Klimaschutzverträge „praxisuntauglich“
Rückschlag für „grünen“ Stahl: ArcelorMittal steigt aus Milliardenprojekt aus
Der Rückzug des Weltkonzerns ArcelorMittal aus einem Milliardenprojekt zur klimaneutralen Stahlproduktion trifft Deutschland ins Mark. Förderzusagen über 1,3 Milliarden Euro bleiben ungenutzt – fehlender Wasserstoff, unklare Strompreise und strenge Auflagen gelten als Hauptgründe. Experten warnen vor dem schleichenden Ende der heimischen Stahlindustrie.

Das Werk von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt.
Foto: John Macdougall/AFP/Getty Images
Ein Leuchtturmprojekt zum „klimaneutralen“ Umbau der deutschen Stahlindustrie steht vor dem Aus. Wie das „Handelsblatt“ am Freitag, 20. Juni, berichtete, hat der Stahlhersteller ArcelorMittal auf die Gewährung von staatlichen Fördermitteln in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verzichtet. Das Geld wäre für ein gemeinsames Dekarbonisierungsprojekt der ArcelorMittal-Standorte Bremen und Eisenhüttenstadt bestimmt gewesen.
Der Konzern will diese nun nicht umsetzen. Im Gespräch mit dem Medium begründete der CEO von ArcelorMittal Deutschland, Reiner Blaschek, den Schritt mit fehlendem Vertrauen in die Tragfähigkeit des Vorhabens. Er erklärte:
„Die Rahmenbedingungen ermöglichen aus unserer Sicht kein belastbares und überlebensfähiges Geschäftsmodell.“
Zu hohes Risiko für Investitionen
Zwar sei, so Blaschek weiter, die vom Bund und vom Land Bremen zugesagte Förderung „ohne Frage sehr signifikant“. Auch das Land Brandenburg hatte eine Beteiligung an der Subvention in Aussicht gestellt. Allerdings wiege die „Summe aller Risikofaktoren […] so schwer, dass wir es nicht vertreten können, diese Investition zu tätigen“.
Als zentrale Risikoquelle nennt der Spitzenmanager die strengen Vorgaben für den raschen Einsatz von grünem Wasserstoff. Dieser stellt eine wesentliche Bedingung für die Gewährung der Geldmittel dar.
Grüner Wasserstoff ist Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Dieser Wasserstoff soll künftig eine klimaneutrale Herstellung von Stahl in Deutschland ermöglichen. Neben ArcelorMittal sollen noch drei weitere Konzerne in dieses Projekt involviert sein: thyssenkrupp, Salzgitter und Saarstahl.
ArcelorMittal plant stattdessen, ein elektrifiziertes Werk im französischen Dunkerque (Dünkirchen) auszubauen, wie „RTL Luxemburg“ berichtet. Der Konzern ist einer der größten Stahlproduzenten Deutschlands und weltweit.
Fallen jetzt auch bisherige Pläne zum Wasserstoffkernnetz in sich zusammen?
Es wäre zwar theoretisch möglich, auch die in Rede stehenden Restemissionen durch einen Betrieb mit Wasserstoff weiter zu reduzieren. Allerdings ist dieser derzeit knapp und nur zu nicht konkurrenzfähigen Preisen verfügbar. Es ist mit Blick auf den Stand des Ausbaus des Wasserstoffnetzes auch bislang nicht absehbar, wann mit einer flächendeckenden und bezahlbaren Verfügbarkeit zu rechnen sei.
Dabei spielen die Stahlhersteller bisher eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Pläne zum teilweise bereits im Bau befindlichen Wasserstoffkernnetz. Sie sind als Ankerkunden eingeplant – und offenbar ist ihre zu erwartende Abnahme in die Planungen eingepreist. Fallen indessen Stahlprojekte weg, könnte eine weitreichende Umplanung des Wasserstoffkernnetzes erforderlich werden.
Auch thyssenkrupp hatte im Sommer des Vorjahres angekündigt, die für 2026 geplante Direktreduktionsanlage in Duisburg erst 2027 in Betrieb zu nehmen. Zwar ist von einem Ende des Projekts derzeit keine Rede. Wie auch die anderen Vorhaben ist dieses jedoch mit hohen Subventionen verbunden – während der Konzern ein weitreichendes Rationalisierungsprogramm angekündigt hatte.
ArcelorMittal verweist auch auf hohe Strompreise und Zollstreit
Die noch von Alt-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck abgeschlossenen Klimaschutzverträge mit der Stahlbranche bewertet ArcelorMittal-CEO Blaschek als „absolut praxisuntauglich“. Zu der bis auf Weiteres bestehenden Nichtmachbarkeit eines vollständigen Umstiegs auf erneuerbaren Wasserstoff belasteten noch weitere Faktoren den Standort.
So seien die Strompreise in Deutschland immer noch über dem Vorkrisenniveau. Dies habe den Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA und China noch weiter vergrößert. Es gebe auch keine Planbarkeit bezüglich der künftigen Strompreisentwicklung in Deutschland. Ein weiterer belastender Faktor seien die Zölle, die US-Präsident Donald Trump auf Stahl und Aluminium verhängt habe.
Die Entwicklung verschlechtere das Umfeld für Investitionen noch weiter. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte Blaschek:
„Die Zölle werden dazu führen, dass europäische Stahlhersteller weniger in die USA exportieren, zugleich aber mehr Stahl nach Europa drängt.“
Vernunftkraft sieht keine Zukunft für deutsche Stahlproduktion
Der Bundessprecher von Vernunftkraft e. V., Christoph Canne, geht davon aus, dass die Entwicklung früher oder später zu einem vollständigen Aus für die Stahlproduktion in Deutschland führen werde. Auf X schreibt er, grüner Stahl sei nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern „utopisch teuer“, weil es derzeit zu wenig und zu teuren Wasserstoff gebe.
Der Elektrolichtbogen sei in Deutschland aber keine Alternative zur Direktreduktion mit Wasserstoff, weil die Stromkosten zu hoch seien. Dies werde die Standorte Bremen, Eisenhüttenstadt und Duisburg ausschalten, und auch Saarstahl könne nur temporär durch Subventionen am Leben gehalten werden.
Wirtschaftlich könne eine Stahlindustrie unabhängig vom Verfahren nicht ohne günstige Energiepreise existieren. Diese seien jedoch durch die Energiewende und den Kernkraftausstieg torpediert worden.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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