Logo Epoch Times
Hybride Kriegsführung

NATO prüft „aggressiveres Vorgehen“ im Cyberraum - Moskau warnt vor Eskalation

Eine Äußerung des Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses stößt auf massive Kritik aus Moskau. Admiral Giuseppe Cavo Dragone hatte über präventive, teils offensive Maßnahmen im Bereich hybrider Kriegsführung gesprochen – der Kreml spricht von einer gefährlichen Eskalationsbereitschaft.

top-article-image

Wirft der NATO gefährliche Eskalationsbereitschaft vor: Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums.

Foto: Maxim Shipenkov/EPA/dpa

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 8 Min.

 

In Kürze:

  • NATO-Admiral Dragone spricht über mögliche „präventive“ Cyberaktionen.
  • Der Kreml nennt die Aussagen „extrem verantwortungslos“.
  • Russland sieht seine Warnungen vor einer NATO-Eskalation bestätigt.
  • NATO und EU verweisen auf zunehmende hybride Bedrohungen.

 
Während die USA ihre Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Krieges intensivieren, hat der Kreml jüngst veröffentlichte Äußerungen aus den Reihen der NATO scharf kritisiert.
In einem am Montag, 1. Dezember, veröffentlichten Interview äußerte sich der italienische Marineadmiral Giuseppe Cavo Dragone gegenüber der „Financial Times“, wie sich die Allianz gegen mutmaßliche „hybride Kriegsführung“ vonseiten Russlands wehren könne.
In diesem Zusammenhang erklärte der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der obersten militärischen Instanz des Bündnisses, dass innerhalb der NATO ein „aggressiveres“ Vorgehen gegen solche Bedrohungen erwogen werde. Dabei könne selbst ein „Präventivschlag“ als „Akt der Verteidigung“ gelten. Allerdings, betonte Dragone, liege dies „sehr weit von den üblichen Denkweisen und dem gewohnten Verhalten“ der Allianz entfernt.
Aus Russland hieß es dennoch, die Aussagen seien „äußerst verantwortungslos“.

NATO will auf Aktivitäten in der „Grauzone“ reagieren

Dragone erklärte in der „Financial Times“, man „prüfe“ derzeit alle Optionen. Im Bereich des Cyberspace sei die NATO bislang „sehr reaktiv“. „Aggressiver und proaktiver zu handeln“, sei etwas, worüber intensiv nachgedacht werde. Die zentrale Aufgabe der Allianz bestehe darin, „künftige Aggressionen abzuschrecken“.
Der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses fügte hinzu: „Wie Abschreckung erreicht wird – durch Vergeltung, durch Präventivschlag – müssen wir tief analysieren, denn in Zukunft könnte noch mehr Druck in dieser Richtung entstehen.“
Die NATO definiert hybride Kriegsführung als eine „Verschmelzung konventioneller und unkonventioneller Mittel“. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Unterwanderung und Destabilisierung eines Gegners sowie Angriffe, die die eindeutige Zuordnung der Verantwortlichen erschweren.
Hybride Kriegsführung spielt sich in einer Grauzone unterhalb eines konventionellen Krieges ab. Sie kann unter anderem auf kritische Infrastrukturen abzielen, aber auch Cyberangriffe und Spionage werden unter diesem Begriff zusammengefasst.
Europa war in den vergangenen Jahren von zahlreichen hybriden Vorfällen betroffen, von der Durchtrennung von Kabeln in der Ostsee bis zu Cyberangriffen auf dem gesamten Kontinent. Einige Sabotageakte wurden Russland zugeschrieben, bei anderen gilt die Urheberschaft als unklar. Moskau hat eine Verantwortung für die Vorfälle stets zurückgewiesen.

Kreml nennt Aussagen „verantwortungslos“

Auch wenn Dragone ausdrücklich nicht von einem Präventivschlag mit konventionellen Waffen gesprochen hat, scheint man sich im Kreml dennoch in der Einschätzung bestätigt, die NATO entwickle sich von einem Verteidigungs- zu einem Angriffsbündnis.
Von Russland wurde dieser Vorwurf seit den ersten „Out of area“-Einsätzen des Bündnisses – etwa 1999 im ehemaligen Jugoslawien oder 2011 in Libyen – geäußert.
Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, sprach in Reaktion von einem „extrem verantwortungslosen Schritt, der auf die Bereitschaft der Allianz hindeutet, die Eskalation zu suchen“. In einer Erklärung betonte Sacharowa, man sehe die Aussagen Dragones als „bewussten Versuch, die Bemühungen zur Überwindung der Ukrainekrise zu unterminieren“.
Wer solche Aussagen tätige, solle sich „der Risiken und möglichen Konsequenzen“ bewusst sein, fügte die Sprecherin hinzu – „auch für die Mitglieder der Allianz selbst“. Die NATO schüre antirussische Hysterie bezüglich eines angeblich bevorstehenden Angriffs aus Moskau. Dragones Aussagen „gießen auf ernste Weise Öl ins Feuer einer bereits bestehenden Konfrontation“.
Dabei ist nicht klar, wann der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses die Äußerungen getätigt hat.

