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Bundeswehrreform

Neuer Wehrdienst: Kommt die Einberufung per Los?

Nach monatelanger Diskussion soll der „Neue Wehrdienst“ am 16. Oktober erstmals im Bundestag beraten werden. Union und SPD haben sich laut Medienberichten inzwischen auf das Verfahren zur Rekrutengewinnung geeinigt. Geplant ist ein freiwilliger Wehrdienst – mit möglichem Rückgriff auf ein Losverfahren, falls zu wenige junge Männer bereitstehen.

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Ab 2026 sollen alle jungen Menschen in Deutschland nach ihrem 18. Geburtstag Post vom Staat bekommen. Archivbild.

Foto: Sean Gallup/Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.


In Kürze:

  • Erste Lesung des neuen Wehrdienstgesetzes am 16. Oktober im Bundestag
  • Union und SPD einigen sich auf freiwilliges Modell mit möglicher Auslosung
  • Fragebögen ab 2026: Pflicht für Männer, freiwillig für Frauen
  • Bundeswehr soll langfristig auf 260.000 Soldaten wachsen

Am Donnerstag, 16.10., soll es nach der Verzögerung zu Monatsbeginn zur ersten Lesung des sogenannten Neuen Wehrdienstes kommen. Unterdessen hat das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) berichtet, dass es mittlerweile eine Einigung zwischen Union und SPD über das Procedere bei der Rekrutengewinnung gibt. Die Epoch Times hat diesbezüglich eine eigene Anfrage an das Bundesverteidigungsministerium gestellt und wird den Beitrag gegebenenfalls updaten.

Neuer Wehrdienst beginnt mit Online-Fragebogen

Wie das RND aus den Fraktionen erfahren haben will, soll dabei auch ein Losverfahren eine Rolle spielen. Am Beginn soll ein Prozess zur Wehrerfassung stehen. Alle jungen Menschen sollen nach ihrem 18. Geburtstag eine Befragung zu Bereitschaft und Fähigkeit zur Ableistung des Wehrdienstes erhalten.
Die ersten Fragebögen werden 2026 versandt. Junge Männer sind verpflichtet, den über einen QR-Code abrufbaren Online-Fragebogen auszufüllen. Junge Frauen können ihn freiwillig beantworten. Sind die Fragebögen eingegangen, soll eine bestimmte Anzahl an Personen ausgelost werden, die anschließend gemustert und zu einem Gespräch gebeten werden.
Die Ausgelosten sollen dann zu einem mindestens sechsmonatigen verpflichtenden Wehrdienst herangezogen werden, wenn nicht ausreichend freiwillige Meldungen einlangen. Zwischen Union und SPD hatte es zuletzt Streit gegeben, inwieweit die angestrebte Anzahl an Personal für die Bundeswehr ausschließlich auf Grundlage der Freiwilligkeit mobilisierbar wäre.

Miersch hält Dienst für hinreichend attraktiv – Freiwilligkeit werde ausreichen

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch erklärte, er halte es für richtig, dass „Zieldaten“ bei der Zahl der nötigen Freiwilligen genannt würden. Einen Automatismus sieht er jedoch weiterhin nicht. Gegenüber RTL und ntv äußerte er am Montag:
„Aber es gibt nicht den Tag XY, wo man dann den Hebel umschaltet und einen Automatismus einsetzt.“
Die Gesetzesvorlage von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius geht von einer freiwilligen Entscheidung für den Wehrdienst aus. Um die erforderliche Anzahl an Rekruten zu erreichen, soll der Dienst in der Bundeswehr mit finanziellen und sonstigen Anreizen verbunden sein.
Miersch geht davon aus, dass es eines Losverfahrens gar nicht erst bedarf, weil die angestrebte Anzahl an zusätzlichem Personal durch freiwillige Meldungen zustande komme. Der Dienst sei „durchaus attraktiv“, betont der SPD-Politiker. So soll es unter anderem die Möglichkeit geben, den Führerschein im Zuge des Dienstes zu erwerben. Über reguläre Fahrschulen sind für den Erwerb eines Führerscheins vierstellige Kosten einzuplanen.

