Kindheitsforscher Michael Hüter alarmiert: Das größte Gesundheitsrisiko des Menschen ist die Schule

Die familienfreundliche Krippe ist ein Desaster, die "Schulgebäudekindheit" ist nur "Bildungsbeschäftigungstherapie". In einem leidenschaftlichen Plädoyer setzt sich der österreichische Kindheitsforscher Michael Hüter für ein menschenwürdiges und "artgerechtes" Aufwachsen von Kindern und Bildungsfreiheit ein.
Von 19. August 2019

Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen, so lautet ein afrikanisches Sprichwort. In Deutschland wird diese Aufgabe hingegen Krippen, Kindergärten und Schulen übertragen. Wie fatal das ist, zeigt ein Interview mit dem Kindheitsforscher und Autor des Buches „Kindheit 6.7“, Michael Hüter aus Österreich.

Begabungen und Potenziale der Kinder werden nicht gefördert. Kinder können sich nicht entfalten. Das Familiensystem wird ebenso wie die Talente unserer Kinder zerstört. Dabei kommt „fast jedes Kind auf dieser Welt hochbegabt zur Welt“, sagt Hüter. Trotzdem haben wir heute am Ende der langen „Schulgebäudekindheit“ eine der wahrscheinlich schlechtesten Bildungen der vergangenen 200 Jahren. Wie kann das sein?

Früher war eine Familie unabhängig von Religion, Kultur, Kontinent, „geheiligt“ oder zumindest geschützt. Es war das Natürlichste der Welt, dass ein Kind bei der Familie lebte. Einer Familie wurde in der Gemeinschaft immer geholfen. Hüter betont:

Eine starke Familie, eine gesunde Familie bringt nicht nur gesunde Kinder hervor, sondern das Familienwesen ist auch die Keimzelle jeder leistungsstarken, gesunden, flexiblen oder auch innovativen Gesellschaft.“

Auch die berühmten Persönlichkeiten hätten alle kompetente Eltern. Sie brachten ihre Kinder nicht in eine Krippe oder Kindergarten und auch keine Schule, sondern sorgten allein dafür, dass Kinder alles Notwendige an die Hand bekamen, was sie für ihre Zukunft benötigten.

Die „familienfreundliche“ Krippe

Was heute passiert bezeichnet der Kindheitsforscher als ein „Desaster“. Ein Kind, das die Bindung zu seiner Familie braucht, wird aus unterschiedlichen Aspekten in eine Krippe gebracht und aus der Familie herausgerissen.

Ob Montessori- oder Waldorf-Kindergarten, man kann es noch so gut meinen. Fakt ist: Wenn Kinder mit drei Monaten oder einem Jahr in eine Ganztagskrippe kommen und dann durch die anschließende Kita-Zeit bis hin zur Schule über 18 Jahre lang von den Eltern „weggesperrt“ werden, geht man den „Weg der Verdummung“, so Hüter. Selbst kompetente Pädagogen könnten daran nichts ändern. Die fehlenden Kompetenzen, nämlich die von den Eltern, können nicht mehr nachgeholt werden.

Hüter stellt klar, dass er sich nicht gegen berufstätige Eltern wendet. Er möchte vielmehr aufzeigen, was im Bildungssystem falsch läuft. Denn die meisten Fehler begehen Eltern aus Unwissenheit. Tatsächlich stehen Eltern unter Druck.

Der Kindheitsforscher ist erstaunt, wie wenig Eltern und auch Pädagogen über die Nebenwirkungen unseres Bildungssystems wissen. Er sagt:

Wir machen viele Dinge nur deshalb, weil wir die Auswirkungen nicht sehen. Wir sehen nicht, was in Krippen passiert. Das sind geschlossene Einrichtungen.“

Von Erzieherinnen weiß er, dass die Kinder teilweise reihenweise nur notversorgt werden. Wenn man in einer Krippe mit versteckter Kamera filmen und dies als Dokumentarfilm veröffentlichen würde, dann wären die Einrichtungen binnen drei Jahren geschlossen. Davon ist der Experte überzeugt. Er ermutigt die Eltern, sich in ihre Kinder hineinzuversetzen: „Wenn ich nur einigermaßen mit meinem Kind in Verbindung bin, dann weiß ich, dass es leidet.“

Manche Eltern machen beispielsweise auch den Fehler, dass sie ihr Kind fördern, wenn sie sehen, dass sich ihr Kind für eine Sache besonders interessiert. Im Alter von Null bis sechs oder sieben Jahre sei das jedoch absolut kontraproduktiv.

Der natürliche Lernprozess

Menschen lernen seit über Tausenden von Jahren durch Nachahmung. In Großfamilien weiß man das noch. Da lernen die jüngeren Kinder automatisch von den älteren. Früher waren Kinder ständig umgeben von Eltern, Großeltern, älteren und jüngeren Geschwistern. Die Kinder haben aufgenommen, was um sie herum geschah.

Wissen wird am besten abgespeichert, wenn das Kind interessiert ist und das Kind eine Beziehung zu seinem „Lehrer“ hat, so Hüter. Dabei muss es sich in diesem Sinne nicht um einen ausgebildeten Pädagogen handeln. Jeder kompetente Mensch, der das Interesse des Kindes wecken und Leidenschaft entfachen kann, kann „Lehrer“ sein. Wichtig dafür ist, dass diese Person eine gute, vertrauensvolle Bindung zu dem Kind hat oder aufbauen kann. Laut Hüter kann auch der Baggerfahrer auf einer Baustelle „Lehrer“ sein, indem er leidenschaftlich und voller Empathie die Fragen eines interessierten Jungen beantwortet.

