„Busy, busy…“ - Die versteckten Kosten des ständigen Beschäftigtseins
Ständig beschäftigt zu sein, ist zu einem entscheidenden Merkmal eines sinnvollen Lebens geworden – wenngleich eines, das unsere geistige und körperliche Gesundheit negativ zu beeinträchtigen vermag.
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Erschöpft und alleine abends im Büro: Workaholics spielen mit ihrer mentalen und körperlichen Gesundheit. Doch was steckt hinter dem Phänomen?
Forschungsergebnisse aus den Vereinigten Staaten zeigen, dass längere Arbeitszeiten und zunehmend hektische Lebensstile die Menschen sozial isolierter zurücklassen als je zuvor. Während Workaholics als erfolgreiche Leistungsträger erscheinen mögen, hat ihr unerbittlicher Antrieb oft einen Preis für ihre Gesundheit – und ihre Beziehungen.
Kristine Genovese arbeitete als Spezialistin für Unternehmenssanierungen. Ihre ständige Geschäftigkeit gab ihr ein gutes Gefühl. Als sie jedoch entlassen wurde, erlebte sie eine tiefgreifende Wende. Denn die erzwungene Pause veränderte ihre Perspektive auf das Leben vollständig – auch auf ihre Geschäftigkeit.
„Meine Tage waren gefüllt mit Strategien, Zahlen und einem unerbittlichen Drang, Erfolg zu erzielen“, erklärte Frau Genovese gegenüber der Epoch Times: „Ich war gut in meinem Job – so gut, dass ich bekannt wurde für meine Fähigkeit, strauchelnde Unternehmen zurück in die Gewinnzone zu führen.“
Allerdings: Trotz aller Beförderungen, des Lobes und des finanziellen Erfolgs konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas fehle. Obwohl sie bei der Arbeit hervorragende Leistungen erbrachte, fühlte sie sich zutiefst entfremdet – so als ob ihre Erfolge ihr nicht länger ein Gefühl von Sinnhaftigkeit zu vermitteln vermochten.
„Genau die Fähigkeiten, die mich in der Unternehmenswelt erfolgreich gemacht hatten, begannen sich wie ein Käfig anzufühlen, der mich in einem Leben gefangen hielt, das nicht mit meinem wahren Selbst in Einklang stand“, sagt Genovese.
Gefangen in einer Identitätsfalle namens „Geschäftigkeit“
Viele Menschen knüpfen ihr Selbstwertgefühl an ständige Produktivität. Für Genovese ging es bei dem Drang, beschäftigt zu bleiben, nicht nur darum, etwas zu leisten – er wurzelte in einem tieferen Bedürfnis, ihren Wert gegenüber anderen zu beweisen, da sie noch nicht gelernt hatte, sich einfach durch ihr Sein als „genug“ zu fühlen.
„Das Belohnungssystem des Gehirns spielt eine wichtige Rolle bei der Verstärkung von Verhalten, einschließlich Überarbeitung“, erklärt die Neurowissenschaftlerin Lila Landowski, Dozentin an der öffentlichen University of Tasmania, einer der ältesten Forschungseinrichtungen Australiens, gegenüber der Epoch Times.
Jedes Mal, wenn man kurz davor sei, einen Punkt auf seiner To-Do-Liste abzuhaken, aktiviere sich das Belohnungssystem, motiviere einen zum Abschluss und verschaffe einem einen kleinen Dopamin-Kick, so die Expertin. „Es fühlt sich gut an, also tun Sie es wieder.“
Workaholics berichten von einem Wohlgefühl durch ständiges Beschäftigtsein. Doch zu welchem Preis „durchströmt“ dann das Dopamin das Gehirn?
Foto: photoschmidt/iStock
„Das Problem dabei ist, dass sich das Dopamin nicht darum kümmert, was Sie gerade tun“, erläutert Landowski. Wenn man also anfange, seine To-Do-Liste mit seinem Selbstwertgefühl zu verknüpfen und Geschäftigkeit zu einer Form der Selbstberuhigung werde, verstärke man letztendlich Verhaltensweisen, die typisch für Workaholics sind.
Die Bindung des Selbstwertgefühls bringt in der Praxis gleich mehrere Probleme mit sich. Eine Studie aus dem Jahr 2016 mit Schülern und Universitätsstudenten ergab, dass diejenigen, die ihr Selbstwertgefühl auf Leistungen stützten – bekannt als kontingentes Selbstwertgefühl – tendenziell hoch motiviert, aber auch ängstlicher und emotional erschöpfter waren.
