In der Bibel erwähnt: Aus 1.000 Jahre altem Samen gewachsener Baum hat besondere Heilkräfte
Wissenschaftler haben aus einem uralten Samen, gefunden in einer israelischen Höhle, einen Baum wachsen lassen. Dieser könnte zu einer ausgestorbenen Art gehören, deren medizinische Eigenschaften in der Bibel mehrfach erwähnt werden.
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Der wiederentdeckte Baum gehört zur Familie der Myrrhen- und Weihrauchgewächse.
Botaniker, Landwirte und Archäologen haben gemeinsam ein Wunder vollbracht. Sie haben aus einem knapp 2 Zentimeter großen Samen einen lange verlorenen Baum gezogen. Das fingernagelgroße Korn wurde vor rund 1.000 Jahren in eine israelische Höhle gebracht und überdauerte dort die Jahrhunderte.
Nun erwachte der unscheinbare Samen zum Leben und mit ihm ein verborgenes Geheimnis: In einem Bibelvers wird ein Baum seiner Erscheinung erwähnt. Könnte es sich um den verehrten und hochgeschätzten Judäischen Balsambaum handeln?
Keimfähig nach 1.000 Jahren
Mitte der 1980er-Jahre stießen Archäologen bei Ausgrabungen in einer Höhle in der Judäischen Wüste in Israel auf einen kleinen Samen. Laut einer Radiokarbondatierung stammt dieser aus einer Zeit zwischen 993 und 1202 nach Christus.
Ein genauerer Blick von Biologen ergab dann das Überraschende: Nach rund 1.000 Jahren war der Samen scheinbar noch keimfähig. Also pflanzten ihn die Forscher im Jahr 2010 ein und pflegten ihn gut – kurz danach keimte er. Jetzt – 15 Jahre später – ist der Baum auf eine stattliche Höhe von 3 Metern angewachsen.
Das Forscherteam taufte ihn auf den Namen „Sheba“ und noch während er wuchs, untersuchten die Wissenschaftler seine Rinde, sein Harz und seine Blätter. Knapp 40 Jahre nach der Entdeckung berichten die Forscher über den Baum, dessen Art nun bekannt ist und dessen Spur bis in diebiblische Zeit zurückreicht.
Nach 15 Jahren ist aus dem Samen ein 3 Meter hoher Baum gewachsen.
Die botanische Analyse ergab, dass Sheba zur Gattung Commiphora gehört und damit zur Familie der Myrrhen– und Weihrauchgewächse (Burseraceae), die 200 Arten umfasst. Um welche Art es sich bei Sheba jedoch genau handelt, ist derzeit noch unbekannt, da er bisher nicht blühte. Erst dann können Botaniker die Fortpflanzungsmerkmale untersuchen und den Baum einer genauen Art zuordnen.
„Die genaue Art ist nach wie vor unklar, was die Notwendigkeit weiterer Forschung unterstreicht. Kein Labor hat bisher alle Commiphora-Arten untersucht“, erklärt Andrea Weeks, Professorin für Biologie an der George Mason University.
Einer der rätselhaftesten Aspekte der Entdeckung ist der Fundort des Samens. Laut den Forschern liege die Höhle, in der der Samen jahrhundertelang verwahrt blieb, weit außerhalb des heutigen Verbreitungsgebiets von Commiphora.
„Die Radiokarbondatierung zeigt, dass dieser Samen lange nach der biblischen Zeit entstanden ist, aber das erklärt nicht, wie oder warum er vor 800 bis 1.000 Jahren in einer Höhle in der judäischen Wüste gelandet ist“, so Weeks.
Diesen knapp 1,8 Zentimeter großen, noch keimfähigen Samen entdeckten Archäologen in einer israelischen Höhle.
Zunächst vermuteten die Forscher, dass es sich bei dem Setzling um eine Commiphora-Art handelt. Aus einer dieser Arten – nämlich Commiphora gileadensis – gewannen die Menschen der Antike den berühmten „Judäischen Balsam“ – ein stark duftendes, aromatisches Harz für medizinische Zwecke.
Unzählige griechische und römische Schriftsteller schrieben vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr. über das Wundermittel aus Judäa. Der Balsam wurde schnell zu einem der wertvollsten Exportgüter, und die Menschen verwendeten ihn als Parfüm, zur Behandlung von Krankheiten, zum Einbalsamieren, als Gegengift und – ähnlich wie Weihrauch – für religiöse Zwecke.
Aus dem Judäischen Balsambaum (Commiphora gileadensis) wurde der berühmte „Judäische Balsam“ gewonnen.
Der Judäische Balsam verschwand jedoch im 9. Jahrhundert n. Chr. aus dieser Region. Was blieb, waren lange und ungelöste Debatten zwischen Forschern über die Existenz des Wundermittels. Gab es den sagenumwobenen Balsam wirklich? Wenn ja, aus welcher Pflanze wurde er hergestellt und hat diese vielleicht sogar bis heute an einem anderen Ort überlebt? Handelt es sich bei dem erfolgreich gezogenen Setzling um die verloren geglaubte Pflanze?
Ein genetischer Vergleich brachte dann die Ernüchterung. Sheba ist nicht enger mit dem in der Levante verbreiteten Commiphora gileadensis verwandt, sondern eher mit drei südafrikanischen Arten.
