Bauernprotest vor Edeka-Zentrallagern – Management erscheint nicht zu Podiumsdiskussion

Die Situation der deutschen Bauern hat sich seit den letzten Demonstrationen dramatisch verschlechtert. Gerade als Gespräche zwischen Bauern und Handel Ergebnisse zu erzielen scheinen, kündigen die Handelsriesen die Gespräche auf und laden zum neuen Format. Für die Landwirte ein No-Go. Sie protestieren jetzt vor dem Edeka-Zentrallager Wiefelstede. Rebecca Sommer war für die Epoch Times vor Ort und sprach mit den Landwirten.
Von 25. November 2021

Seit dem 18. November protestieren deutsche Landwirte erneut vor verschiedenen Edeka-Zentrallagern. Der Auftakt des Protestes fand vor dem Edeka-Zentrallager in Wiefelstede statt.

Zwei bäuerliche Verbände, LSV-Deutschland und die Freien Bauern, luden die Manager der Edeka-Gruppe vor das Zentrallager des Unternehmens zu einer Podiumsdiskussion ein. Grund für die Proteste war, dass Edeka die monatelangen Dialoge mit den Landwirten beendet hatte und diese in ein neues Format überführen will.

Das Edeka-Management erschien nicht zur Podiumsdiskussion, stattdessen wurde vom Unternehmen brieflich ein Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt vorgeschlagen. Die Mahnwache der Bauern vor dem Edeka-Zentrallager ist bis zum 24. Dezember angemeldet.

Inzwischen hat sich der Protest in Niedersachsen auf Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz ausgedehnt.

Viele Landwirte und Teilnehmer des Agrardialogs sind erbost über die plötzliche Beendigung der Gespräche und verlangen vom Lebensmitteleinzelhandel eine Fortführung. In das neue Dialogformat, welches unter anderem vom Bauernverband initiiert wurde, haben sie kein Vertrauen.

„Wir brauchen jetzt dringend mindestens kostendeckende Preise und eine Umsetzung der Ergebnisse des Agrardialogs bis Weihnachten“, resümiert Jann-Harro Petersen von LSV-Deutschland.

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Edeka kann Protest nicht nachvollziehen

„Die heutigen Proteste können wir nicht nachvollziehen“, heißt es im Statement von Edeka Hannover-Minden am 18. November. „Mit der Überführung des Agrardialogs in die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) haben Handel und Landwirtschaft einen weiteren wichtigen Schritt gemacht, um die Landwirtschaft noch stärker zusammenzubringen. Dort werden der Dialog und die Arbeit in den Arbeitsgruppen fortgeführt.“

Die neue Plattform ermögliche es, die Ressourcen zu bündeln und weitere Verbände in den Austausch einzubinden. Edeka bedauert, „dass einzelne Gruppierungen diesen Dialog nun abbrechen und auf Konfrontation setzen“.

„Wir hoffen sehr, dass die Demonstranten von der Straße zurück an den Gesprächstisch kommen, um weiter konstruktiv an der Sache zu arbeiten. Entsprechend werden wir den Demonstranten ein Gesprächsangebot unterbreiten.“ Angekündigt wurden im Schreiben von Edeka „hochrangige Vertreter der Edeka-Zentrale und unserer Regionalgesellschaft Edeka Minden-Hannover“.

Agrardialog fand ohne Bauernverband statt

Das einmalige Gesprächs- beziehungsweise Verhandlungsformat direkt zwischen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und Landwirten, der sogenannte Agrardialog, kam zustande, nachdem Landwirte Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres bundesweit die Zentrallager des Lebensmitteleinzelhandels von Traktoren belagert hatten.

Der Bauernverband verweigerte seine Teilnahme am Agrardialog, obwohl die Landwirte von Beginn an den Verband dazu eingeladen hatten. Sieben bis acht Monate trafen sich die Verhandler ohne den Deutschen Bauernverband, der als regierungs- und großkonzernnah beschrieben und von der Politik als eigentliche Vertretung der Landwirtschaft behandelt wird.

Vom Bauernverband fühlen sich viele kleine und mittlere Familienbetriebe nicht repräsentiert. Dieser wiederum machte sich mit den Bauernprotesten auch nicht gemein. Er distanzierte sich medienwirksam von der Protestbewegung der Bauern an der Basis und somit von genau den Generationsbauern, die er nach eigenen Angaben vertritt.

Der Agrardialog wurde schließlich Ende September 2021 von den Lebensmitteleinzelhändlern (LEHs), den „Großen 4“ Handelsriesen (Edeka/Netto, Lidl, Aldi, Rewe) als auslaufendes Gesprächsformat aufgekündigt.