Sie arbeiteten oft hart, um sich zu beweisen, anstatt aus echtem Interesse. Angesichts von Herausforderungen kann diese druckgesteuerte Denkweise Spannungen erhöhen und das Durchhaltevermögen verringern, was zeigt, wie die Verknüpfung des Selbstwertgefühls mit Leistung das Wohlbefinden und die langfristige Motivation schädigen kann.
Der körperliche und geistige Preis des ständigen Gehetztseins
Lange Arbeitszeiten und ständiger Druck können einen hohen Tribut an die Gesundheit fordern – geistig und körperlich.
Ein Beispiel: Polen hat unter den europäischen Ländern einen vergleichsweise niedrigen Work-Life-Balance-Wert, also eine relativ geringe Ausgewogenheit zwischen beruflichen Verpflichtungen und privaten Bedürfnissen, wie Familie, Gesundheit und Freizeit. Forscher untersuchten in Warschau über zehn Jahre hinweg 500 Fachkräfte aus der Mittelschicht.
Sie fanden heraus, dass diejenigen mit einer schlechteren Work-Life-Balance von einer schlechteren geistigen und körperlichen Gesundheit berichteten. Die Verbindung zwischen Ungleichgewicht und schlechter Gesundheit verstärkte sich im Laufe der Zeit, wahrscheinlich aufgrund von Verschiebungen im Lebensstil und in der Denkweise.
Global gesehen wurden Mitarbeiter mit 55 oder mehr Wochenarbeitsstunden – laut einer gemeinsamen Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der UN – mit 4,9 Prozent der Todesfälle durch Herzerkrankungen und 6,9 Prozent der Todesfälle durch Schlaganfälle in Verbindung gebracht.
Nach Angaben von Dr. Jayne Morgan, Kardiologin und Vizepräsidentin für medizinische Angelegenheiten bei dem digitalen therapeutischen Programm „Hello Heart“, würden lange Arbeitszeiten in Verbindung mit viel Sitzen, höherem Stress, schlechtem Schlaf und weniger Zeit für gesunde Gewohnheiten, einen „perfekten Sturm“ für das Herz schaffen.
Die Herzspezialistin erklärte gegenüber der Epoch Times: „Das Herz-Kreislauf-System bekommt nie eine Pause zum Zurücksetzen. Diese ständige Beanspruchung, kombiniert mit Vernachlässigung des Lebensstils, erhöht das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erheblich.“ Morgan sagte auch: „Menschen, die ständig ‚an‘ sind, zeigen oft frühe Anzeichen einer kardiovaskulären Belastung, selbst wenn sie jung und ansonsten gesund sind.“
Übermäßiges Arbeiten kann jedoch auch das Gehirn physisch verändern und die kognitive und emotionale Gesundheit im Laufe der Zeit potenziell beeinträchtigen. Eine Pilotstudie an Mitarbeitern des Gesundheitswesens ergab, dass diejenigen, die 52 oder mehr Stunden pro Woche arbeiteten, sichtbare Veränderungen in Gehirnregionen zeigten, die an der Entscheidungsfindung, Stressregulierung und emotionalen Kontrolle beteiligt sind. Dies wiederum deutet darauf hin, dass chronische Überarbeitung die Funktionsweise des Gehirns umgestalten kann.
Wenn das ständig überreizte System kollabiert…
Foto: Daenin Arnee/iStock
Manoj Sharma, Professor für Sozial- und Verhaltensgesundheit an der University of Nevada–Las Vegas, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass ständiges Beschäftigtsein das Gehirn in einem Zustand hoher Wachsamkeit halte, was sich in schnellen Betawellen im Elektroenzephalogramm zeige. Diese anhaltende Hyperaktivität zehre an den Kräften und könne zu Stress, Burnout, geistiger Erschöpfung, schlechtem Schlaf, verminderter Produktivität und emotionaler Vernachlässigung führen.
„Sich Zeit zum Ausruhen und für die Auseinandersetzung mit sich selbst zu nehmen, hilft, die Auswirkungen von Stress abzufedern“, so der Gesundheitsexperte. „Ohne dieses Gleichgewicht steigt das Risiko für Angstzustände, Depressionen und sogar chronische Krankheiten wie Herzerkrankungen oder Demenz.“
Ständige Geschäftigkeit kann unbewusst stille emotionale Mauern aufbauen, nicht nur zwischen uns und den Menschen, die wir lieben, sondern auch in uns selbst. Wenn jeder Moment mit Arbeit oder Aufgaben ausgefüllt ist, gerät die echte zwischenmenschliche Verbindung in den Hintergrund.
