, wann die Kraftwerke wirklich in Betrieb gehen können.

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Die Führungsspitze der Regierungskoalition hat am 13. November 2025 die neue Kraftwerksstrategie vorgestellt. (V.l.n.r.: Markus Söder (CSU), Bärbel Bas (SPD), Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD))

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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In Kürze:

  • Die Regierungskoalition stellt die neue Kraftwerksstrategie für Deutschland vor.
  • Insgesamt schreibt die Regierung 10 Gigawatt für neue grundlastfähige Kraftwerke aus.
  • Fünf Jahre soll es bis zur Inbetriebnahme dauern, möglich sind auch ein paar Jahre mehr.
  • Ein Vergleich mit dem Versorgungssicherheitsbericht der Bundesnetzagentur stellt die Kapazitätshöhe infrage.

 
Die Bundesregierung hat sich auf eine „Kraftwerksstrategie“ geeinigt. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD will damit die Versorgungssicherheit gewährleisten, wenn Windkraft- und Solaranlagen nicht genügend Strom liefern können.

Merz: 8 plus 2 neue Gigawatt

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verkündete dazu am Donnerstagabend auf 𝕏:
„Deutschland braucht Strom, der immer verfügbar ist. Mit der Kraftwerksstrategie schreiben wir ab 2026 insgesamt 8 Gigawatt neue Kapazitäten aus, die bis 2031 in Betrieb gehen sollen – für eine stabile und verlässliche Energieversorgung.“
Die Bundesregierung bemüht sich dafür um eine schnelle Einigung mit der EU-Kommission. Zuletzt hat diese die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, neue Gaskraftwerke mit einer steuerbaren Kapazität von 20 Gigawatt (GW) auszuschreiben, auf 12 GW begrenzt. Im Jahr 2023 sprach sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sogar für eine zusätzliche Reservekapazität von bis zu 25 GW aus – ebenfalls in Form von Gaskraftwerken.
Bis 2045 dürfen diese Kraftwerke noch „technologieoffen“ sein. Danach sollen sie Wasserstoff anstatt Erdgas in Energie umwandeln können, somit sollten sie bereits „H2-Ready“ sein.
Ebenso gab der Kanzler zu weiteren „technologieoffenen“ 2 GW grünes Licht. Diese sollen 2026 und 2027 ausgeschrieben werden und 2032 in Betrieb gehen. Merz stellte an diese Kapazität jedoch die Bedingung, dass diese frühzeitig auf Wasserstoff umstellen müssten, sofern dafür weitere Gaskraftwerke errichtet werden. Die Bundesregierung gewähre für deren Umstellung eine Betriebskostenförderung. Optional könne auch ein Batteriepark entstehen.
Eine zusätzliche Ausschreibung soll 2029 möglich sein. Das Beschlusspapier verlangt eine regionale Steuerung. Das bedeutet, dass die neuen Kraftwerkskapazitäten vorzugsweise in Süddeutschland entstehen, um einen netzdienlichen Effekt zu erzielen.

Sind 5 Jahre bis zur Inbetriebnahme realistisch?

Die von der Bundesregierung angepeilten fünf Jahre bis zur Inbetriebnahme erscheinen optimistisch. Bereits im vergangenen Jahr äußerte sich Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns EnBW, über die Kraftwerksstrategie der Regierung. Zur Bauzeit sagte er:
„In der Regel dauern Planung, Genehmigung und Bau von neuen Kraftwerken sechs bis acht Jahre.“
Ebenso hält Siemens-Energy-Chef Christian Bruch das anvisierte Jahr 2031 für den Bau neuer Gaskraftwerke für knapp. Hierbei spricht er von einem „Fotofinish“.
Das begründet Bruch mit langen Lieferzeiten. Bei großen Gasturbinen seien es derzeit vier Jahre, sagte der Manager. Und es sehe nicht so aus, als würden sich die Lieferzeiten in den nächsten 18 Monaten entspannen. Deswegen müsse man schon jetzt loslegen und Anfang 2026 in den Vergabeprozess kommen.
Kraftwerksstrategie

Das Kraftwerk im oberbayerischen Irsching gilt als das modernste Gaskraftwerk in Europa.

Foto: Tobias Hase/Archiv/dpa

Die Gaskraftwerke sollen in Zukunft verstärkt als Reserve einspringen, wenn die „Erneuerbaren“ den Strombedarf – etwa bei Dunkelflaute – nicht decken können. Aus der Kohleverstromung will Deutschland schrittweise bis 2038 aussteigen, wodurch viel grundlastfähige Leistung verloren geht.
Eine weitere Reserve stellen schon jetzt teils massive Stromimporte aus den umliegenden Nachbarländern dar. Zu manchen Zeiten bezieht die Bundesrepublik mehr als 10 GW. Am 7. November 2025 lag der Höchstimportwert bei knapp 14 GW.

Sind 10 GW ausreichend?

In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage, ob 10 GW an zusätzlicher Leistung künftig den möglicherweise steigenden Strombedarf decken können. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Path to Zero soll sich der Jahresstrombedarf von Deutschland bis 2045 auf bis zu 881,5 Terawattstunden (TWh) erhöhen. Das entspricht fast dem Doppelten des aktuellen Bedarfs. Im vergangenen Jahr lag der Nettostromverbrauch bei insgesamt rund 465 TWh.
Die Bundesnetzagentur würde die Frage wohl mit einem Nein beantworten. Erst im September 2025 erklärte sie mit ihrem aktuellen Versorgungssicherheitsbericht, dass schon bis zum Jahr 2035 im ungünstigsten Fall bis zu 35,5 GW an Reservekapazität nötig wären. Das entspricht rund der 4,5-fachen Menge, die die Bundesregierung jetzt ausgeschrieben hat.
Sollten also bis 2031 Gaskraftwerke mit 8 GW entstehen, müssten in den darauffolgenden vier Jahren weitere Kraftwerkskapazitäten von bis zu 27,5 GW in Betrieb gehen.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Das Fachgebiet von Maurice Forgeng beinhaltet Themen rund um die Energiewende. Er hat sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Klima spezialisiert und verfügt über einen Hintergrund im Bereich der Energie- und Gebäudetechnik.

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