„Han-Chinesen sind auch Opfer der brutalen Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas“

Chinas „Staatsfeindin Nummer Eins“, Uiguren-Sprecherin Rebiya Kadeer, im Epoch Times-Interview über die jüngsten Unruhen in Xinjiang. Der Hass der Uiguren richte sich nicht auf die Han-Chinesen, sondern auf das kommunistische Regime.
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ARCHIV. Rebiya Kadeer, Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren, bei einem früheren Besuch in Hamburg. Kadeer lebt jetzt in den USA. (Florian Godovits/The Epoch Times)
Epoch Times17. Juli 2009

Sie hätte es sich einfach machen können, die ehemals reichste Frau Chinas. Den Weg von der „Vorzeige-Uigurin“ zu „Chinas Staatsfeind Nummer Eins“ nicht gehen müssen. Ihren Reichtum genießen, ihren elf Kindern beim Heranwachsen zusehen können.

Doch die Lage ihres Volkes, der neun Millionen muslimischen Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang, ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Als Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas sogar in den Volkskongress gewählt, wagte Rebiya Kadeer es 1997, öffentlich Kritik an der „Politik der Eisernen Faust“ in Xinjiang zu üben.

Zwei Jahre später machte sie bereits selbst mit dieser Faust Bekanntschaft, als sie wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt und Zeugin bestialischer Foltermethoden wurde. In ihrem Buch „Die Himmelsstürmerin“ beschrieb die seit Ende 2006 dem Weltkongress der Uiguren (WUC) vorstehende 61-jährige Kadeer ihr Leben und Erleben als Uigurin im Reich der Mitte.

Seit den Unruhen in Urumqi, der Hauptstadt der auch als Ostturkestan bekannten Xinjiang-Region, am Sonntag dem 5. Juli, ist der Kontakt Kadeers zu den fünf ihrer noch in Xinjiang lebenden Kinder abgebrochen. Doch die in Washington D.C. lebende Sprecherin der Uiguren verspürt keinen Hass gegenüber den Han-Chinesen. Im Interview mit der Epoch Times spricht sie davon, dass die Uiguren in Wahrheit glauben, „dass die Han-Chinesen auch Opfer der brutalen Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas geworden sind“.

Zur aktuellen Lage in Xinjiang findet sie drastische Worte: „Urumqi ist wie ein Konzentrationslager für Uiguren, die in Angst leben“. Der Plan der chinesischen Führung, die Anführer der uigurischen Proteste hinrichten zu lassen, trägt laut Kadeer zur weiteren Destabilisierung der Region bei. Die „Eiserne Faust“ sei keine Lösung. „Sie war es nie und wird es nie sein“, ist Kadeer überzeugt.

The Epoch Times: Frau Kadeer, wie ist die derzeitige Lage in der Xinjiang-Region, vor allem in der Hauptstadt Urumqi?

Rebiya Kadeer: Die Situation in Ostturkestan ist schrecklich. Es ist wie in einem Polizeistaat, der von chinesischen Sicherheitskräften überflutet wird. Urumqi ist wie ein Konzentrationslager für Uiguren, die in absoluter Angst leben. Die Uiguren fürchten um ihr Leben, das sowohl von den chinesischen Sicherheitskräften als auch vom chinesischen Mob bedroht wird.

The Epoch Times: Wie hoch ist die Zahl der uigurischen Todesfälle den Informationen des Weltkongresses der Uiguren zufolge seit dem 5. Juli?

Kadeer: Die Zahl der uigurischen Todesfälle allein am 5. Juli beträgt laut mehreren Quellen aus Ostturkestan über 400. Die Anzahl ist sicherlich stark gestiegen, seit der chinesische Mob am 6. Juli auf die Straßen gegangen ist, um sich an den Uiguren zu rächen, indem sie sie verletzen und töten. Manche unbestätigte Berichte sehen die Zahl nahe bei 1.000. Wir werden nicht erfahren, wie viele Uiguren getötet und verwundet wurden, bis ein unabhängiges internationales Untersuchungsteam nach Ostturkestan geht, um nachzuforschen.

The Epoch Times: Das kommunistische Regime behauptet, Sie hätten die Proteste am 5. Juli koordiniert. Ist das wahr?

Kadeer: Das ist völlig falsch. Es ist gängige Praxis in China, mich für alles, was in China passiert, verantwortlich zu machen, und Seine Heiligkeit den Dalai Lama für alles in Tibet, so wie im vergangenen Jahr. Was die Proteste am 5. Juli angefacht hat, sind die Mob-Attacken, die Schläge und das Töten von uigurischen Arbeitern in einer Spielzeugfabrik in Shauguan in der Provinz Guangdong am 26. Juni.

The Epoch Times: Welche Beziehung besteht zwischen dem Weltkongress der Uiguren und den Uiguren in China?

Kadeer: Der Weltkongress der Uiguren (WUC) vertritt die kollektiven Interessen des uigurischen Volkes in Ostturkestan und im Ausland. Der WUC hat keinen direkten Kontakt mit Uiguren in Ostturkestan, aber wir kennen die Situation dort und beobachten die brutale Herrschaft der chinesischen Regierung in der Region sehr genau.

Hass auf Politik der Unterdrückung, nicht auf Han-Chinesen

The Epoch Times: Denken Sie, dass die Han-Chinesen in Ostturkestan die Uiguren hassen?

Kadeer: Ich denke nicht, dass die Mehrheit der Han-Chinesen die Uiguren in Ostturkestan hasst, aber manche von ihnen tun es wegen der ultra-nationalistischen Propaganda und Indoktrination der chinesischen Regierung. Deshalb unterliegen manche Han-Leute leider der Gehirnwäsche und glauben, dass Uiguren „barbarisch, gewalttätig, faul, terroristisch und separatistisch et cetera“ seien.