Russland bestreitet absichtliches Eindringen in NATO-Luftraum

In den vergangenen Monaten haben NATO-Staaten Russland wiederholt vorgeworfen, die Entschlossenheit des Bündnisses auszutesten, unter anderem durch Luftraumverletzungen oder Störungen des zivilen Luftverkehrs. Solche Vorfälle hat es in mehreren Mitgliedsländern gegeben.
Gesichert ist, dass Polen am 9. September einige Russland zugerechnete „drohnenähnliche Objekte“ im Grenzgebiet abgeschossen hat, die in eine russische Offensive in der Westukraine involviert waren. Offen ist, inwieweit die Drohnen sich zum Zeitpunkt des Abschusses bereits im polnischen Luftraum befunden hatten – und inwieweit das Eindringen absichtlich erfolgt war.
Die Besorgnis über die Vorfälle veranlasste die NATO am 12. September, eine große Luftoperation namens „Eastern Sentry“ zu starten, mit dem erklärten Ziel, ihre östliche Flanke zu verteidigen.
Für Irritationen hatten in den vergangenen Monaten auch Zwischenfälle mit Drohnen gesorgt, die unter anderem in Dänemark und Norwegen, aber auch in Deutschland teils zu mehrstündigen Sperren großer Flughäfen geführt hatten. Eine russische Beteiligung konnte allerdings bislang nur in drei von 61 Drohnensichtungen in elf Ländern nachgewiesen werden.
Mitte November geschah in Polen ein Sprengstoffanschlag auf eine strategisch wichtige Bahnlinie. Warschau vermutet, dass russische Geheimdienste dahinterstecken.
Laut einer Analyse von Microsoft vom Oktober nahmen mutmaßliche russische Cyberangriffe auf NATO-Länder innerhalb eines Jahres um 25 Prozent zu. Während die Ukraine nach wie vor das Hauptziel ist, sind laut dem Bericht alle anderen Länder unter den Top Ten NATO-Mitglieder. Deutschland steht laut der Studie auf Platz 3 als Angriffsziel.
Russland hat konsequent Vorwürfe bestritten, absichtlich in den NATO-Luftraum eingedrungen zu sein. Auch die behauptete Sabotage europäischer Infrastruktur, Cyberangriffe oder Störungen der Luftfahrt durch Drohnen in Flughafennähe stellte der Kreml in Abrede.
Vonseiten der Bundesregierung wurde in der Bundespressekonferenz am Mittwoch davor gewarnt, die „hybride Bedrohung“ durch Russland zu unterschätzen. Einzelne Zeitungsberichte seien diesbezüglich für die Beurteilung weniger relevant als die langjährigen Einschätzungen mehrerer Geheimdienste.
Auf Nachfrage der Epoch Times erklärte Steffen Meyer, der Sprecher des Auswärtigen Amtes, jedoch bezüglich der „Präventivschlag“-Thesen Dragones: „Ich habe noch mal sehr klar darauf hingewiesen, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis ist. Das ist die Konstitution der NATO. Daran wird natürlich nichts geändert.“

Von der Leyen spricht von „hybridem Krieg“, Putin droht

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am 8. Oktober im EU-Parlament erklärt, es gebe ein „beunruhigendes Muster von wachsenden Drohungen“ für die europäische Sicherheit. Dieses sei nicht im Bereich konventioneller Kriegsführung angesiedelt. In Straßburg erklärte von der Leyen: „Es ist an der Zeit, es beim Namen zu nennen: Das ist hybrider Krieg, und wir müssen es sehr ernst nehmen.“
Gehe man nicht zur Abschreckung über oder zögere man mit dem Handeln, „wird sich die Grauzone nur ausweiten“, so die Kommissionspräsidentin.
Von der Leyen selbst sah sich Anfang September dem Vorwurf der Desinformation ausgesetzt. Aus ihrer Behörde hieß es anlässlich eines Termins in Bulgarien, eine mutmaßlich von Russland ausgehende GPS-Jamming-Attacke habe die Landung ihrer Maschine auf dem bulgarischen Flughafen Plowdiw verzögert. Doch Bulgariens Regierung zog später die Darstellung, es habe eine nennenswerte Störung gegeben, zurück.
Wladimir Putin machte kürzlich vor dem Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff am Mittwoch eine Ansage an Europa: „Wir haben nicht vor, mit Europa zu kämpfen, das habe ich schon hundertmal gesagt. Aber wenn Europa wiederum kämpfen will und anfängt, dann sind wir dazu sofort bereit“, sagte der russische Präsident.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.