Die verführerischen Blumen des Bösen

Haschischraucher jubilieren weltweit, denn Millionen an Geldern werden für gewaltige Propagandakampagnen ausgegeben, um die Droge zu entkriminalisieren. Ein guter Zeitpunkt also, auch für den überzeugtesten Marihuana-Raucher, um einen Augenblick innezuhalten und sich zu fragen, ob die geschätzte Gewohnheit wirklich ein Weg zur Glückseligkeit und spiritueller Befreiung ist, oder aber ein langsamer und kaum wahrnehmbarer Abstieg in Apathie, Elend und schließlich psychische Zerrüttung.
Titelbild
Marihuana - Blumen des Bösen.Foto: iStock

O Schmerz! die Zeit trinkt unsren Lebenssaft,

Der dunkle Feind, der uns am Herzen zehrt

Und sich von unsrem Blute stärkt und mehrt!

(aus: „Die Blumen des Bösen“, 1857, Charles Baudelaire)

Erlaube mir einige Beobachtungen aus einer Zeit, als das Rauchen von Pot bereits weit verbreitet war, aber noch immer mit Knast geahndet wurde. Die Rede ist hier von den glorreichen Siebzigern des letzten Jahrhunderts, als mich Zufall oder Schicksal an die frivolen Ufer von Amsterdam gespült hatten.

Viel Gutes kann über diese unschuldigen Jahre voller Hoffnung und Glückseligkeit gesagt werden. Dennoch war nicht zu übersehen, zumindest für diejenigen, die einen einigermaßen klaren Kopf behalten hatten, dass im Hinterhof unserer schönen bunten neuen Welt Dämonen lauerten, die ziemlich erschreckend anzusehen waren.

Dämonen, die auch mich attackierten und abgewehrt wurden, es aber schafften, einen meiner Freunde zu betören und zu überwältigen.

Der war ein brillanter junger Wissenschaftler, beschäftigt in einem der renommiertesten holländischen Forschungszentren. Ich habe nie herausgefunden, was genau sein Job dort war, ob er seinen beeindruckenden IQ für die allgemeine Verbesserung menschlichen Daseins einsetzte oder nur einen besonders haltbaren Keilriemen für den militärisch-industriellen Komplex entwickelte.

Nun waren dies Zeiten, in denen das Verständnis sozialen Verhaltens oder privater Freizeitgestaltung maßgebliche Veränderungen erfahren hatten. Anders gesagt, wenn man mit der allgemeinen Stimmung schritthalten und cool und hip und far-out wie alle anderen erscheinen wollte, war es einfach unumgänglich, sich bei passender Gelegenheit zu bekiffen, einen LSD-Trip einzuwerfen oder eine Prise Koks zu schnupfen. Allerdings wurde im Laufe der Zeit auch deutlich, dass diese Angewohnheiten ausgesprochen gefährliche Nebenwirkungen entwickeln konnten.

Wie es meinem Freund widerfuhr

Er gehörte zu jener Art von Suchenden, deren höchst wissbegieriger Geist eine rein wissenschaftliche Erklärung des Universums und seiner Ursprünge als unzureichend empfanden. Da musste mehr sein, als nur ein unerklärlicher Urknall und um das Rätsel zu lösen, durchforstete er literarische Giganten mit mystischen Neigungen nach praktikablen Hinweisen.

Werke wie Aldous Huxleys „Doors of Perception“ wurden zu einem bevorzugten Kompass, um Positionen zu bestimmen. Wann immer er Segel setzte zu neuen und geisteserweiternden Ufern, war ein Joint, gestopft mit erstklassigem Schwarzen Nepal der Zephyr, welcher seine Segel füllte.

Nach seiner Ernennung zum Leiter einer neuen Abteilung des Forschungszentrums lebte und arbeitete er in einer anderen Stadt und wir sahen uns nur selten. An einem warmen Sommernachmittag rief er an und wir trafen uns auf der Terrasse eines der schönen alten Cafés, direkt neben einem der prachtvollen Kanäle Amsterdams. Er sah blass aus und gespannt und schien auf den zweiten Blick innerlich zutiefst erregt.