The Epoch Times: Ist der Hass der Uiguren auf die Han-Chinesen oder auf das kommunistische Regime gerichtet?

Kadeer: Der Hass des uigurischen Volkes ist auf die 60 Jahre andauernde Politik der Unterdrückung der chinesischen Regierung gerichtet, nicht auf das chinesische Volk. In Wahrheit glauben die Uiguren, dass die Han-Chinesen auch Opfer der brutalen Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas geworden sind.

The Epoch Times: Was wäre eine Lösung für all den Hass auf beiden Seiten?

Kadeer: Die Lösung besteht in einer Änderung der lange andauernden repressiven Politik der chinesischen Regierung, und in der Schaffung von Rahmenbedingungen für eine friedliche Koexistenz von Uiguren und Chinesen, die auf Gleichstellung, Respekt und Gerechtigkeit basieren.

The Epoch Times: Wie sind die Lebensbedingungen der Uiguren in Ostturkestan?

Kadeer: Schrecklich. Die meisten Uiguren leben in Armut. Die meisten haben keine Jobs. Der Lebensstandard der chinesischen Siedler ist viel höher. Sie kontrollieren und haben alles – Macht, Privilegien und Geld. Die Uiguren haben nichts.

The Epoch Times: Wie geht es ihren Familienmitgliedern, die noch immer in Ostturkestan leben, sind manche ihrer Kinder noch immer dort?

Kadeer: Ja, ich habe fünf Kinder in Ostturkestan. China sperrte zwei meiner Söhne im Jahr 2006 ein – einen für sieben Jahre und einen für neun Jahre. Ich habe jeglichen Kontakt zu meiner Familie seit den Sonntags-Protesten vom 5. Juli verloren. Ich hoffe, dass es ihnen gut geht. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass es ihnen gut geht, da die Verfolgung der chinesischen Behörden auf meine Familie gerichtet ist.

Zentralregierung und Chinas Präsident Hu Jintao kennen die Grausamkeiten in Xinjiang genau

The Epoch Times: Hu Jintao war Provinzgouverneur von Tibet, bevor er Staatspräsident wurde. Er hat den G-8-Gipfel verlassen, um selbst die Verantwortung über die Situation in Ostturkestan zu übernehmen. Ist es wahr, dass ihm viele der Grausamkeiten nicht bewusst sind, die auf Provinzregierungsebene in Xinjiang geschehen?

Kadeer: Herr Hu ist sich der Grausamkeiten in Ostturkestan völlig bewusst. Er kehrte aus Italien nach Peking zurück, um seinen Kollegen Wang Lequan zu unterstützen, den Parteisekretär in Xinjiang, der über mehr als ein Jahrzehnt hinweg all die repressiven Methoden eingeführt hat, die auf einen kulturellen Völkermord hinausgelaufen sind.

The Epoch Times: Was ist ihr Standpunkt gegenüber Pekings „Politik der Eisernen Faust“ gegenüber uigurischen Protestierenden? Vom Regime wurde verlautbart, dass auf sie die Todesstrafe wartet.

Kadeer: Die Proteste der Uiguren am 5. Juli haben die völlige Erfolglosigkeit der Unterdrückungspolitik Chinas in Ostturkestan gezeigt. Die „Eiserne Faust“ ist keine Lösung. Sie war es nie und wird es nie sein. Die Exekution von Uiguren wird zu mehr Instabilität in Ostturkestan führen.

The Epoch Times: Stellt es ein Problem für Uiguren dar, wenn andere Uiguren als Beamte für das kommunistische Regime arbeiten und Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas sind?

Kadeer: Ja, das tut es. Es gibt aber auch viele gute Uiguren, obwohl sie für die Regierung arbeiten und Mitglieder der KPCh geworden sind. Das wirkliche Problem kommt von den Uiguren, die ihre eigene Nation betrügen, um sich in Peking lieb Kind zu machen, so wie Nur Bekri, der gegenwärtige Regierungsvorsitzende der Autonomen Region Xinjiang.

Uiguren führen keinen religiösen Kampf

The Epoch Times: Wie hoch ist die Zahl gläubiger Muslime unter den Uiguren in Ostturkestan?

Kadeer: Die Mehrheit der Uiguren praktiziert eine moderate Form von Sunni-Islam.

The Epoch Times: Als Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren sind sie keine spirituelle Führerin. Welche Rolle spielt der Islam in Ihrer Organisation?

Kadeer: Die Uiguren halten mich für ihre spirituelle Mutter. Sie setzen auf mich, ihnen aus ihrem Leiden unter der brutalen chinesischen Herrschaft in Ostturkestan zu helfen. Ich werde mein Bestes geben, sie dabei zu unterstützen, damit sie eines Tages mit menschlicher Würde und in Freiheit leben können. Religion ist wichtig für mich und mein Volk. Aber unser friedlicher Kampf ist kein religiöser.

The Epoch Times: Warum spricht sich die muslimische Welt nicht für die Uiguren aus?

Kadeer: Im Moment sind sie sich der Situation noch nicht so recht bewusst. Ich bin zuversichtlich, dass sie sich in der Zukunft für die uigurischen Muslime einsetzen.

The Epoch Times: Was sollte die Internationale Gemeinschaft jetzt tun?

Kadeer: Die Internationale Gemeinschaft sollte das Töten von Uiguren durch die chinesische Regierung verurteilen, die Freilassung aller verhafteten Uiguren fordern und China dazu auffordern, keine Uiguren zu exekutieren, und eine internationale Untersuchung dessen zulassen, was am Sonntag, dem 5. Juli, wirklich geschehen ist.

Das Interview führte Florian Godovits



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