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Börsencrash und Inflation belasten die Gesundheit – so bewahren Sie einen kühlen Kopf
Börsenbeben sind nicht nur Zahlen auf Bildschirmen. Sie lösen Ängste aus, machen krank und treffen besonders die, die emotional investieren. Warum Wissen über Geld und Märkte ein wirksamer Schutzschild für die mentale Gesundheit sein kann.

Jede Krise birgt auch eine Chance – aber nur für die, die kühlen Kopf bewahren. Warum Wissen über Geld und Märkte ein wirksamer Schutzschild für die mentale Gesundheit sein kann.
Foto: Nudphon Phuengsuwan / iStock
Als im März 2020 die Welt in den Corona-Schock rutschte, stürzten nicht nur die globalen Aktienmärkte ab – auch viele Anleger erlebten gleichsam einen inneren Absturz. Der DAX verlor in wenigen Tagen fast 40 Prozent an Wert, binnen kürzester Zeit schien er fast nichts mehr wert. Betriebswirt Helge Karlowsky, ein privater Investor aus Rostock, erinnert sich noch genau an diese Wochen: „Ich konnte nachts nicht mehr schlafen. Ich saß stundenlang vor dem Bildschirm, starrte auf rote Zahlen. Es fühlte sich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen.“
Karlowskys Geschichte steht exemplarisch für das, was viele Menschen in wirtschaftlichen Krisenzeiten durchmachen – eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Angst, Hoffnung, Panik und Verdrängung. Auch jetzt erleben die Börsen einen historischen Ausverkauf, die Kurse fallen so stark wie seit der Corona-Pandemie nicht mehr. Der DAX war teilweise um über 10 Prozent eingebrochen.
Seit Trumps Zollpaket hat sich die Stimmung bezüglich der Aussichten für die Weltwirtschaft massiv eingetrübt. Dabei wird die psychische Belastung durch starke Kurseinbrüche in der öffentlichen Debatte oft unterschätzt. Doch gerade diese seelische Komponente hat enorme Auswirkungen – sowohl auf individuelles Wohlbefinden als auch auf das wirtschaftliche Verhalten.
Psychische Auswirkungen von Börsencrashs
Wissenschaftliche Studien zeigen schon lange, dass wirtschaftliche Unsicherheit eng mit psychischen Problemen verknüpft ist.
Der amerikanische Gesundheitssoziologe M. Harvey Brenner untersuchte in den 1970er-Jahren den Zusammenhang zwischen Konjunkturschwankungen und psychischer Gesundheit und fand dabei einen klaren Anstieg von Depressionen und Suiziden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Durch die Verknüpfung umfangreicher wirtschaftlicher und institutioneller Daten aus dem Bundesstaat New York für den Zeitraum von 1841 bis 1967 kam Brenner zu dem Schluss, dass Instabilitäten in der Volkswirtschaft die wichtigste Quelle für Schwankungen bei den Einweisungen in psychiatrische Kliniken oder den Einweisungsraten waren.
Auch neuere Untersuchungen, etwa während der Finanzkrise 2008, bestätigen diesen Zusammenhang. Ein Forschungsteam um Shu-Sen Chang von der University of Hongkong hatte Daten zu Selbstmordraten aus 54 Ländern ausgewertet und „British Medical Journal“ berichtete, dass die Zahl der Suizide nach dem Beginn der weltweiten Finanzkrise 2008 deutlich gestiegen war.
Warum wirken sich Börsencrashs so massiv auf die Psyche aus?
Es ist oft nicht nur der materielle Verlust, der viele belastet, sondern das Gefühl des Kontrollverlusts. Wenn vertraute Muster wegbrechen und plötzlich nichts mehr kalkulierbar erscheint, geraten Menschen ins Wanken. An den Börsen gibt es extreme Ausschläge, die Hoffnung zu Gier werden lassen können und gleichzeitig die Angst befeuern, alles wieder zu verlieren. Es besteht die Gefahr, an den schwankenden Börsen von einem Gefühlsstrudel mitgerissen zu werden.
