Logo Epoch Times
plus-iconGlobaler Reformdruck

Von Milei bis DOGE: Radikaler Bürokratieabbau mit Milliardenwirkung – Rezept auch für Deutschland?

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsender Staatsverschuldung gewinnt der Ruf nach einem schlankeren Staat international an Bedeutung, wobei Argentinien und die USA radikale Reformen vorantreiben. In Deutschland verfolgt die Regierung bislang vorsichtigere Schritte im Bürokratieabbau. Forderungen nach verbindlichen Zielen zur Effizienzsteigerung nehmen aber auch hierzulande zu.

top-article-image

20. Februar 2025 – Argentiniens Präsident Javier Milei schenkt Elon Musk bei CPAC eine symbolische Kettensäge für den Kampf gegen die Bürokratie.

Foto: Saul Loeb / AFP via Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 10 Min.

Bei der Vorstellung des Jahresberichts des Normenkontrollrates im Oktober letzten Jahres stellte der Vorsitzende des Rates, Lutz Goebel, fest, dass der jährliche Erfüllungsaufwand – also Zeit und Kosten durch neue Gesetze – im vergangenen Jahr nur noch um rund 400 Millionen Euro gestiegen ist, deutlich weniger als in den Vorjahren. Während die Wirtschaft erstmals seit 2019 entlastet wurde, musste die Verwaltung 821 Millionen mehr schultern. „Die Bemühungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau beginnen sich auszuzahlen. Das hat ein verhaltenes Lob verdient“, so Goebel damals. Gleichzeitig mahnte er aber, dass Deutschland inzwischen auf einem „hohen Aufwandsplateau angekommen“ ist. Davon müsse man dringend runter.

Der Vorsitzende fordert ein verbindliches Ziel:

25 Prozent weniger Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand in vier Jahren – das wären fünf Milliarden Euro weniger Aufwand pro Jahr.“

Sonst verhallten alle Ankündigungen und „wir schaffen den ersehnten Kulturwandel nie“, so Goebel. Die Politik dürfe das „Momentum jetzt nicht vorbeiziehen lassen“.

Die zukünftige schwarz-rote Bundesregierung hat sich auf die „Modernisierung des Staates“ geeinigt. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Wir modernisieren den Staat, schaffen neue Spielräume für Bürgerinnen und Bürger und machen Deutschland wieder stark.“

Auf der Website der CDU Deutschland schreiben die Christdemokraten, was sie darunter verstehen:

Schluss mit Bürokratiewahnsinn, digitaler Rückständigkeit und langsamen Genehmigungsverfahren. Mit einer konsequenten Verwaltungsreform schaffen wir einen Staat, der wieder funktioniert – für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen, für unser ganzes Land.“

Ruf nach einem schlanken Staat wird lauter

In Deutschland hat sich der politische und gesellschaftliche Diskurs in den vergangenen Jahren zunehmend mit der Frage befasst, wie staatliches Handeln effizienter gestaltet werden kann. Mehrere strukturelle Entwicklungen tragen dazu bei, dass der Ruf nach einem schlanken Staat lauter wird. Zum einen beklagen viele Unternehmen und Branchenverbände eine wachsende Belastung durch langwierige Genehmigungsprozesse, umfangreiche Berichtspflichten und sich überlagernde Regulierungen. Eine Studie des ifo-Instituts im Auftrag der IHK München und Oberbayern beziffert die durch Bürokratie verursachten wirtschaftlichen Verluste auf bis zu 146 Milliarden Euro jährlich.
„Das große Ausmaß der Kosten durch die Bürokratie verdeutlicht die Dringlichkeit des Reformbedarfs. Die Kosten von Nichtstun sind riesig, gemessen am Wachstumspotenzial, das im Bürokratieabbau schlummert“, sagte Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, im November bei der Vorstellung der Studie.
Zugleich verschärft der zunehmende Fachkräftemangel in den öffentlichen Verwaltungen die Lage. Zahlreiche Kommunen und Landesbehörden können ausgeschriebene Stellen nicht besetzen. Der Beamtenbund hat im Januar seinen „dbb Monitor öffentlicher Dienst 2025“ vorgestellt. „Die zusammengestellten Zahlen und Fakten zeigen aktuelle Probleme unserer Gesellschaft. Zentral dabei: Dem öffentlichen Dienst fehlen 570.000 Beschäftigte – etwa 20.000 mehr als im Jahr zuvor“, sagte der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach bei Vorstellung des Monitors.
Wie der Monitor weiter belegt, ist das Zutrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates im vergangenen Jahr nur noch sehr niedrig: Laut dbb Bürgerbefragung 2024 sind gerade noch 25 Prozent der Befragten überzeugt, dass der Staat handlungsfähig ist und seine Aufgaben angemessen erfüllen kann.
Der Ärger über die Bürokratie in Deutschland ist groß. Schon vor fünf Jahren veröffentlichte das Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage zum Unmut der Bürger in Deutschland über Vorschriften und Bürokratie in Deutschland: Fast dreiviertel der Bevölkerung gab an, sich in den vergangenen fünf Jahren über zu viel Bürokratie geärgert zu haben. Besonders häufig wurden dabei Bauvorschriften, Steuervorgaben und komplizierte Fördermittelbeantragungen genannt. Diese Wahrnehmung wird durch mediale Berichterstattung über lange Bauantragsverfahren oder Verzögerungen bei der Auszahlung staatlicher Leistungen verstärkt. In Summe führen diese Entwicklungen dazu, dass Forderungen nach einem effizienteren, weniger bürokratischen Staat sowohl von wirtschaftlicher als auch gesellschaftlicher Seite erhoben werden. Die neue Bundesregierung steht also vor großen Aufgaben. Andere Länder könnten als Beispiel dienen.