Gleichzeitig erging ein neues Angebot an die Vertreter der Basisbauern des Agrardialogs, am runden Tisch der „Zentralen Koordination Handel-Landwirtschaft“ (ZKHL) teilzunehmen. Die ZKHL wiederum wurde just in diesem September 2021 gegründet und vom Bauernverband, dem Raiffeisenverband und dem Deutschen Handelsverband initiiert.

Forderung der Bauern

Der von den Konzernriesen aufgekündigte Agrardialog sollte aus Sicht der verhandelnden kleinen und mittleren Generationsbauern eine schnelle Verbesserung ihrer Einkommenssituation bringen.

Bäuerliche Vertreter und Teilnehmer des Agrardialogs äußerten sich sehr zuversichtlich, dass es zeitnah zu einer Einigung und auch Umsetzung der Gesprächsergebnisse sowie den Forderungen vonseiten der landwirtschaftlichen Arbeitsgruppen kommen könnte.

Der Verein LSV-Deutschland nennt einige Beispiele der Forderungen, die im Agrardialog verhandelt wurden:

– Dreiecksverträge zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Lebensmitteleinzelhändlern

– Transparente Kennzeichnung des Herkunftslandes für Produkte und Produktbestandteile

– Berücksichtigung von Inflation und realen Produktionskosten der Erzeuger bei längerfristigen Kontrakten

– Verantwortung für die eigene Rolle in der Wertschöpfungskette.

Eine der Forderungen an die Politik war, die UTP-Richtlinie als Schutzwall gegen einen ruinösen Preiswettbewerb zu überarbeiten. Das bedeutet, ein Verbot gegen den Einkauf unterhalb der Produktionskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette einzuführen.

Gehen die Landwirte darauf ein?

Einige der bäuerlichen Vertreter und Teilnehmer des vom Handel aufgekündigten Agrardialogs sind bereit, am neuen Verhandlungsformat ZKHL mitzuwirken.

„Man kann nur was bewegen, wenn man mit am Tisch sitzt, sonst ist man raus“, sagt Maike Schulz-Broers von „Land schafft Verbindung – das Original“.

In diesen sieben bis acht Monaten hätten sie gesehen, dass sie es können: „In den Agrardialog-Arbeitsgruppen Herkunftslandkennzeichnung, Milch und Schwein haben wir produktiv Lösungsansätze und eindeutig umsetzbare Forderungen erarbeitet.“

Immerwährende Kritik am Bauernverband helfe nicht weiter. „Wenn es gilt, zu kneifen, ihn wiederum alleine in der Sacharbeit zu lassen und unsere erarbeiteten Lösungskonzepte dort nicht zu platzieren, kann nicht das Mittel der Wahl sein“, ergänzte Schulz-Broers.

Tilo von Donner, der an der Lenkungsgruppe des Agrardialogs teilnahm, ist kritischer. Gerade als der Agrardialog im September in die greifbare Nähe von Ergebnissen kam, hätte der Lebensmitteleinzelhandel diese umsetzen müssen.

„Aber genau an dieser Stelle steht der Handel vom Tisch auf und zitiert uns an den Tisch der ZKHL, obwohl der Bauernverband jederzeit auch bei unserem Verhandlungsformat hätte teilnehmen können, dieser Platz war von Anfang an frei“, erinnert Tilo von Donner, Vorsitzender von LSV Schleswig Holstein-Hamburg.

„Anstatt sich aber darum zu kümmern, dass der Bauernverband zum Agrardialog kommt,  wo er auf Augenhöhe mit am Tisch gesessen hätte, geht der Handel in die ZKHL, wo der angebotene Platz für den Agrardialog nur ein Feigenblatt wäre“, so von Donner weiter.

Diese Politik des Bauernverbandes nutze der Handel für sich, er wisse genau, dass er so keine Ergebnisse zu befürchten habe. „Wachse oder weiche – wir produzieren billige Rohstoffe“, umreißt Tilo von Donner die Strategie. Als Feigenblatt gebe er sich nicht her, nur damit anschließend gesagt werden könne, dass alle Bauern eingebunden gewesen seien.

„Deshalb werden wir weiter am Agrardialog-Tisch sitzen und darauf pochen, dass der Handel wieder zurückkommt.“ Wenn der Handel nicht komme, würden die Landwirte ihre Forderungen mit der Agrarpolitik umsetzen und dann anschließend dem Handel „überbaddeln“.

Seine Warnung lautet: „In die ZKHL gehen ist genauso, wie man bei uns hier so schön sagt: Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihren Schlächter selbst.”



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