Losverfahren soll neuer Debatte um Wehrgerechtigkeit entgegenwirken

Minister Pistorius ist nun am Zug, wenn es darum geht, zu erklären, ab welchem Zeitpunkt er wie viele Wehrpflichtige benötige. Dies solle eine Grundlage für die mögliche Nutzung von Pflichtelementen darstellen. In Dänemark gibt es bereits ein solches Losverfahren. Zwar gibt es dort eine allgemeine Wehrpflicht, allerdings wird nur ein Fünftel eingezogen.
Eine ähnliche Situation kannte Deutschland in den Jahren vor der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 jedoch auch selbst. Theoretisch waren alle Männer eines Jahrgangs wehrpflichtig, sofern kein Untauglichkeitskriterium vorhanden war. Allerdings leistete nur ein Bruchteil davon tatsächlich Wehrdienst. Von den Männern des Jahrgangs 1983 waren es beispielsweise nur 66.798 oder 15,38 Prozent.
Ersatzdienst leisteten von jenem Jahrgang 101.236 junge Menschen – beispielsweise als Zivildienst, im Katastrophenschutz, im Entwicklungsdienst oder im Wege eines freiwilligen ökologischen oder sozialen Jahres. 266.057 wehrpflichtige junge Männer des Jahrgangs 1983 oder 61,28 Prozent leisteten gar keinen Wehrdienst – beispielsweise, weil sie ausgemustert wurden.

Neuer Wehrdienst soll Aufbau schlagkräftiger Reserve dienen

Schon damals führte dies zu einer Debatte über die Wehrgerechtigkeit. So hieß es vielfach, es werde zu schnell ausgemustert. Beispielsweise sei dies bei jungen Männern mit schlechten Ergebnissen beim Sprachtest mehr oder weniger automatisch erfolgt. Außerdem sei nicht geprüft worden, ob etwa Wehrpflichtige mit Sehbehinderung nicht etwa im Telefondienst hätten eingesetzt werden können.
Das Losverfahren soll solchen Debatten nun von vornherein entgegenwirken. Auch würde sich der Aufwand für Musterungen in Grenzen halten. Einige Punkte des Entwurfs könnten auch noch im Wege des parlamentarischen Verfahrens konkretisiert werden. Derzeit gibt es dort nur eine Eventualregelung über die mögliche Einziehung von Wehrpflichtigen. Diese solle erst erfolgen, wenn „die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“.

Widerstand gegen neuen Wehrdienst

Der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFGVK), Michael Schulze von Glaßer, hat juristischen Widerstand gegen das geplante Gesetz zum Neuen Wehrdienst angekündigt.
„Die Bundesregierung möchte auf Biegen und Brechen die Zahl der Soldatinnen und Soldaten steigern“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Das gesamte Wehrdienst-Modernisierungsgesetz steht dabei juristisch auf extrem wackeligen Beinen. Wir werden es von Juristen prüfen lassen und angreifen, wo es geht. Und bereits am Donnerstag werden wir zur Lesung des Gesetzes im Bundestag gegen die Kriegsdienstkoalition protestieren und ihr undurchsichtiges Wehrdienstgesetz mit einem Gartenhäcksler schreddern.“ Der neue Wehrdienst werde die Aufrüstungsspirale nur weiterdrehen und nicht mehr Sicherheit bringen.
Schulze von Glaßer sagte weiter: „Den Plan, aus den jungen Männern, die verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen mussten, per Losverfahren solche auszuwählen, die zur Musterung vorgeladen werden, lehnen wir ab.“ Die massive Änderung am Gesetzentwurf nur wenige Tage vor der Ersten Lesung im Bundestag und kurz nach der Billigung im Bundeskabinett zeige zudem die Planlosigkeit der Bundesregierung.
Aufgrund der Anforderungen der NATO infolge der behaupteten russischen Bedrohung soll die Bundeswehr von jetzt rund 180.000 Soldaten auf perspektivisch 260.000 anwachsen. Benötigt würden zudem 200.000 Reservisten. Der Neue Wehrdienst soll vor allem der Bildung der Reserve dienen. Dieser gehört jeder ehemaligen Wehrdienstleistenden automatisch an.
 
Mit Material von Nachrichtenagenturen
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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