Die Schwächsten trifft es zuerst
Die Auswirkungen von Crashs auf den Wohlstand gelten besonders auch für Anleger mit wenig Erfahrung oder Geld oder solche, die viel Geld im Spiel haben: Wer etwa als Daytrader täglich mit Kursbewegungen jongliert, erlebt in Krisenzeiten nicht selten ein emotionales Dauerbeben. Hinzu kommt der Einfluss von Medienberichterstattung und sozialen Netzwerken, die in Krisenzeiten häufig eher zur Panik beitragen als zur Orientierung.
Dramatische Schlagzeilen, spekulative Prognosen und ständige Updates führen zu einem regelrechten Informationsrausch – der selten hilfreich, dafür oft aber destabilisierend ist. Angeheizt wird die psychische Abwärtsspirale auch durch soziale Vergleiche: Wer sieht, wie andere besser durch die Krise zu kommen scheinen, fühlt sich selbst schnell als Verlierer.
Psychologisch betrachtet geraten viele Anleger in eine klassische Stressreaktion: Flucht oder Angriff – oder eben Entscheidungslähmung.
Der Tradingcoach Roland Ullrich redet von einer Angstfalle beim Trading, der Börsenexperte und Buchautor beschreibt diesen Zustand als eine Art emotionales Kurzschlussdenken, bei dem rationale Strategien durch impulsive Reaktionen ersetzt werden. Gerade in solchen Momenten greifen psychologische Phänomene wie die sogenannte Verlustaversion – Verluste schmerzen doppelt so stark, wie gleich große Gewinne erfreuen.
„Trotz besseren Wissens treffen viele Anleger irrationale Entscheidungen – nicht aus Dummheit, sondern weil evolutionär verankerte Denk- und Verhaltensmuster auf die komplexe Realität der Finanzmärkte prallen“, erklärt Ullrich gegenüber Epoch Times. „Unser Gehirn ist nicht für die völlige Ungewissheit und Unvorhersehbarkeit der Märkte geschaffen, sondern für klare Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.“ An der Börse gebe es aber keine Gesetzmäßigkeiten, wie der Mensch sie aus der Natur kennt. „Unbewusst suchen wir Halt, Orientierung und Kontrolle – an der Börse eine Illusion.“ Für Ullrich ist der größte Gegner des Anlegers nicht der Markt, sondern er selbst: Emotionale Impulse wie Angst vor Verlusten oder die Gier nach schnellen Gewinnen sabotierten rationale Entscheidungen.
Ruhig Blut bewahren zwischen Angst und Gier
In seinen Marktkommentaren verweist Analyst und Unternehmer in der Finanzwelt Philipp Hopf regelmäßig auf die „Fear and Greed“-Skala – ein Modell, das versucht, die emotionale Stimmungslage an den Märkten zu messen. Eine Art Stimmungsindikator, der misst, wie ängstlich oder gierig Anleger aktuell sind und versucht, dies in eine Skala von 0 bis 100 zu übersetzen. Eine Empfehlung: antizyklisch denken. Also dann kaufen, wenn alle verkaufen. In der Theorie klingt das einfach – in der Praxis erfordert es mentale Stärke, Disziplin und ein gewisses Maß an emotionaler Distanz. Ob aber der von einer Krise und deren Folgen betroffene Normalbürger oder der in Aktien investierte, oder auch aktive Trader, auf die sich Experten wie Hopf oder Ullrich vornehmlich beziehen – die psychologischen Prinzipien sind wohl die gleichen.
Maximilian Kupfer, Schauspieler, Unternehmer und privater Investor aus Würzburg, investiert seit Jahren. Aktien, Krypto, Gold – er hat mit allen Erfahrungen gesammelt und dabei so manche Achterbahnen der Gefühle erlebt. Und daraus seine Schlüsse gezogen, wie er im Gespräch mit Epoch Times erzählt: „Das Schlimmste, glaube ich, ist, dass du anfängst, ständig im Minus zu verkaufen, weil du fürchtest, es wird noch schlimmer. Also die meisten Leute verlieren, weil sie so Angst haben und dann sozusagen der Sache, der sie mal ihre Gier anvertrauen wollten, den Rücken kehren.“ Sein Tipp, gespeist aus eigener Erfahrung: „Kaufe dann, wenn alle schreien, dass du verkaufen sollst. Also immer dann, wenn es rot ist, kaufen. Grüne Zahlen einfach vermeiden bis zu dem Zeitpunkt, wo man anfängt, sein Portfolio zu verkaufen. Und dabei einfach gar keine Emotionen reinbringen.“ Rot wird von Menschen als Warnsignal verstanden, antrainiert von der Gesellschaft, so Kupfer. Er habe sich das abtrainiert und sieht Rot nicht als Stopp, sondern als Kaufsignal. „Das ist mein Tipp, Rot nicht als Gefahr zu betrachten.“
Für Coach Roland Ullrich ist Trading vor allem auch Persönlichkeitsentwicklung, für ihn steht fest: „Wer sich an der Börse langfristig behaupten will, muss lernen, gegen die eigene Natur zu handeln – mit Disziplin, Prozessdenken und einem klaren Regelwerk.“
Für den Buchautor von „Trading-Psychologie für dummies“ liegt die Lösung in der emotionalen Selbstregulation: Erfolgreiche Trader und Anleger entwickeln Routinen, die mentale Stabilität fördern, und handeln regelgebunden – unabhängig von Meinungen oder Vorhersagen. Sie denken in Wahrscheinlichkeiten und kontrollieren das Einzige, was kontrollierbar ist: das eigene Verhalten.