Gleichzeitig unterscheidet sich Sheba deutlich von allen anderen bisher untersuchten Arten und könnte daher eine eigene, bislang unbekannte Art sein. Doch eine weitere Überraschung im Detail wartete auf ihre Offenbarung durch die Forscher.
Eine chemische Analyse der Blätter und des Harzes ergab zudem, dass der Baum arm an Duftstoffen, dafür aber reich an biologischen Verbindungen mit entzündungshemmenden und krebsbekämpfenden Eigenschaften ist. Weiterhin entdeckten die Forscher in den Blättern eine Ölart – ein Squalen –, das als Antioxidans bekannt ist und für Hautbehandlung verwendet wurde.
Dies könnte ein Beweis dafür sein, dass es sich bei dem Harz des Baumes um die in der Bibel mehrfach erwähnte medizinische Substanz „tsori“, auch „Ladanum“ genannt, handelt. „Die Identität des biblischen tsori [übersetzt: „Balsam“] ist seit Langem umstritten“, so die Forscher in ihrer Studie.
Erste Erwähnungen der beliebten Ware finden sich im Buch Genesis (37:25, 43:11) und stammen aus dem 18. bis 16. Jahrhundert v. Chr. Darin heißt es unter anderem: „Nehmt von den besten Erzeugnissen des Landes in eurem Gepäck mit und überbringt es dem Mann als Geschenk: etwas Mastix, etwas Honig, Tragakant und Ladanum, Pistazien und Mandeln.“
Im Buch Genesis, auch das 1. Buch Mose genannt, wird der biblische Balsam mehrfach erwähnt.
Auch noch in 1.000 Jahre älteren biblischen Quellen (Jeremia 8:22, 46:11, 51:8; Hesekiel 27:17) wird das Harz erwähnt. Mehrfach ist hier die Rede von dem Balsam aus dem biblischen Land Gilead im heutigen Jordanien, der heilende Wirkung besitzt. „Wie plötzlich ist Babel gefallen und zerschmettert. Weint über Babel, bringt Balsam für seine Wunden, ob es vielleicht geheilt werden könnte“, heißt es im Buch Jeremia.
Ein Baum, viele Fragen
Wegen seiner medizinischen und kaum duftenden Eigenschaft glauben die Forscher, dass es sich bei Sheba um jenen Baum handeln könnte, der das heilsame Harz „tsori“ liefert. „Wir glauben, dass Sheba eine ausgestorbene, unbekannte Commiphora-Art […] sein könnte, die einst in der Region heimisch war. Ihr Harz ‚tsori‘, das in biblischen Texten erwähnt wird, war möglicherweise wertvoll und stand mit Heilung in Verbindung, aber galt nicht als wohlriechend“, erklären die Forscher in ihrer Studie.
Doch könnte Sheba wirklich der Baum sein, von dem das heilende Harz stammt? Diese Frage muss derzeit noch offen bleiben. Während die biblischen Quellen häufig das Harz „tsori“ erwähnen, gibt es keine Beschreibung von dem Baum, der das edle Produkt lieferte.
„Wie die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen hinterlässt auch dieses Projekt mehr Fragen als Antworten“, so Weeks. „Es wirft ein Licht auf die Komplexität der Artenvielfalt und erinnert uns daran, wie sehr das Leben über die Zeit hinweg miteinander verbunden ist.“
Die Königin von Saba (englisch: Sheba) und Namensgeberin des neu gezogenen Baumes soll König Salomon den berühmten Balsam aus ihrer Heimat geschenkt haben.
Obwohl ein Großteil der Samen und Körner so klein ist, finden Archäologen sie weltweit immer wieder, sodass der Samen aus der israelischen Höhle kein Einzelfall ist. Seltener, aber nicht einmalig ist die Tatsache, dass manche von ihnen noch intakt sind und wieder zu Pflanzen heranwachsen können.
So ist Forschern unter anderem bereits die Keimung von rund 30.000 Jahre alten Samen aus dem sibirischen Permafrost gelungen sowie von 2.000 Jahre alten Dattelsamen, 1.300 Jahre alten Lotussamen und 151 Jahre alten Akaziensamen. Einige von ihnen gehören zu längst ausgestorbenen Pflanzenarten.
Das Bestreben, ausgestorbene Arten – sowohl Tiere als auch Pflanzen – wieder zum Leben zu erwecken, wird mit den Fortschritten der Genetik und Biotechnologie immer größer. Im Fall alter Samen wollen Wissenschaftler nicht nur mehr über die Vergangenheit lernen, sondern auch alte Sorten für die heutige Zeit wieder nutzbar machen.
Die Botanikerin Elaine Solowey hat deshalb mehr als 100 seltene oder fast ausgestorbene Pflanzen und Kräuter wieder zum Leben erweckt, die in der tibetischen, chinesischen und biblischen Medizin Verwendung fanden.
Ebenfalls im Fokus steht die Wiederauferstehung von altem Saatgut. Vor allem historische Getreidesorten wie Dinkel, Einkorn und Emmer sollen die moderne landwirtschaftliche Vielfalt erhöhen und widerstandsfähigere Pflanzen hervorbringen. Dies findet auch immer mehr Anklang bei den Verbrauchern.
„Die Menschen sind an Vielfalt interessiert, an mehr Geschmack, an gesünderen Zutaten – und alte Getreidesorten liefern interessante Dinge“, erklärt Friedrich Longin, Professor für Agrarbiologie an der Universität Hohenheim.