Milei setzt auf Deregulierung als Staatsreform

Am 10. Dezember 2023 übernahm Javier Milei das Amt des argentinischen Präsidenten. Wenige Tage nach Amtsantritt verkündete er ein umfassendes wirtschaftspolitisches Maßnahmenpaket, das über ein Notstandsdekret umgesetzt wurde. Dieses umfasste die Aufhebung oder Änderung von über 350 wirtschaftsbezogenen Vorschriften, darunter das Mietpreisgesetz, Regulierungen im Arbeitsrecht sowie Bestimmungen zur Preisbindung bei Arzneimitteln.
Laut dem argentinischen Ökonomen Federico Sturzenegger, einem engen Berater Mileis und von diesem zum Minister für Deregulierung und Staatsumwandlung ernannt, zielte die Reform darauf ab, institutionelle Ineffizienz zu beseitigen und den Verwaltungsapparat zu entlasten. So begründete Sturzenegger diese Maßnahmen gerade erst in einem Vortrag bei der Inter American Development Bank Ende April.
In einem Interview mit der „Financial Times“ (Bezahlschranke) sagte Sturzenegger:
„Je schlechter die Gesellschaft, desto mehr Gesetze wird es geben. In der Hölle gibt es nur Gesetze.“
Laut „Latin America Brief“ des Lateinamerika-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft kürzte der argentinische Präsident Milei im ersten Jahr nach seinem Amtsantritt im Dezember 2023 die Staatsausgaben um bis zu 30 Prozent. Die Wurzel der Inflation wurde damit in sehr kurzer Zeit gekappt. Nach vielen Jahren erwirtschaftete der Staatshaushalt damit erstmals wieder einen Überschuss. Statt der monatlichen Inflation von über 20 Prozent liegt sie heute bei um die 3 Prozent. Die Jahresinflation könnte Ende dieses Jahres dann auf 25 Prozent gesunken sein. Für argentinische Verhältnisse ist das wenig und ein Erfolg der Politik Mileis.
Ein Bericht des Magazins „Politico“ bezifferte Ende April die prognostizierten Einsparungen durch DOGE auf rund 160 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig stiegen laut Daten des Congressional Budget Office die föderalen Verwaltungsausgaben im gleichen Zeitraum um rund 6 Prozent.

Bürokratieabbau durch gesetzliche Entlastungspakete

In Deutschland wurde zu Jahresbeginn das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) in Kraft gesetzt. Laut dem Bundesministerium der Justiz beinhaltet es 23 Einzelmaßnahmen, darunter die Reduzierung von Aufbewahrungsfristen in der Buchführung (von zehn auf acht Jahre) sowie Erleichterungen bei Meldepflichten für kleinere Unternehmen.
Das ifo-Institut in München veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Analyse zu den volkswirtschaftlichen Effekten administrativer Belastung. Die Studie schätzt die jährlichen Bürokratiekosten in Deutschland auf rund 50 Milliarden Euro. Das BEG IV könne zwar punktuelle Entlastungen bieten, greife jedoch zu kurz, um strukturelle Hemmnisse im deutschen Verwaltungsrecht zu beseitigen. Eine weitere Studie, der Länderindex Regulierung 2024 der Stiftung Familienunternehmen, kommt zu dem Schluss, dass Deutschland bei Genehmigungsdauer, Transparenz und Verfahrensdichte im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld rangiert.

Vorsichtige Reformen statt Kettensäge

Was eine neue Bundesregierung in den kommenden Jahren im Bereich Verschlankung des Staates durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sind mehrere Maßnahmen zur Staatsverschlankung und Modernisierung der Verwaltung vorgesehen.
Geplant ist eine Zusammenlegung von Behörden und eine Reduzierung des Bundespersonals um bis zu 20 Prozent. Zusätzlich sollen zahlreiche Sonderbeauftragte abgeschafft werden, da die Ministerien mehr Eigenverantwortung übernehmen sollen.
Ein zentrales Ziel der Koalition ist die Digitalisierung des Staates: Neue Gesetze sollen künftig einem Digital-Check unterzogen werden, ein eigenständiges Digitalministerium soll geschaffen und das sogenannte „Once Only“-Prinzip eingeführt werden – Bürgerinnen und Bürger sollen ihre Daten nur einmal angeben müssen, Behörden sollen diese dann intern austauschen können.
Auch die Gesetzgebung soll klarer strukturiert werden: Neue Regelungen dürfen nur noch zum 1. Januar oder 1. Juli in Kraft treten. Weiterhin plant die Koalition eine grundlegende Reform des Sozialstaats, bei der Leistungen gebündelt, vereinfacht und digital über ein zentrales Bürgerportal zugänglich gemacht werden. Ziel ist ein handlungsfähiger, moderner Staat, der effizient, digital und bürgernah arbeitet.

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.