Krisensicher denken: Wie Finanzbildung vor emotionalen Fehlentscheidungen schützt
Ob private Anleger oder auch jemand, der beruflich als Trader Geld verdient – wie also kann man sich gegen die psychischen Fallstricke eines Börsencrashs wappnen?
In erster Linie hilft es, einen klaren Plan zu haben. Wer seine Anlagestrategie nicht spontan entwickelt, sondern vorausschauend konzipiert, gerät in Krisenzeiten weniger schnell ins Schleudern. Auch der bewusste Umgang mit Informationen – etwa durch eine gezielte „Informationsdiät“ – kann helfen, den Kopf klar zu behalten. Nicht jede Pushnachricht ist relevant, nicht jede Analyse fundiert. Nicht jede Schwankung ist es wert, einem den Schlaf zu rauben.
Langfristig gesehen ist es vor allem die persönliche Resilienz, die entscheidet, wie gut jemand mit wirtschaftlichen Turbulenzen umgehen kann. Und dazu gehört auch: Wissen. Studien wie die der OECD von 2023, in der das Finanzwissen von Menschen in 39 Ländern erhoben wurde, zeigen, dass ein fundiertes Verständnis finanzieller Konzepte helfen kann, Risiken besser einzuschätzen und informierte Entscheidungen zu treffen.
Wer die Geschichte der Börse kennt, weiß auch: Jeder Crash war bislang nicht nur eine Bedrohung – sondern auch eine Chance. Im Rückblick zeigt sich auch: Märkte erholen sich. Wer mit kühlem Kopf investiert und nicht aus Angst handelt, hat langfristig meist bessere Karten. Doch diesen kühlen Kopf zu bewahren, wenn die Weltwirtschaft bebt, ist leichter gesagt als getan. Deshalb braucht es neben Zahlen und Strategien vor allem eines: ein Bewusstsein dafür, dass Wirtschaft auch immer Psychologie ist – und unser Wohlbefinden eng mit dem Auf und Ab der Kurse verbunden sein kann.
André Kostolany, 1999 verstorbener Börsenguru, hatte neben zahlreichen geistreichen Witzworten und Kommentaren für den Umgang mit der Beunruhigung durch kurzfristige Marktbewegungen einen berühmt gewordenen Ratschlag: „Gehen Sie an die Börse, und stecken Sie Ihr Geld in Aktien. Dazu kaufen Sie sich in einer Apotheke eine große Dosis Schlaftabletten. Nach vier Jahren wachen Sie als reicher Mann auf.“
Lydia Roeber hat sich schon ihr Studium an der FU Berlin mit Texten verdient. Früher als Reisejournalistin tätig, nimmt sie sich heute bei der Epoch Times bevorzugt die drängenden gesellschaftlichen Themen vor – von Transhumanismus über digitale Kontrolle bis zum Bildungsnotstand. Sie ist Pfarrerstochter aus dem Osten; examinierte Krankenschwester; hat einen Abschluss der FU Berlin in Psychologie, Kommunikationswissenschaften, Filmwissenschaften; lange bei n-tv Reisefilme gemacht und auch geschrieben, zwei journalistische Preise dafür gewonnen; Pressesprecherin von verschiedenen touristischen Produkten, unter anderem vom Land Island.
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