Ich hatte schon bei früheren Treffen bemerkt, dass längere Gespräche mit ihm in mir ein merkwürdig leeres und ermüdendes Gefühl verursachten, ganz so, als wäre mir eine kleine Menge meines essentiellen Lebenssaftes abhanden gekommen. Nachdem ich ihm eine Weile zugehört hatte, wurde dieses Gefühl sehr stark und ich versuchte, möglichst unbemerkt eine emotionale Distanz zu bewahren.

Aber als er über die Schulter spähte, stirnrunzelnd den Kellner betrachtete, einen harten Blick auf unsere Nachbarn warf, sich dann vorbeugte und mit rauher Stimme flüsterte, dass der britische Geheimdienst ihn zu entführen versuchte, begannen alle meine inneren Alarmglocken zu läuten.

Denn dies war nicht das erste Mal, dass ich derartigen Unsinn vernahm. Tatsächlich erlag ich selbst vor nicht allzu langer Zeit einem Anfall von galoppierendem Verfolgungswahn, nachdem ich ein paar Tage lang Haschisch konsumiert hatte, der vermutlich mit Opium, Amphetaminen oder anderem Dreck aus irgendwelchen illegalen Giftküchen angereichert worden war. Was mir einen derartigen Schreck einjagte, dass ich die Gewohnheit ein für allemal aufgab und konsequent auf Rotwein umstieg.

Eingedenk dieser Erfahrung empfahl ich meinem Freund mit Nachdruck, cool zu bleiben und umgehend mit der Kifferei aufzuhören, da er sonst in einer Klappsmühle enden könnte. Genau wie ein Typ aus unserer weitläufigeren Bekanntschaft, den sie vor einiger Zeit heulend, zähnefletschend und splitternackt am hellichten Tage mitten in Amsterdam aufgegriffen und umgehend in eine geschlossene Einrichtung gebracht hatten.

Mein Freund bedachte mich nur mit einem wütenden Blick, zog einen Joint aus der Tasche und zündete ihn an, stand auf und verliess grußlos das Café, ohne zu zahlen.

Einen Monat später kam er zu mir nach Hause und fragte, ob ich ihm helfen könnte, sein Auto zu finden. Er sah heruntergekommen aus und schien seltsam unterwürfig, beides ungewöhnlich, denn in der Vergangenheit war er immer tadellos gekleidet und strahlte eine intellektuelle Distanz aus, die oft an Arroganz grenzte. Ich konnte klar sehen, dass er schlecht beieinander war und hatte sofort schwere Bedenken.

Während wir langsam durch die Stadt fuhren, wurde es überdeutlich, dass sich sein geistiger Zustand katastrophal verschlechtert hatte. Was auch immer er sagte, war unzusammenhängend oder völlig sinnlos und als ich ihn etwas fragte, starrte er nur mit verwirrtem Stirnrunzeln in seinen Schoß. Nach einer Stunde zielloser Fahrerei beschloss ich, nach Hause zurückzukehren und sagte es ihm. Woraufhin er zuerst heftig den Kopf schüttelte und dann wütend einige unverständliche Worte zischte.

Die Nacht war bereits angebrochen und wir fuhren auf einer Straße mit viel Verkehr in beide Richtungen. Als ein großer Lastwagen auf uns zudonnerte, packte mein Freund plötzlich das Lenkrad und riss es herum.

Mein Schutzengel und ein heftiger Schub Adrenalin arbeiteten derart zusammen, dass ich gerade noch rechtzeitig gegensteuern und so dem Behemoth ausweichen konnte. Zutiefst schockiert und mir vollkommen bewusst, dass der Tod uns um Haaresbreite verfehlt hatte, hielt ich irgendwo an und befahl ihm, sofort zu verschwinden.

Das letzte, was ich von ihm sah, war sein Gesicht, als er unter einer kalten Straßenlaterne stand. Verächtlich und ungläubig und traurig zugleich, starrte er mich an, als hätte ich einem Bettler die Tageseinnahme aus dem Hut geklaut.