„Geschäftigkeit kann wie jede andere Vermeidungsstrategie funktionieren“, sagt Jill Vance, klinische Psychologin und Gründerin von Mentella Health, gegenüber der Epoch Times. „Sie mag vorübergehende Linderung emotionaler Belastung bieten, aber sie verstärkt auch die langfristige Entfremdung.“
Eine in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Frontiers in Psychology“ veröffentlichte Studie beschäftigte sich mit mehr als 1.200 Vollzeitbeschäftigten in den USA. Deren Befragung ergab, dass diejenigen, die auf der Skala für Arbeitssucht hoch genug abschnitten, oft Schwierigkeiten hatten, ihre Emotionen zu regulieren. Infolgedessen nutzen diese Personen möglicherweise die Arbeit, um ihren eigenen Gefühlen zu entkommen und greifen auf ungesunde Bewältigungsstrategien zurück, wie z.B. suchtartigem Essverhalten, was ihrer Gesundheit weiter schadet.
Für Genovese diente Geschäftigkeit einst als Bewältigungsmechanismus – eine Möglichkeit, sich der Konfrontation mit unangenehmen Emotionen zu entziehen. Produktiv zu bleiben half ihr, tieferen Gefühlen zu entkommen, aber später erkannte sie, dass ständige Geschäftigkeit ihre eigene Heilung tatsächlich verhinderte.
„Die Ironie ist, dass die Menschen, die ich am meisten liebte, am wenigsten von mir bekamen. Ich war körperlich anwesend, aber emotional nicht verfügbar“, sagt sie. „Gespräche blieben an der Oberfläche, weil meine Gedanken immer woanders waren – am Planen, Beheben, Streben.“
Frühe Warnzeichen dafür, dass Geschäftigkeit ungesund wird, sind Gereiztheit, anhaltende Müdigkeit und weniger Zeit für Beziehungen, führt Professor Sharma aus. „Mit der Zeit kann dies zu Angstzuständen, Schuldgefühlen bei Nicht-Arbeit, schlechtem Fokus, Vernachlässigung der Selbstfürsorge oder Selbstmedikation mit Alkohol und anderen Substanzen führen. In einigen Fällen kann ständige mentale Belastung sogar Zustände wie eine bipolare Störung auslösen.“
Aus der Falle heraus: Finde deine Pause
Das Durchbrechen des Kreislaufs beginnt damit, die eigene Identität neu zu definieren – sich durch das „Wer man ist“, anstatt durch das „Was man tut“, zu sehen.
„Das Ziel ist nicht, aufzuhören, etwas zu leisten, sondern das Gefühl des Erfolgs über die Arbeit hinaus zu erweitern – auf das Leben nach den eigenen Werten, auf Dinge hin, die Freude und Erfüllung bringen, und auf die Pflege sinnvoller Beziehungen“, so die Psychologin Vance.
Die von uns interviewten Experten teilten die folgenden Strategien, die dabei helfen sollen, herunterzukommen:
Klein anfangen: Legen Sie den ganzen Tag über Mikropausen ein – wie einen kurzen Spaziergang, ein schnelles Dehnen oder einen Moment zum Atmen. Diese Pausen helfen, Ihr Nervensystem und Ihre Emotionen zu regulieren.
Zeit weise einteilen: Schaffen Sie Raum für soziale Interaktionen und sinnvolle Aktivitäten.
Treten Sie sozialen Gruppen oder Gemeinschaften bei: Dies ermöglicht die Verbindung mit Gleichgesinnten.
Nehmen Sie an gemeinsamer Entspannung oder Meditationsübungen teil: Dies kann emotionale Bindungen stärken.
Kennen Sie Ihre Zahlen: Überwachen Sie regelmäßig Ihren Blutdruck, Cholesterin- und Blutzuckerspiegel.
Priorisieren Sie den Schlaf: Um die Erholung von Körper und Geist zu unterstützen.
„Entschleunigen ist jetzt meine heilige Praxis“, erzählt Genovese. „Das sieht so aus: morgendliche Meditation anstelle des E-Mail-Checks, Atemübungen vor Entscheidungen und ‘Nein’ sagen ohne Schuldgefühle.“
„Die stärkste Version deines Selbst erscheint, wenn du dir erlaubst, innezuhalten und dich mit deiner Seele rückzuverbinden.“
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
Hadia Zainab ist freie Gesundheitsjournalistin und Doktorandin der Physiotherapie am Sialkot Medical College in Sialkot, Pakistan. Ihre Erfahrungen im Umgang mit Gesundheitsproblemen wie Schlaganfällen, Lähmungen sowie bei pädiatrischer Versorgung und Intensivpflege fließen in ihre Texte ein. Zainab legt Wert auf Güte, Empathie und klare Kommunikation, was ihr hilft, Patienten und Fachkräfte im Gesundheitswesen miteinander zu verbinden.