In Kürze:
- Palantirs Aufstieg: Von CIA-Wurzeln zur deutschen Polizei.
- Software ist in einigen Bundesländern im Einsatz.
- Europas Dilemma: Abhängigkeit von den USA mangels eigener Alternativen.
- Manfred Weber: Ermittlungsbehörden sollten Daten nutzen, doch sei eine neue Grundsatzdiskussion erforderlich.
Wenn ein Unternehmen sich nach einem mächtigen Kristall aus „Der Herr der Ringe“ benennt, der in falschen Händen Verderben bringt, sollte man sich fragen: Wer darf da mit hineinsehen – und zu welchem Preis? In Tolkiens Welt sind die Palantíri Kristallkugeln, mit denen man weit entfernte Orte sehen und Nachrichten austauschen kann. Tolkiens Finsterling Sauron setzt sie ein, um jeden in Mittelerde zu überwachen, zu betrügen und zu bedrohen, der seinen Interessen im Wege steht.
Von PayPal zum Pentagon: Die Wurzeln von Palantir
Das auf Überwachung und Datenerfassung spezialisierte Unternehmen Palantir, gegründet 2003 vom PayPal-Mitgründer Peter Thiel, hat sich weltweit einen Ruf erarbeitet – insbesondere durch Aufträge von US-Geheimdiensten, dem Pentagon und der israelischen Armee. In Krisenregionen wie Gaza oder in der Ukraine identifiziert die Software von Palantir mögliche Angriffsziele. Auch in Afghanistan und im Irak kam sie zum Einsatz. Wichtiger früher Geldgeber von Palantir war In-Q-Tel, der Investmentableger der CIA.
Sowohl Thiel, geboren in Frankfurt am Main, als auch Palantir-Mitbegründer und CEO Alexander Karp haben Verbindungen nach Deutschland: Karp, der an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main in Philosophie promovierte, war sogar bis 2020 für mehrere Monate im
Aufsichtsrat von Axel Springer.In Deutschland nutzen bereits mehrere Bundesländer Software auf Basis von Palantirs KI-gestütztem Analyse- und Auswertungssystem Gotham. Damit können unter anderem Querverbindungen in Polizeidatenbanken hergestellt werden und so unter Umständen Straftaten vorhergesagt und möglicherweise im Vorfeld verhindert werden – das sogenannte
„Predictive Policing“ (Vorhersagende Polizeiarbeit).
Die möglicherweise bundesweit geplante Implementierung der Schnüffelsoftware sorgt in Deutschland für Diskussionen und Kritik.
Abhängigkeit von Washington: Cloud Act und Trump-Nähe
Deutschland könnte in Abhängigkeit von den Interessen der jeweiligen US-Regierung gebracht werden – bis hin zu der Gefahr, als „Trump-Datenkrake“ missbraucht zu werden. Thiel
gehörte 2016 zu den frühesten finanziellen Unterstützern von Donald Trumps erster Kandidatur für die Präsidentschaft. Er finanzierte auch dem aktuellen Vizepräsidenten JD Vance den Start seiner politischen Karriere.
Palantir ist ein amerikanisches Unternehmen und unterliegt damit dem „Cloud Act“. Dieser verpflichtet IT-Unternehmen und Dienstleister aus den USA jedoch per Gesetz dazu, US-Behörden auch auf im Ausland gespeicherte Daten Zugriff zu gewährleisten.
Als Hessen im Jahr 2017 als erstes Bundesland die Software des US-Unternehmens einführte, geschah dies in einer Phase gesteigerten sicherheitspolitischen Drucks. Der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 hatte den Fokus auf islamistischen Terror gelenkt – Sicherheitsbehörden suchten nach technischen Lösungen, um die Datenflut zu strukturieren.