Ein paar Wochen später rief jemand an, stellte sich verspielt als Kopfklempner vor und bat um ein oder zwei Minuten meiner Zeit. Verblüfft stimmte ich zu und wurde umgehend mit einer Abhandlung über Psychosen traktiert. Er hatte eine samtige Stimme und reicherte seinen Diskurs mit vielen besänftigenden Adjektiven an. Nach einer Weile begann ich mich positiv gruselig zu fühlen und bedeutete ihm grob, mit seinem Anliegen herauszurücken. Woraufhin ich erfuhr, dass er als Abteilungsleiter einer privaten Nervenheilanstalt in der näheren Umgebung fungierte und dass sein Rudel von Knallköpfen kürzlich mit der Zugabe meines Freundes beehrt worden war, und ob ich vorbeikommen könnte, wann immer die Gelegenheit sich ergab.

Der Laden war alt, geräumig und nobel, mit tadellosen Rasenflächen und gut getrimmten Rosengärten, alles umgeben von hohen Mauern. In einer geschützten Laube präsidierte ein Halbgott in weissem Kittel über eine Truppe von Insassen, die sich so irrational verhielten, wie diese Art von Insassen es in der Regel tut. Andere waren sich selbst überlassen und saßen im Gras oder wanderten in jener seltsam mechanischen Weise herum, die das Ergebnis massiver und unablässiger Einnahme von Beruhigungsmitteln ist.

Kräftiges männliches Personal warf ein kühles Auge auf die Situation, bereit sofort einzugreifen, sollte jemand trotzdem versuchen, die Hausregeln zu umgehen. Einige Besucher waren anwesend und versuchten, ihre durchgeknallten Lieben so gut wie möglich zu amüsieren, konnten aber nicht den stillen Schrecken verbergen, der eine gesunde und sensible Person in Gegenwart von Menschen überkommt, die alles andere als gesund und sensibel sind.

Seltsam deplatziert schien eine schöne Dame, Mitte der Dreißig, die vorüber ging, während ich auf meinen Freund wartete. Sie trug lange schwarze Handschuhe zu einem schwarzen Abendkleid und weinte eine glänzende Träne, die langsam über ihr stilles Gesicht lief.

Als unsere Augen sich trafen, hatte ich die unheimliche Empfindung, als ob ihr forschender Blick zutiefst in mein innerstes Wesen vorgedrungen war. Instinktiv den Kopf senkend, fühlte ich mich wie ein Feigling und sah wieder auf.

Mein Gesicht muss Beklommenheit, wenn nicht gar Furcht gezeigt haben, denn sie betrachtete mich für einen langen Moment mit ihren großen grünen Augen, schüttelte dann traurig den Kopf, als ob sie eine unausgesprochene Frage beantwortet hätte und ging weiter. Während ich ihr nachsah, wurde ich von dem schrecklichen Eindruck überwältigt, dass sie sich ihres Dilemmas vollkommen bewusst war, aber auch verstand, dass die Mauern, die das Schicksal um ihren Geist errichtet hatte, so unüberwindlich waren, wie jene, welche die schönen Rosengärten umgaben.

Als mein Freund endlich kam, wurde sofort klar, dass sein Zustand die Anwesenheit in dieser Umgebung vollkommen rechtfertigte. Er benahm sich, als hätte er nur einen langen Diskurs unterbrochen, um kurz pinkeln zu gehen und fuhr nun fort, mit heiserem Flüstern und misstrauischen Seitenblicken eine riesige Verschwörung zu beschreiben, die alle geheimen Mächte der Welt entfesselt hatten, um ihn zum Schweigen zu bringen und seiner wichtigsten Erfindungen zu berauben.

Ich hörte zu mit ernstem Gesicht und wagte einen gelegentlichen aber ungehörten Kommentar. Abgesehen von der Tatsache, mich wieder leer und abgenutzt zu fühlen, kam ich nicht umhin, den Einfallsreichtum seiner Geschichten zu bestaunen. So sehr, dass es immer wieder bizarre Momente gab, in denen ich mich, entgegen jeden besseren Wissens zu fragen begann, ob seine Geschichten nicht doch ein Körnchen Wahrheit enthalten könnten.

Auf dem Weg nach Hause bemühte ich mich, etwas Fassung wiederzuerlangen. In den folgenden Monaten besuchte ich ihn noch einige Male, nur um stets mehr Variationen des gleichen alten Themas zu vernehmen. Ein halbes Jahr später winkten ferne Länder mit möglichen Reichtümern, und ich packte meine Siebensachen und versammelte meine Hunde und verliess für immer sein Leben und seine niemals endenden Intrigen.



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