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Wohnungsverband befürchtet Mietenexplosion

„Zukunftsentscheid“ angenommen: Hamburg will fünf Jahre früher klimaneutral sein - hohe Kosten befürchtet

Hamburger stimmten in einem Volksentscheid für ein ambitioniertes Klimaziel: Schon bis 2040 soll der Stadtstaat klimaneutral sein – fünf Jahre früher als der Bund. Doch Kritiker warnen vor milliardenschweren Belastungen und sozialen Härten.

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Nach dem Volksentscheid muss Hamburg die Klimaneutralität von 2045 auf 2040 vorziehen.

Foto: Georg Wendt/dpa

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Lesedauer: 7 Min.


In Kürze:

  • Hamburg stimmt in einem Volksentscheid für Klimaneutralität bis 2040.
  • Das Klimagesetz schreibt jährliche CO₂-Obergrenzen und Sektorziele vor.
  • Die Wohnungswirtschaft warnt vor massiven Kosten und höheren Mieten.
  • Schon sieben Bundesländer planen Klimaneutralität bis 2040.

 
In Berlin war der Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ im März 2023 noch am Quorum gescheitert. In Hamburg hingegen haben 41.237 Stimmen sichergestellt, dass die erforderliche Teilnehmerzahl am „Zukunftsentscheid“ erreicht wurde. Am Sonntag, 12. Oktober, stimmten 303.936 Abstimmungsberechtigte (53,2 Prozent) für und 267.609 (46,8 Prozent) gegen das sogenannte Klimaschutzverbesserungsgesetz. Damit soll der Stadtstaat bereits fünf Jahre vor den nationalen Zielen die „Klimaneutralität“ erreichen.
Das Stimmverhalten in den Bezirken variierte teils erheblich. In den Bezirken Hamburg-Mitte und Altona haben rund 60 Prozent für die weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen gestimmt. In einzelnen Wahllokalen im Stadtteil St. Pauli waren es fast 86 Prozent. Für die Vorlage stimmten auch Eimsbüttel und Hamburg-Nord.

Uneinheitliches Abstimmungsverhalten in den einzelnen Bezirken

Demgegenüber gab es Nein-Mehrheiten in den Bezirken Wandsbek, Bergedorf und Harburg. Die Initiatoren – von Fridays for Future über die Gewerkschaft Verdi bis zum FC St. Pauli – verdanken ihren Erfolg vorwiegend der Mobilisierung. Die politischen Parteien hatten die Initiative mehrheitlich abgelehnt. Nur im Fall der Linken waren sowohl Partei als auch Bürgerschaftsfraktion für eine Annahme. Bei den Grünen sprach sich die Landespartei dafür aus, nicht aber die Fraktion.
Am Ende stimmten rund 23 Prozent aller Wahlberechtigten für das Maßnahmenpaket. Insgesamt nahmen 43,6 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung teil.

Schon bis 2030 müssen Emissionen um mindestens 70 Prozent sinken

Senat und Bürgerschaft sind nun an die Vorgabe gebunden und müssen den Entwurf umsetzen, der jährliche Obergrenzen für den CO₂-Ausstoß vorsieht. Dies setzt auch eine Änderung des bestehenden Klimaschutzgesetzes von 2020 voraus.
Der Klimaplan der Stadt muss Sektorenziele definieren, unter anderem für Verkehr und Industrie, aber auch für Gewerbe und sogar für private Haushalte. Bislang sind Etappenziele festgeschrieben. Stellt das regelmäßige Monitoring fest, dass Sektorenziele verfehlt werden, sind Sofortprogramme vorgeschrieben.
Schon bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen, die von Hamburg ausgehen, um mindestens 70 Prozent sinken. Bis 2040 sollen es 98 Prozent sein. Jahresemissionsgesamtmengen sollen eine verbindliche Grundlage zur Definition jährlicher Minderungsziele werden. An diesen sollen sich die im Klimaplan festzulegenden Sektorziele orientieren.
Mit der Überprüfung der jährlichen Ziele soll auch eine „Schätzbilanz“ verbunden sein. Diese soll helfen, die Emissionen Verursachern zuzuordnen. Diese Erhebung soll den Zwischenbericht ergänzen, der bereits jetzt der Bürgerschaft vorgelegt werden muss.

