Boulderhalle mit Unisex-Umkleiden: „Das ist eine Umkleide für Männer“

In einer Berliner Kletterhalle gibt es eine Umkleide für FLINTA* und eine für alle Geschlechter. Was steckt dahinter? Vor Ort frage ich Boulderer und schaue mir die Umkleiden genauer an.
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Ein Symbol für alle Geschlechter: Biologische und soziale Geschlechter miteinander vereint.Foto: iStock/Devenorr
Von 1. März 2023

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„All Gender“ steht über der Umkleide in großen grauen Buchstaben geschrieben – es ist eine öffentliche Umkleide für alle Geschlechter. Ein leichtes Unbehagen spüre ich, als ich den Raum betrete. Zwei Männer ziehen sich gerade um, es ist keine andere Frau in dem engen Raum. Für sie scheint es völlig normal zu sein, dass ich als Frau den Umkleideraum betrete. Zumindest lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen – sie ziehen aber auch nur andere Schuhe an. Duschen gibt es nicht. Sportsachen trage ich bereits, sodass ich nur mein Getränk aus der Tasche nehme, meine Wertsachen in dem Spind verstaue und gleich bouldern gehen kann.

Immer mehr Menschen setzen sich für die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen sowie queeren, intersexuellen und asexuellen Menschen ein, kurz: LGBTQIA*. Das Sternchen wird nicht gesprochen und steht für alle weiteren, nicht benannten Geschlechter.

Die zunehmende Gleichberechtigung von LGBTQIA* hat zur Folge, dass zunehmend Unisex-Toiletten und Unisex-Umkleiden gebaut werden. So auch in der Boulderhalle Der Kegel“ in Berlin-Friedrichshain, in welcher Menschen ohne Sicherung in geringer Höhe klettern können.

FLINTA*-Umkleiden – Menschen, die sich als Frauen fühlen

Als ich aus der gemischten Umkleide gehe, sehe ich auf dem Weg zur Boulderhalle eine Umkleide für Frauen – oder zumindest für jene Menschen, die sich als solche identifizieren. Auf einem Schild an der Tür steht in großen roten Buchstaben „FLINTA*“. Die Definition von FLINTA* bezieht sich auf Frauen, schließt aber auch Lesben, Transsexuelle sowie intersexuelle und asexuelle Menschen ein, die sich als Frauen fühlen.

Nach dieser Definition könnten auch Männer den FLINTA*-Raum nutzen, wenn sie sich im falschen Körper geboren fühlen. Der Sicherheitsraum, den Frauen in der Umkleide haben, könnte somit gefährdet sein. Ein junger Mitarbeiter mit mittellangem Haar erzählt mir, dass sie bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht haben.

Welche Umkleiden gibt es also für wen? Der Mitarbeiter erklärt: „Sie ist ein ‚safe-space‘ für Frauen. Die andere Kabine ist für Männer.“ Ich bin verwirrt und frage nach. Schließlich steht auf dem Schild „all Gender“ und nicht „Männer“. „Das liegt daran, dass es einen Raum für FLINTA* geben soll, in dem sich Frauen sicher fühlen können.“ FLINTA* beziehe schließlich mehr Menschen ein als „Frauen“. Für „Typen“ sei die andere Umkleide da.

Später frage ich noch einmal bei einer Mitarbeiterin nach: „Habt ihr in der Boulderhalle Umkleiden, in der sich nur Männer umziehen können?“ „Ja“, antwortet die Mitarbeiterin. Offensichtlich ist die Aufschrift „all Gender“ für das Personal von Der Kegel pro forma.

„Wir haben hier keine Typen“, scherzt ein anderer Mitarbeiter keck und hat ein freches Grinsen im Gesicht. Er macht sich über die Gender-Ideologie lustig und sagt ironisch: „Hier kommen keine Typen her und deswegen haben wir eine Umkleide für ‚all Gender‘ und nicht für ‚Männer‘.“ Witz und Ironie ist wohl seine Methode, mit dem Thema umzugehen und seine kritische Haltung zu signalisieren.

Warum Umkleide für alle?

An den Wänden klettern überall Menschen, die Luft ist belastet von der Kletterkreide und verbraucht von der körperlichen Anstrengung. Im Hintergrund läuft Musik von Bob Marley und es entsteht eine entspannte Atmosphäre – auch der Kleidungsstil der Menschen lässt einen lockeren und alternativen Lebensstil vermuten.

Ursprünglich wollte ich mir ein genaueres Bild von der „All Gender“-Umkleide machen und Frauen fragen, warum sie die Umkleide nutzen. Als ich da bin, ziehen sich über den gesamten Abend allerdings nur Männer in dem Raum um.

Der Anfang 20-jährige Luca erzählt mir, dass sich bisher einmal eine Frau in der Umkleide mit ihm aufhielt. „Für mich war es etwas komisch. Sie zog sich einfach vor mir um und stand dann im Sport-BH da.“ Wenn Männer ihre Kleidung wechseln, sei es ihm grundsätzlich egal und er achte nicht darauf, wo er hinschaue. Mit der Frau in der Umkleide bemüht er sich, seinen Kopf nicht in ihre Richtung zu bewegen. „Ich möchte nicht, dass sie sich beobachtet und sexuell belästigt fühlt.“ Außerdem sei es für ihn komisch, sie anzusehen. Er sieht erschöpft vom Sport aus, trägt eine lockere Jogginghose und zieht sich seine Jacke an.