Unter dem Namen Hessendata wurde die Palantir-Software Gotham ohne öffentliche Ausschreibung beschafft, was zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss führte. Schon damals erhoben Kritiker den Vorwurf, das Bundesland habe nicht nur einen Vertrag abgeschlossen, sondern ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen,
das sich heute kaum noch zurückdrehen lässt.Seitdem hat sich Palantirs Gotham-Plattform in Deutschland verbreitet. In NRW heißt es
DAR, in Bayern läuft es unter dem Kürzel VeRA und auch in Baden-Württemberg hat die Landesregierung den Einstieg beschlossen. Währenddessen lehnen Länder wie Hamburg, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen den Einsatz ab und setzen auf eigene IT-Systeme. Hessen selbst erklärte im Sommer 2025, dass es sich bei der KI-gestützten Überwachung im Frankfurter Bahnhofsviertel um eine Software-Eigenentwicklung für 700.000 Euro handele, die von Hessendata unabhängig sei.
Epoch Times berichtete. Jetzt Palantir auf Bundesebene?
Die Bundesländer sind sich uneinig, ob eine europäische Gesamtlösung hermuss oder ob Palantir auf Bundesebene eingeführt werden soll. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt lässt dies derzeit prüfen. Er habe kein „Störgefühl“ gegenüber der Software, so der CSU-Politiker, der Bedenken gegen den Einsatz der Analysesoftware bei der Polizei für unbegründet hält. „Mir geht es darum, dass wir Verbrechen aufklären und weitere verhindern können“, so Dobrindt gegenüber dem „Stern“.
Jetzt hat Bundesjustizministerin Stefanie Hubig sich in die Debatte eingemischt. Die SPD-Politikerin will an den bundesweiten Einsatz der Analysesoftware Bedingungen knüpfen, denn es gebe „erhebliche Vorbehalte“ in der Öffentlichkeit, die erst ausgeräumt werden müssten. Da seien einerseits die Befürchtungen, dass sensible Daten von Bürgern an ausländische Stellen weitergegeben werden könnten. Andererseits steht die „gefährliche Abhängigkeit“ von einem Anbieter, in die sich Deutschland begeben könnte, so Hubig.
Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kritisiert, dass man noch keine eigene Alternative zu Palantir-Software entwickelt habe. „Es geht hier um eine Schlüsseltechnologie für die Sicherheitsbehörden“, so Fiedler, der bis 2021 Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter war, gegenüber dem ZDF.
Ist Palantir alternativlos?
Diejenigen, die sich für die amerikanische Schnüffelsoftware entschieden haben, gaben gegenüber „netzpolitik.org“ an, dass bei den Vergabeverfahren „kein gleich geeigneter Anbieter identifiziert werden“ konnte. Palantir sei die einzige Firma gewesen, die alle wesentlichen Kriterien im Vergabeverfahren erfüllen konnte. Auch auf dem europäischen Markt gebe es „keine konkurrenzfähige Alternative“.
In Bayern, wo Palantir bereits eingesetzt wird, gibt sich die Regierung laut „Bayerischem Rundfunk“ überzeugt, dass „auch in absehbarer Zeit kein deutsches – respektive europäisches – Unternehmen bzw. Konsortium in der Lage sein wird, ein konkurrenzfähiges Produkt anzubieten“.
Eine alternative Softwarelösung, NasA der Firma Secunet, die
2024 im Bundestag diskutiert wurde, verlief im Laufe des Jahres im Sande. Im europaweiten Vergabeverfahren habe bisher nur Palantir eine marktverfügbare Softwarelösung angeboten, die den Ansprüchen entsprochen habe, hieß es aus dem Innenministerium, schreibt der ORF..
Abwägung zwischen Datenschutz und Datennutzen für Behörden
Auf die Frage, wie die Haltung zu Palantirs Software bezüglich der europäischen Souveränität sei, antwortete der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) im Europäischen Parlament:
„Die technologische Entwicklung ist da, und deshalb brauchen auch unsere Ermittlungsbehörden die Möglichkeiten, neue Technologien zu nutzen.“
Europäische Standards mit europäischen Prinzipien und mit europäischer Software, müssten das Ziel sein, so Weber gegenüber Epoch Times. Allerdings: Die Abwägung zwischen Datenschutz und dem Nutzen der Daten für unsere Ermittlungsbehörden erzwinge auch eine neue Grundsatzdiskussion.