„Zukunftsentscheid“ in Hamburg betont „Sozialverträglichkeit“

Die Ziele des Volksentscheides sollen „sozialverträglich“ umgesetzt werden, heißt es in der Vorlage.
Die Kosten für den Wohnungsbestand, die Vertreter der Wohnungswirtschaft und die grüne Umweltsenatorin Katharina Fegebank auf 55,4 Milliarden Euro schätzen, dürfen nur begrenzt an Mieter weitergereicht werden. Vermietern soll die Last durch Förderprogramme erleichtert werden. Der Senat muss nun einen Weg finden, deren Finanzierung sicherzustellen.
Der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner, geht davon aus, dass ein erheblicher Kostenbeitrag zu Modernisierungen an den Mietern hängen bleiben wird: „Es ist ja nicht so, dass sich unsere auf Fakten beruhenden Rechnungen durch das Abstimmungsergebnis in Luft auflösen.“
Für wohlhabende Haushalte wäre das Vorziehen der Klimaneutralität eher unproblematisch. Treffen werde sie hingegen „Menschen, die schon heute jeden Euro zweimal umdrehen müssen“. Ihnen würden „jene, die die finanziellen Folgen kleingeredet haben, künftig einiges erklären müssen“.

Gutachten: Klimamaßnahmen machbar – aber nur mit einschneidenden Maßnahmen

Der Austausch von Heizungsanlagen, Fenstern und Dächern vor ihrem „technischen Lebensende“ sei keine Instandhaltungsmaßnahme, sondern eine Modernisierung, betonte Breitner. Diese könnten auf die Mieter umgelegt werden und damit zu Mietsteigerungen führen.
Auch soziale Vermieter könnten aufgrund der zusätzlichen Belastung gezwungen sein, bislang nicht genutzte zulässige Mieterhöhungsmöglichkeiten umzusetzen. Der Mieterverein zu Hamburg hatte sich im Vorfeld allerdings für die vorzeitige Klimaneutralität ausgesprochen.
Einem Gutachten des Hamburg Instituts und des Öko-Instituts im Auftrag der Stadt zufolge müssen bis 2040 alle Gas- und Ölkessel in Wohn- und Nichtwohngebäuden ausgetauscht werden – bei gleichzeitiger Stilllegung des gesamten Gasnetzes.
Generell gelten die Ziele des „Zukunftsentscheids“ dem Gutachten zufolge als machbar, allerdings nur mit einschneidenden Maßnahmen.
Zu den weiteren Maßnahmen, die das Konzept vorsieht, gehört unter anderem auch eine flächendeckende Einführung von Tempo 30. Zudem ist eine deutliche Reduktion des Pkw-Verkehrs ins Auge gefasst. Zwar verfügt die Hansestadt als Großstadt über ein ausgebautes ÖPNV-Netz, welche konkreten Folgen das Votum hingegen für den Berufsverkehr haben wird, ist weiterhin offen.

Kritiker sehen Härten für Betriebe und Arbeitnehmer: „Wer kann, der flüchtet?“

Betriebe werden dem Gutachten zufolge Erdgas und weitere fossile Brennstoffe vollständig durch Wasserstoff oder E-Fuels ersetzen müssen. Wie das konkret vonstattengehen soll, lassen die Initiatoren bislang ebenfalls offen. Bis dato besteht in beiden Bereichen weder eine marktreife Technologie noch die dafür erforderliche Infrastruktur.
Während bei den Befürwortern des Volksentscheides Jubel herrscht, befürchten Kritiker in sozialen Medien, dass diese die Folgen der Entscheidung unterschätzt haben könnten.

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In sieben Bundesländern ist Klimaneutralität bis 2040 bereits als Gesetz beschlossen, von der Landesregierung geplant oder im Koalitionsvertrag vereinbart. Dazu gehören Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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