Da Frauen den „All Gender“-Raum an dem Tag, an dem ich da bin, nicht nutzen, frage ich einige, woran das liegt. Die 30-jährige Lisa denkt laut, warum sie denn in die andere Umkleide gehen solle. „Wir haben doch eine Umkleide für Frauen.“ Ihre Freundin schließt sich der Äußerung nickend an und sie gehen, sich unterhaltend, zur nächsten Kletterwand.

Eine dritte Frau, 28 Jahre alt, frage ich, wie sie es findet, dass auch Männer, die sich als Frauen fühlen, die Frauen-Umkleide benutzen dürfen. Sie zieht gerade ihre Sportschuhe aus und verstaut sie in ihrer Tasche. Ihre Hände sind noch mit Resten von der Kreide bedeckt. Auf meine Frage antwortet sie eher ausweichend: „Ich finde es schön, dass hier viel Wert auf gegenseitige Akzeptanz gelegt wird. Jeder kann sich hier sicher fühlen.“

Die Frauen ziehen sich insgesamt eher weniger in der Unisex-Umkleide um und es entsteht der Eindruck, dass die Beschriftung „All Gender“ auch für die Boulderer nur formal ist.

Missbrauchsfälle nicht bekannt

Der Kegel ist mit der Umkleide für „All Gender“ eine Ausnahme. Wenn überhaupt, gibt es in manchen Institutionen gemischte Toiletten, wie zum Beispiel in der Boulderhalle Südbloc. Dort gibt es Toiletten für Frauen einerseits und zusätzlich welche für alle Geschlechter. Auch in der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) werden derzeit Unisex-Toiletten gebaut. Sie sind zu erkennen an einem Zeichen, welches in seiner Symbolik Frauen, Männer und alle anderen Geschlechter miteinander vereint:

Toilettenschild einer All-Gender-Toilette. Foto: Sarah Kaßner/privat.

Kritiker sehen in Unisex-Toiletten und Unisex-Umkleiden die hohe Gefahr des sexuellen Missbrauchs. Die Polizei erfasst allerdings keine Daten, an welchen Orten sexuelle Übergriffe stattfinden.

Die Pressestelle der Berliner Polizei teilt auf Anfrage mit: „Die Erhebung dieser Zahlen ist nicht mittels automatisiertem Verfahren möglich. Sie bedarf der händischen Recherche, die in diesem Umfang nicht zu realisieren ist. Gleichzeitig ist sie nicht mit der Wahrung des Datenschutzes und von Persönlichkeitsrechten vereinbar.“ Daten zu Missbrauchsfällen in Unisex-Umkleideräumen bzw. -Toiletten würden durch die Polizei Berlin nicht gesondert erhoben.

Als Gefahr stuft die Polizei Berlin Unisex-Toiletten und Umkleideräume nicht ein. Sicher nennen sie die Räume allerdings genauso wenig. „Eine Bewertung von Unisex-Umkleideräumen bzw. -Toiletten obliegt der Polizei Berlin – in ihrer neutralen Position – nicht“, heißt es in der Antwort.

Die HU und verschiedene Frauenrechtsorganisationen geben auf die Frage nach ihrer Einschätzung von sexuellem Missbrauch in Unisex-Toiletten und -Umkleideräumen keine Antwort.

Ebenfalls gibt das Bundesministerium für Familie und Frauen keine Stellungnahme ab. In dem „Regenbogenportal“ steht, dass Toiletten und Umkleiden für alle Geschlechter diskriminierungsfreie Räume für inter*, trans*, nicht-binäre und gendernonkonforme Menschen sein sollen.

Keine Scham spüren

Unisex-Toiletten und Unisex-Umkleiden sind für mich persönlich keine Räume, in denen ich mich ängstlich fühle. Für mich lösen sie eher ein Gefühl von Scham aus. Wer sich trotzdem für das Umkleiden in einem Unisex-Raum entscheidet, muss solche Gefühle für den Moment vergessen – das fällt mir schwer.

Als ich gehen und die Umkleide verlassen möchte, steht direkt in meinem Blickfeld ein Mann vor dem Pissoir. Lediglich eine kleine Wand verdeckt seinen Intimbereich. Eine Tür, die der Mann schließen kann, gibt es nicht. Er hätte allerdings auch die verschließbare Toilettenkabine benutzen können, hat er aber nicht.

Für mich ist die Situation ungewohnt und peinlich berührend – wie der Mann empfindet, weiß ich nicht. Selbst ihn zu befragen, finde ich taktlos und beschämend zugleich. Es ist nicht auszudenken, wie es jemandem in vergleichbarer Situation gehen mag, der weniger gestanden ist, möglicherweise durch Erlebnisse traumatisiert ist und keinen jounalistisch-neugierigen Blick auf die Situation hat. Also nehme ich meine ausgeliehenen Boulderschuhe, gebe sie am Eingang zurück, verlasse den Kegel in Richtung Bahnhof und bin mir sicher, dass ich zukünftig die FLINTA*-Umkleide nutzen würde.



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