So etwas merkt sich ein Kind“, sagt Hüter.

Lehrer in den Schulen sind hingegen Fremde. Eine Beziehung zu einem Lehrer ist möglich. Doch wie intensiv kann diese Beziehung sein, wenn ein Lehrer Klassen mit bis zu 30 Kindern unterrichtet? Wie viel Wissen kann er uninteressierten Kindern mit Sprachschwierigkeiten vermitteln?

Bulimie-Lernen ist „Bildungsbeschäftigungstherapie“

Das antrainierte Wissen in der Schule sei nur „Bulimie-Lernen“. Nach spätestens drei bis vier Jahren seien diese Informationen nicht mehr abrufbar. Die Schule vermittele laut Hüter kein Wissen, sondern das sei „Beschäftigungstherapie“. Die meisten Menschen wollen aufgrund dieses Bildungssystems später nicht mehr lernen – ein Drama, nicht zuletzt für die Wirtschaft.

Für die Konsumgesellschaft und die Pharmaindustrie sei dieses Bildungssystem hervorragend. Viele Industriezweige würden daran verdienen.

Mit mental und physisch gesunden Kindern habe dieses Bildungssystem jedoch nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Suizidrate im Alter der 15- bis 24-Jährigen hat sich laut Hüter in den letzten 30 bis 40 Jahren vervierfacht. Die Geburtenrate hingegen sinkt. Seit Ende der 70er Jahre hat sich die Weltgeburtenrate aufgrund der Art und Weise, wie wir leben, halbiert, weiß der Forscher zu berichten.

Fehlende soziale Kompetenzen

Kinder seien jetzt weniger gesund, weniger kompetent, weniger gebildet. Der Einzug der Digitalisierung erfordert seinen Tribut. Dabei ist digitales Wissen auf Knopfdruck grundsätzlich nicht verkehrt. Hüter gibt jedoch zu bedenken, dass soziale Kompetenzen schwinden. Die Menschen müssten die Fähigkeit haben, einzuschätzen was richtig und was falsch ist. Dafür benötigt man einen gesunden Menschenverstand.

Aufgrund des heutigen Bildungssystems gehen die sozialen Kompetenzen – übrigens weltweit – zurück. Es gäbe kaum noch Empathie. Dafür nehme der Egoismus gewaltig zu.

Auch wenn wir im Frieden und Wohlstand leben und keine Hungersnot befürchten müssen, werden die Menschen doch immer kränker. Außerdem gibt es laut Hüter immer weniger Menschen weltweit.

Bevormundung der Eltern

Längst seien Eltern und Kinder zum Objekt geworden, so Hüter. Noch vor Jahrhunderten wäre es unmöglich gewesen, Eltern vorzuschreiben, wie sie ihr Kind zu behandeln haben. Heute ist es jedoch üblich und wird kaum noch hinterfragt.

Zwischen kranken, verhaltensauffälligen oder entwicklungsgestörten Kindern seien gesunde Kinder zur kleinen Minderheit geworden. Kognitive Fähigkeiten wie das Erstellen von Zusammenhängen, Konzentration, Kreativität und Sprache würden gar nicht mehr entwickelt. Entsprechend der modernen Lebensart haben wir unsere Kinder an die Erwachsenenwelt angepasst, sagt Hüter.

Was ist zu tun?

Der Experte hat nur einen Rat: „Wir müssen neu starten.“

Das ganze Gesellschaftssystem sei so verwoben miteinander, dass man alles neu gestalten müsse. Dazu gehöre, dass das Familienwesen hergestellt werden müsse, damit Kinder wieder zu Hause betreut werden können. Die Eltern müssten finanziell unterstützt werden. Ihnen sollte es freigestellt werden, ob sie zu Hause bleiben oder nicht. Insoweit fragt Hüter:

Ein Krippenplatz kostet 1.000 bis 1.200 Euro im Monat. Wieso gibt man das nicht den Eltern?“

Dann könnten Mütter oder Väter zu Hause bleiben. Und vielleicht würden mehr Eltern die Möglichkeit schaffen, dass ihre Kinder zu Hause bleiben, wenn sie wüssten, was weltweit führende Mediziner längst erkannt haben:

Das größte Gesundheitsrisiko des Menschen ist die Schule“, sagt Hüter.

Fakt sei, dass es viele Menschen gäbe, die nichts an diesem System ändern wollen. Der Kapitalismus profitiere eher von einer kranken Gesellschaft als von einer gesunden.

In Deutschland gibt es laut Hüter drei bis viermal mehr Haustiere als Kinder und sechs bis siebenmal mehr Autos als Kinder. Wenn wir so weitermachen, sagt Hüter, dann gibt es den Homo sapiens in 200 Jahren nicht mehr. Daher sollte man sich ernsthaft fragen: „Wollen wir nicht neue Wege gehen?

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www.michael-hueter.org

Michael Hüter
KINDHEIT 6.7
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Edition Liberi & Mundo (2018)
ISBN-10: 9783200055070
D: € 24,30
A: € 25,00

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BoD BESTSELLER seit 11/2018



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